19.12.2012 Aufrufe

Professionalisierung und Vernetzung von Shareholder-Activism

Professionalisierung und Vernetzung von Shareholder-Activism

Professionalisierung und Vernetzung von Shareholder-Activism

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Jahrestagung 2012<br />

des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen <strong>und</strong> Aktionäre<br />

am 22. September 2012<br />

<strong>Professionalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Vernetzung</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Shareholder</strong>-<strong>Activism</strong><br />

Beitrag <strong>von</strong> Claire Stam, Novethic<br />

Kontakt: claire.stam@novethic.de<br />

Wenn Unternehmen über die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Gesellschaft <strong>und</strong> Umwelt, allen<br />

voran in den Ländern der südlichen Hemisphäre, gefragt werden, bekommen Journalisten<br />

meistens anschauliche Nachhaltigkeitsberichte zugesandt. Kritische Fragen hingegen bleiben auf<br />

diese Weise in der Regel unbeantwortet. Der Weg zur Information führt dann direkt an den Ort<br />

des unternehmerischen Geschehens, was sich als schwieriger Weg, nicht zuletzt mangels<br />

finanzieller Mittel, erweist. Hier treten dann NGOs auf den Plan. Aufgr<strong>und</strong> jahrelanger<br />

Erfahrungen in Recherchen, Kampagnen <strong>und</strong> juristischen Auseinandersetzungen mit den<br />

Unternehmen haben NGOs Kompetenzen gewonnen, die sich am deutlichsten in den konkreten<br />

<strong>und</strong> kritischen Fragen, die auf Hauptversammlungen gestellt werden, Ausdruck finden. Dort<br />

werden beispielsweise Fälle <strong>von</strong> Menschenrechtsverletzungen <strong>und</strong> Umweltkatastrophen vor den<br />

Augen des Vorstands angesprochen. Falls das Mikrofon nicht ausgeschaltet wird...<br />

In den 10 Jahren, in denen ich mich als Journalistin mit der breiten Thematik der Nachhaltigkeit<br />

auseinandersetze, beobachte ich eine zunehmende <strong>Professionalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Vernetzung</strong> seitens<br />

der NGOs. Die juristische Auseinandersetzung fordert nämlich zwangsläufig die<br />

<strong>Professionalisierung</strong> in der Argumentation <strong>und</strong> Darstellung kritischer Fälle <strong>und</strong> bringt die<br />

<strong>Vernetzung</strong> mit anderen NGOs mit sich. Informationen werden getauscht <strong>und</strong> Kampagnen werden<br />

gemeinsam organisiert. Ich nehme hier zwei Beispiele aus Großbritannien <strong>und</strong> Frankreich.<br />

Phitrust Active Investors ist eine französische Kapitalverwaltungsgesellschaft, die die Prinzipien<br />

des sozial- <strong>und</strong> umweltverantwortlichen Investierens in die Umwelt innerhalb der französischen,<br />

börsennotierten Unternehmen voranbringen will. Die Gesellschaft versucht mit den Unternehmen<br />

r<strong>und</strong> um diese Thematik zu kommunizieren, beteiligt sich an Hauptversammlungen <strong>und</strong> übt ihre<br />

Stimmrechte aus. Wenn diese Mittel nicht reichen, wendet sich Phitrust der Öffentlichkeit <strong>und</strong><br />

den Medien zu.<br />

Bis zum letzten Jahr hat sich Phitrust nur auf die Thematik "Good Governance" konzentriert<br />

(Stichwort Gehalt des Vorstandes). 2011 hat die französische Organisation aber zum ersten Mal<br />

einen umweltorientierten Fragebogen verfasst. Hilfe <strong>und</strong> Fachwissen hat Phitrust dabei <strong>von</strong><br />

Greenpeace France <strong>und</strong> der amerikanischen Umweltorganisation Natural Resources Defense<br />

Council erhalten.


