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ZAP-2020-05

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Fach 22 R, Seite 1160<br />

Verfahrenstipps/Hinweise für Strafverteidiger<br />

Rechtsprechung<br />

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren, in dem sich der Beschwerdeführer gegen die Durchsuchung<br />

seiner Wohnräume in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinderund<br />

jugendpornografischer Schriften sowie gegen die Sicherstellung und Auswertung der aufgefundenen<br />

technischen Geräte und Datenträger gewandt hatte.<br />

Auszugehen ist etwa von folgendem Sachverhalt: Durchsucht worden waren in einem Ermittlungsverfahren<br />

gegen zwei andere Beschuldigte deren Wohnräume wegen des Verdachts des Besitzes kinderund<br />

jugendpornografischer Schriften. Dabei sind technische Geräte und Datenträger aufgefunden und<br />

sichergestellt worden. Bei der Auswertung der sichergestellter Speichermedien wurden auf einer der<br />

sichergestellten Festplatten 43 E-Mail-Nachrichten aus dem Jahr 2009 mit belastenden Bild- und<br />

Videodateien aufgefunden. Die Absenderadresse einer E-Mail mit zwei Bilddateien konnte aufgrund einer<br />

Providerauskunft dem Beschwerdeführer zugeordnet werden. Das AG hat daraufhin die Durchsuchung<br />

der Wohnung des Beschwerdeführers angeordnet. Der Anfangsverdacht beruhe auf den Angaben des<br />

gesondert Verfolgten, der auf die Frage, ob er mit dem Nutzer der in Rede stehenden E-Mail-Adresse<br />

kinderpornografische Dateien ausgetauscht habe, angegeben habe, dass über den Account „irgendwas<br />

gelaufen“ sei, er aber nicht mehr wisse, was. Auf den sichergestellten Datenträgern des gesondert<br />

Verfolgten habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer zwei Bilddateien verschickt<br />

habe, die jeweils dasselbe männliche erigierte Glied eines Jugendlichen zeigten. Die leicht erkennbare<br />

Beinbehaarung lasse vermuten, dass es sich um einen Jungen in der Pubertät handele. Es wurden beim<br />

Beschwerdeführer mehrere Computer, Festplatten und ein Smartphone sichergestellt. Der Beschwerdeführer<br />

erklärte bei der Durchsuchung, dass es sich bei dem Glied, das die versendeten Bilder zeigten, um<br />

sein eigenes handeln könne. Das AG bestätigte die vorläufige Sicherstellung der bei der Durchsuchung in<br />

Verwahrung genommenen Datenträger zum Zwecke der Durchsicht. Die Beschwerden des Beschwerdeführers<br />

bleiben erfolglos. Das BVerfG hat die angegriffenen Beschlüsse aufgehoben und die Sache<br />

zurückverwiesen.<br />

Das BVerfG (a.a.O.) verweist nochmals darauf, dass notwendiger, aber auch in Anbetracht der Eingriffsintensität<br />

einer Wohnungsdurchsuchung hinreichender Anlass für eine Durchsuchung der<br />

Verdacht sei, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs (Art. 13 Abs. 2 GG) verlange<br />

auf konkreten Tatsachen beruhende Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße<br />

Vermutungen hinausreichen (vgl. dazu BURHOFF, EV, Rn 1589 ff.). Eine Durchsuchung dürfe nicht der<br />

Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind.<br />

Diesen Anforderungen würden – so das BVerfG – die angefochtenen Beschlüsse nicht gerecht. Es<br />

sei zwar die Annahme, der Beschwerdeführer habe sich im Besitz von zumindest jugendpornografischen<br />

Schriften befunden und diese an den Empfänger der E-Mail versandt, verfassungsrechtlich nicht<br />

zu beanstanden. Diese Annahme könne aber nicht allein auf die der E-Mail beigefügten Bilddateien<br />

gestützt werden. Bei geschlechtsreifen Personen falle eine Altersbestimmung schwer, da sichtbare<br />

Anhaltspunkte wie bei Kinderpornografie („vor der Pubertät“) nicht existieren. Hier lasse sich aufgrund<br />

des körperlichen Entwicklungsstands ausschließen, dass ein Kind i.S.v. § 184b StGB abgebildet sei. Ob es<br />

sich um das Glied eines Jugendlichen oder eines Erwachsenen handele, könne den Bildern aber nicht<br />

entnommen werden. Es komme hier zudem hinzu, dass die Bilddateien an einen Empfänger versandt<br />

worden seien, der nach eigener Aussage auf einer Plattform eine gesamte Datenbank mit kinder- und<br />

jugendpornografischem Material zum Tausch bereithielt und mindestens 43 E-Mail-Nachrichten mit<br />

kinder- und jugendpornografischem Material empfangen oder verschickt habe. Die Angaben des<br />

Empfängers seien zwar ausgesprochen vage, was auf den erheblichen Zeitablauf zurückzuführen<br />

sein dürfte. Sie hätten jedoch im Zusammenhang mit dem Versand der E-Mail und den beigefügten<br />

Bilddateien einen Austausch von kinder- oder jugendpornografischem Material zwischen dem Beschwerdeführer<br />

und dem Empfänger der E-Mail möglich erscheinen lassen.<br />

Das BVerfG (a.a.O.) beanstandet jedoch den Zeitablauf. Die angefochtenen Beschlüsse würden nämlich<br />

keine sachlich zureichenden, plausiblen Gründe dafür darlegen, weshalb sich der Beschwerdeführer auch<br />

in nicht verjährter Zeit und insb. noch zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung im März 2018 im<br />

Besitz von jugend- oder gar kinderpornografischen Schriften befunden haben soll. Eine mögliche, an das<br />

270 <strong>ZAP</strong> Nr. 5 4.3.<strong>2020</strong>

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