ZAP-2020-05

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28.02.2020 Aufrufe

Kolumne ZAP zur Erstattung anwaltlicher Reisekosten gelte nicht für Anwaltskanzleien, die sich fremdvertreten ließen. Auch diese Entscheidung hatte selbstverständlich keinen Bestand (AGS 2019, 201). Man kann sich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass Rechtspfleger die Erbsen noch teilen, bevor sie sie zählen. Daher werden Entfernungen z.T. nicht nur in Kilometern gerechnet, sondern in Metern. Dies führt dann unweigerlich zu der Frage, wie abzurechnen ist, wenn der nächste volle Kilometer nicht erreicht ist. Das LG Rostock (StraFo 2009, 439) hat dazu in seiner Weisheit klargestellt, dass angefangene Kilometer auf volle Kilometer aufzurunden sind. Auch die Frage, ob ein Anwalt verpflichtet ist, zur Vermeidung höherer Kosten mit dem eigenen Pkw anzureisen, ist höchstrichterlich geklärt. Ein Anwalt ist nicht gezwungen, mit dem Pkw zu einem Termin anzureisen. Er darf vielmehr auch öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen. Insoweit hat das LAG Niedersachsen schon im Jahre 2011 ganz im Sinne von GRETA THUNBERG festgestellt: „Gerade in Zeiten des Klimaschutzes wird man den bahnfahrenden Anwalt nicht auf die Pkw- Benutzung verweisen können“ (AGS 2011, 553). Gerne wird auch immer wieder darüber diskutiert, ob ein Anwalt bei einer Bahnfahrt erster Klasse reisen darf. Berücksichtigt man, dass ein Zeuge erster Klasse fahren darf (§ 5 Abs. 1 JVEG) und auch die Partei die Kosten erster Klasse erstattet erhält (§ 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 5 Abs. 1 JVEG), erscheint es nur selbstverständlich, dass auch ein Anwalt erster Klasse reisen darf. Dies ist an sich einhellige Auffassung, es sei denn, der Anwalt fährt von Hamburg nach Bremen. In diesem Fall muss er sich auf den günstigeren Metronom verweisen lassen (AG Bremen AGS 2017, 593). Andererseits sind dann noch die Kosten der Straßenbahn vom Hauptbahnhof bis zum Gericht hinzuzurechnen (2 × 1,40 €), die bei einem Erste-Klasse-Ticket durch den sog. Citytarif mit abgedeckt wären. Ob dies auch in umgekehrter Richtung von Bremen nach Hamburg gilt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Wir werden aber berichten. Hat man den Rechtspfleger überzeugt, dass man erster Klasse fahren darf, dann muss man aber auch noch rechtfertigen, wieso man keinen Sparpreis oder gar den sog. Super-Sparpreis in Anspruch genommen hat. Mit dem BVerwG (AGS 2020, 51) hat immerhin jetzt ein höchstes deutsches Gericht festgestellt, dass die Inanspruchnahme eines Sparpreises nicht geboten ist, da hier eine Zugbindung besteht und solche Tickets im Fall einer Terminsverlegung nicht stornierbar oder umtauschbar sind. Bei Übernachtungskosten wird ebenfalls genau hingeschaut. Auch hier gibt es klare Regeln. Ein Anwalt ist nur dann berechtigt, eine Übernachtung in Anspruch zu nehmen, wenn er andernfalls am Sitzungstag seine Reise bereits zur Nachtzeit (§ 785 Abs. 4 ZPO) antreten müsste. Müsste er also vor 6 Uhr losfahren, dann darf er auch am Vortag anreisen und sich eine Übernachtung gönnen. Auch hier wird allerdings genau überprüft, dass der Anwalt keine zu hohen Übernachtungskosten aufwendet, wobei die zugestandenen Übernachtungskosten je nach OLG-Bezirk variieren. Sind danach die Übernachtungskosten erstattungsfähig, müssen allerdings noch die Kosten für das Frühstück herausgerechnet werden, denn für diesen Tag spart der Anwalt ja das häusliche Frühstück. Sind diese Kosten in der Hotelrechnung nicht gesondert ausgewiesen, so sind sie von Amts wegen mit 10 % zu schätzen und von der Hotelrechnung abzuziehen (OLG Düsseldorf AGS 2012, 561). Den vorstehenden Fällen ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele hinzufügen. Solange sich die Rechtsprechung mit derart bedeutsamen Fragen befasst, muss man sich um die Überlastung der deutschen Justiz keine Gedanken machen. Rechtsanwalt NORBERT SCHNEIDER, Neunkirchen 234 ZAP Nr. 5 4.3.2020