Auf der anderen Seite des Ärmelkanals agiert die britische NGO FairPensions. Im Jahr 2005<br />

gegründet, fordert sie ganz gezielt <strong>Shareholder</strong>-<strong>Activism</strong> im Bereich Nachhaltigkeit. Überzeugt,<br />

dass die Millionen Pf<strong>und</strong>, die britische Angestellte für ihre Rente einsparen, vieles bewegen<br />

können, versucht FairPensions die für die Verwaltung der Renten verantwortlichen Investoren zu<br />

mobilisieren. Die britische Organisation, die an die zehn verschiedene Organisationen wie<br />

Umweltverbände, christliche Organisationen oder Gewerkschaften umfasst, veröffentlicht dafür<br />

Leitlinien für sozial- <strong>und</strong> umweltverantwortliches Investieren <strong>und</strong> Sachbücher <strong>und</strong> organisiert<br />

Kampagnen. Aktuell konzentriert sich FairPensions auf Shell <strong>und</strong> das Niger Delta sowie Shell <strong>und</strong><br />

die Bohrung in der Arktis. Eine der medienwirksamsten Kampagnen war die Ölsandkampagne<br />

2010. Wichtige Investoren haben gegen das unternehmerische Projekt <strong>von</strong> Shell <strong>und</strong> BP gestimmt<br />

<strong>und</strong>, wie FairPensions betont, Fondsverwalter sahen sich gezwungen, das Anliegen ihrer<br />

Investoren fortan nicht mehr zu ignorieren.<br />

Aktuell wird in Frankreich über die Gründung eines ähnlichen Dachverbandes nachgedacht.<br />

Somit zeichnet sich eine neue Dimension des kritischen Aktionärs ab: NGOs können nicht nur<br />

direkt als kritische Aktionäre in den Hauptversammlungen auftreten, sie können auch Gutachten<br />

für Kapitalgesellschaften liefern <strong>und</strong> institutionelle Investoren mobilisieren. Und da tritt der<br />

ursprüngliche Sinn des <strong>Shareholder</strong>-<strong>Activism</strong> stärker denn je hervor: die Errichtung einer wahren<br />

Gegenmacht innerhalb der Unternehmen, um unverantwortlichem Agieren <strong>von</strong> Vorständen ein<br />

Ende zu setzen.<br />

Nicht nur Journalisten beobachten die <strong>Professionalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Vernetzung</strong> der Arbeitsweise der<br />

NGOs - die Unternehmen auch. In Folge dessen werden CSR-Beauftragte benannt oder<br />

Verhaltenskodizes verfasst. Dennoch können die <strong>von</strong> kritischen Aktionären verfassten Punkte auf<br />

der Tagesordnungsliste der Hauptversammlungen immer noch verweigert werden. Phitrust<br />

beispielsweise musste 2009 drei Ablehnungen einstecken, dies durch Sanofi-Aventis, Cap-Gemini<br />

<strong>und</strong> Total.<br />

Und hier tritt ein zentrales politisches Problemfeld des <strong>Shareholder</strong>-<strong>Activism</strong> zutage: Das<br />

Engagement <strong>von</strong> kritischen Aktionären unterstreicht die Abwesenheit des Staates in Sachen<br />

Reglementierung zugunsten eines nachhaltigen unternehmerischen Handelns. Unternehmen<br />

können nämlich bisweilen entscheiden, welche Informationen sie wie liefern wollen. So können<br />

sie durch Verhaltenskodizes oder Nachhaltigkeitsberichte der Öffentlichkeit eine Facette<br />

präsentieren. Unmöglich sollten zumindest offensichtliche Schönfärbereien wie im Falle der<br />

Deutschen Bank sein, die sich als "Green Player" ausgibt <strong>und</strong> gleichzeitig z.B. aktiv in der<br />

Lebensmittelspekulation ist.<br />

Möge es auch nahezu paradox klingen, <strong>Shareholder</strong>-<strong>Activism</strong> braucht eine durch den Staat<br />

verabschiedete Reglementierung. Konkreter, es benötigt ein gesetzliches Regelwerk für ein<br />

Unternehmerhandeln, das soziale <strong>und</strong> Umweltkriterien nicht nur definiert, sondern deren<br />

Einhaltung auch durch unabhängige Beobachter ermöglicht. Verstöße sollten dann auch<br />

entsprechend geahndet werden. Denn transnationale Unternehmen haften immer noch nicht für<br />

Umweltschäden oder Menschenrechtsverletzungen, die <strong>von</strong> ihren Tochtergesellschaften<br />

außerhalb Europas oder Amerikas verursacht werden. Unter anderem diese Gesetzeslücke lässt<br />

Opfern dort keinerlei Chance, <strong>von</strong> den Muttergesellschaften Schadensersatz zu erhalten. Kritische<br />

Aktionäre allein können solche Giganten wie die Deutsche Bank wohl kaum zur Rechenschaft<br />

ziehen, ein europäisches Regelwerk hingegen schon vielmehr.


Dass <strong>Shareholder</strong>-<strong>Activism</strong> ein Gehör auf politischer Ebene findet, zeigt sich unter anderem durch<br />

die Mitteilung der Europäischen Kommission vom 25. Oktober 2011. Unter dem Titel „Eine neue<br />

EU-Strategie für die soziale Verantwortung <strong>von</strong> Unternehmen“, hat sie gute Chancen, Bewegung in<br />

dieses globale Niemandsland zu bringen. Die Schnelligkeit, mit der die B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> die<br />

Vertretungen <strong>von</strong> deutschen Unternehmen einen eigenen, auf Freiwilligkeit basierten<br />

Nachhaltigkeitskodex verfasst hat, kann als Reaktion gegen die neuen Schritte in Brüssel Richtung<br />

mehr sozial- <strong>und</strong> umweltverantwortlichen unternehmerischen Aktivitäten verstanden werden.<br />

Und zeigt dadurch, dass die Mitteilung der Kommission ernst zu nehmen ist.<br />

Die Kommission hat die neuen UN-Leitprinzipien für Wirtschaft <strong>und</strong> Menschenrechte aufgegriffen<br />

<strong>und</strong> das eigene Verständnis <strong>von</strong> Corporate Social Responsibility (CSR) neu definiert. In Anlehnung<br />

an die UN-Leitprinzipien besagt die Definition der EU-Kommission nunmehr, dass CSR „die<br />

Verantwortung <strong>von</strong> Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“ hat. Diese<br />

Mitteilung leitet die Abkehr vom Prinzip der Freiwilligkeit – eine Kernforderung der<br />

unternehmerischen Lobbyisten - ein. Die CSR-Mitteilung forderte unter anderem die<br />

Mitgliedstaaten auf, bis Ende 2012 nationale Strategien zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien zu<br />

entwickeln. Ab 2013 sollen jährliche Berichte über Strategien der Mitgliedstaaten erstellt werden.<br />

Zudem werde es einen Gesetzesvorschlag bezüglich der Erweiterung der Offenlegungs- <strong>und</strong><br />

Berichtspflichten für Unternehmen geben, <strong>und</strong> die EU strebe eine stärkere Berücksichtigung<br />

sozialer, ökologischer <strong>und</strong> menschenrechtlicher Anforderungen in der öffentlichen Beschaffung<br />

an. Zudem sollten Freihandelsabkommen auf ihre menschenrechtlichen Auswirkungen hin<br />

überprüft werden.<br />

Die kommenden Monate versprechen spannend zu werden. Der Widerstand der deutschen<br />

Unternehmen <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esregierung gegen eine verbindliche CSR-Regelung ist bekannt. Der<br />

deutsche Nachhaltigkeitskodex soll zeigen, dass ein freiwilliges CSR-Regelwerk funktionieren kann<br />

<strong>und</strong> soll den Weg zur Verbindlichkeit versperren. Da entwickelt sich eine neue Rolle der im<br />

kritischen Aktionärstum aktiven deutschen NGOs: in Brüssel die Argumentation der deutschen<br />

Unternehmen abbauen <strong>und</strong> für eine europäische verbindliche Regelung plädieren. Sie sind dort<br />

nicht allein, NGOs anderer EU-Länder agieren dort. Der Weg auf europäischer Ebene ist offen für<br />

stärkere <strong>Professionalisierung</strong> <strong>und</strong> <strong>Vernetzung</strong> der NGOs gegen nationale unternehmerische<br />

Interessen.<br />

Literatur:<br />

- <strong>Shareholder</strong> engagement: A promising SRI practice, European Asset Owners: ESG perceptions and Integration<br />

Practices<br />

- http://www.novethic.com/novethic/socially-reponsible-investment/french-sri/sri-market.jsp#

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!