ZAP Anwaltsmagazin Anwaltsmagazin Mehr Sicherheit bei Pässen und Ausweisen angestrebt Das Bundesinnenministerium (BMI) hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen erhöht werden soll. Unter anderem ist vorgesehen, dass das Lichtbild künftig vor Ort unter Aufsicht der Passbzw. Ausweisbehörde aufgenommen werden muss, um Manipulationen durch sog. Morphing vorzubeugen. Damit ist das Verschmelzen von mehreren Gesichtsbildern zu einem einzigen Gesamtbild gemeint, das den Zweck hat, mehreren Personen die Verwendung desselben Ausweisdokuments zu ermöglichen. Nach scharfen Protesten seitens des Fotohandels hat das BMI Mitte Januar angekündigt, diesen Punkt noch einmal zu überdenken. Als Alternative werden derzeit eine Zertifizierung der betreffenden Fotografen sowie die Einrichtung einer gesicherten Datenverbindung zwischen ihnen und den Ämtern erwogen. Der Gesetzentwurf sieht allerdings noch eine Reihe weiterer Regelungspunkte vor. So soll u.a. die Verwendung der Seriennummern von Reisepass und Personalausweis neu geregelt werden. Derzeit sind § 16 PassG sowie die §§ 16 und 20 des PAuswG so restriktiv formuliert, dass die Belange der zuständigen Behörden, u.a. der Polizeien, nicht hinreichend berücksichtigt werden. So notieren ausländische Stellen zu einer aufgegriffenen Person häufig nur die Seriennummer des Pass- oder Personalausweisdokuments. Wird diese Seriennummer an die deutschen Behörden zur weiteren Verwendung übermittelt, können diese mit der Seriennummer aufgrund der geltenden Rechtslage keine weiteren Ermittlungen anstellen. Vor diesem Hintergrund schafft der Gesetzentwurf eine Ermittlungsbefugnis mit dem Inhalt, beim Pass- oder Ausweishersteller die zu einer Seriennummer gespeicherten Daten, insb. die ausstellende Pass- oder Personalausweisbehörde, zu erfragen, um dort weiter zu ermitteln. Ferner ist geplant, die Sicherheitsmerkmale der Ausweisdokumente weiter zu verbessern, um die Fälschungssicherheit zu erhöhen. Da sich die Gültigkeitsdauer der genannten Dokumente auf bis zu zehn Jahre erstreckt, sind regelmäßig mehrere gültige Versionen eines bestimmten Dokumententyps im Umlauf. Damit die überprüfende Stelle die Echtheit eines vorgelegten Ausweisdokuments zuverlässig prüfen kann, wird in die maschinenlesbare Zone der Pässe, Personalausweise und technisch verwandten Dokumente für Ausländer künftig eine Versionsnummer aufgenommen. Eine weitere Neuerung betrifft Strafgefangene. Sie sind gegenwärtig nach § 2 Abs. 2 S. 2 PAuswG von der Pflicht befreit, einen Personalausweis zu besitzen. Dies führt in der Praxis häufig dazu, dass ehemalige Häftlinge nach ihrer Entlassung nicht über einen gültigen Personalausweis verfügen. Für viele Geschäfte oder sonstige Vorgänge des täglichen Lebens ist jedoch die Vorlage eines Ausweises erforderlich. Diesem Problem hilft der Gesetzentwurf ab, indem er für Strafgefangene eine Ausweispflicht ab dem dritten Monat vor Haftentlassung vorsieht. Weitere Änderungen betreffen die Nennung des Geschlechts in Reisepässen sowie die Angaben in Kinderreisepässen. Sie sollen europarechtlichen bzw. internationalen Standards angepasst werden. Der Entwurf lag den Verbänden und Experten bis zum 28. Januar zur Stellungnahme vor. Nach deren Auswertung will das Bundeskabinett über das Vorhaben entscheiden. [Quelle: BMI] ZAP Nr. 5 4.3.2020 235

Kolumne<br />

<strong>ZAP</strong><br />

zur Erstattung anwaltlicher Reisekosten gelte<br />

nicht für Anwaltskanzleien, die sich fremdvertreten<br />

ließen. Auch diese Entscheidung hatte selbstverständlich<br />

keinen Bestand (AGS 2019, 201).<br />

Man kann sich manchmal nicht des Eindrucks<br />

erwehren, dass Rechtspfleger die Erbsen noch<br />

teilen, bevor sie sie zählen. Daher werden Entfernungen<br />

z.T. nicht nur in Kilometern gerechnet,<br />

sondern in Metern. Dies führt dann unweigerlich<br />

zu der Frage, wie abzurechnen ist, wenn der<br />

nächste volle Kilometer nicht erreicht ist. Das LG<br />

Rostock (StraFo 2009, 439) hat dazu in seiner<br />

Weisheit klargestellt, dass angefangene Kilometer<br />

auf volle Kilometer aufzurunden sind.<br />

Auch die Frage, ob ein Anwalt verpflichtet ist, zur<br />

Vermeidung höherer Kosten mit dem eigenen<br />

Pkw anzureisen, ist höchstrichterlich geklärt. Ein<br />

Anwalt ist nicht gezwungen, mit dem Pkw zu<br />

einem Termin anzureisen. Er darf vielmehr auch<br />

öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen.<br />

Insoweit hat das LAG Niedersachsen schon im<br />

Jahre 2011 ganz im Sinne von GRETA THUNBERG<br />

festgestellt: „Gerade in Zeiten des Klimaschutzes wird<br />

man den bahnfahrenden Anwalt nicht auf die Pkw-<br />

Benutzung verweisen können“ (AGS 2011, 553).<br />

Gerne wird auch immer wieder darüber diskutiert,<br />

ob ein Anwalt bei einer Bahnfahrt erster<br />

Klasse reisen darf. Berücksichtigt man, dass ein<br />

Zeuge erster Klasse fahren darf (§ 5 Abs. 1 JVEG)<br />

und auch die Partei die Kosten erster Klasse<br />

erstattet erhält (§ 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 5 Abs. 1<br />

JVEG), erscheint es nur selbstverständlich, dass<br />

auch ein Anwalt erster Klasse reisen darf. Dies ist<br />

an sich einhellige Auffassung, es sei denn, der<br />

Anwalt fährt von Hamburg nach Bremen. In<br />

diesem Fall muss er sich auf den günstigeren<br />

Metronom verweisen lassen (AG Bremen AGS<br />

2017, 593). Andererseits sind dann noch die Kosten<br />

der Straßenbahn vom Hauptbahnhof bis zum<br />

Gericht hinzuzurechnen (2 × 1,40 €), die bei einem<br />

Erste-Klasse-Ticket durch den sog. Citytarif mit<br />

abgedeckt wären. Ob dies auch in umgekehrter<br />

Richtung von Bremen nach Hamburg gilt, ist<br />

höchstrichterlich noch nicht entschieden. Wir<br />

werden aber berichten.<br />

Hat man den Rechtspfleger überzeugt, dass man<br />

erster Klasse fahren darf, dann muss man aber<br />

auch noch rechtfertigen, wieso man keinen<br />

Sparpreis oder gar den sog. Super-Sparpreis in<br />

Anspruch genommen hat. Mit dem BVerwG (AGS<br />

<strong>2020</strong>, 51) hat immerhin jetzt ein höchstes deutsches<br />

Gericht festgestellt, dass die Inanspruchnahme<br />

eines Sparpreises nicht geboten ist, da<br />

hier eine Zugbindung besteht und solche Tickets<br />

im Fall einer Terminsverlegung nicht stornierbar<br />

oder umtauschbar sind.<br />

Bei Übernachtungskosten wird ebenfalls genau<br />

hingeschaut. Auch hier gibt es klare Regeln. Ein<br />

Anwalt ist nur dann berechtigt, eine Übernachtung<br />

in Anspruch zu nehmen, wenn er andernfalls am<br />

Sitzungstag seine Reise bereits zur Nachtzeit (§ 785<br />

Abs. 4 ZPO) antreten müsste. Müsste er also vor<br />

6 Uhr losfahren, dann darf er auch am Vortag<br />

anreisen und sich eine Übernachtung gönnen.<br />

Auch hier wird allerdings genau überprüft, dass<br />

der Anwalt keine zu hohen Übernachtungskosten<br />

aufwendet, wobei die zugestandenen Übernachtungskosten<br />

je nach OLG-Bezirk variieren. Sind<br />

danach die Übernachtungskosten erstattungsfähig,<br />

müssen allerdings noch die Kosten für das<br />

Frühstück herausgerechnet werden, denn für<br />

diesen Tag spart der Anwalt ja das häusliche<br />

Frühstück. Sind diese Kosten in der Hotelrechnung<br />

nicht gesondert ausgewiesen, so sind sie von<br />

Amts wegen mit 10 % zu schätzen und von der<br />

Hotelrechnung abzuziehen (OLG Düsseldorf AGS<br />

2012, 561).<br />

Den vorstehenden Fällen ließen sich noch zahlreiche<br />

weitere Beispiele hinzufügen. Solange sich die<br />

Rechtsprechung mit derart bedeutsamen Fragen<br />

befasst, muss man sich um die Überlastung der<br />

deutschen Justiz keine Gedanken machen.<br />

Rechtsanwalt NORBERT SCHNEIDER, Neunkirchen<br />

234 <strong>ZAP</strong> Nr. 5 4.3.<strong>2020</strong>

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