ZAP-2020-05

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Fach 1, Seite 28 Rechtsprechung 2020 Hinsicht nachvollziehbaren und zwingenden Entscheidung ist deren Vorgeschichte: Die Richterin äußerte sich dienstlich zum Befangenheitsantrag und sah keine Besorgnis der Befangenheit. Auch das AG Überlingen wies das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurück. ZAP EN-Nr. 101/2020 Zwangsvollstreckung/Insolvenz Pfändung: Fiktive Nettovergütung (OLG Dresden, Urt. v. 19.11.2019 – 4 U 1186/19) • Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter geldwerter Vorteil ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen, nicht aber bei der Ermittlung des fiktiven Arbeitseinkommens zu berücksichtigen. Nur die fiktive Nettovergütung steht für die Pfändung zur Verfügung. Freibeträge für Kinder können von dieser fiktiven Nettovergütung nur dann abgesetzt werden, wenn auch tatsächlich Unterhalt geleistet wird. ZAP EN-Nr. 102/2020 Handels-/Gesellschaftsrecht Formwechsel einer GmbH in eine KG: Eintritt eines Gesellschafters (OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.12.2019 – 12 W 133/19 [HR]) • Beim Formwechsel einer GmbH in eine KG ist der Eintritt des persönlich haftenden Gesellschafters mit Wirksamwerden des Formwechsels möglich. Hinweis: Das Registergericht hatte einen Eintragungsantrag zurückgewiesen. Der beschlossene Formwechsel widerspreche dem in § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Kontinuität der Gesellschafter. Hiernach müssten die Gesellschafter des durch den Formwechsel entstehenden Rechtsträgers bereits vor dem Formwechsel Gesellschafter der formwechselnden GmbH geworden sein. Dem ist das OLG nicht gefolgt. ZAP EN-Nr. 103/2020 Wirtschafts-/Urheber-/Medien-/Marken-/Wettbewerbsrecht Wettbewerbsverhältnis: Substitutions- und Behinderungswettbewerb (OLG Nürnberg, Urt. v. 12.11.2019 – 3 U 592/19) • Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG kann sowohl bei Substitutionswettbewerb als auch bei Behinderungswettbewerb vorliegen. Besteht das konkrete Wettbewerbsverhältnis lediglich aufgrund von Behinderungswettbewerb, können nur die sog. mitbewerberbezogenen Tatbestände geltend gemacht werden. ZAP EN-Nr. 104/2020 Arbeitsrecht Vorläufiger Antrag auf Weiterbeschäftigung: Bestandsschutzverfahren (LAG Niedersachsen, Beschl. v. 24.1.2020 – 8 Ta 13/20) • Der vorläufige Antrag auf Weiterbeschäftigung ist, wenn er im Bestandsschutzverfahren gestellt wird, werterhöhend nur dann zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden worden ist, wenn er in einem Vergleich mitgeregelt wurde und dort eine Regelung erhält oder wenn er ausdrücklich als unbedingter Hilfsantrag gestellt wird. Für die Annahme, der Antrag sei ausdrücklich als unbedingter Hilfsantrag gestellt worden, genügt nicht, dass der Antrag nicht eindeutig als unechter Hilfsantrag gestellt wird. Im Zweifel ist ein solcher Antrag als sachlich richtiger und zulässiger unechter Hilfsantrag auszulegen. ZAP EN-Nr. 105/2020 Sozialrecht Gewährung von Erstausstattungen: Mitwirkungspflicht eines Antragstellers (LSG Bayern, Beschl. v. 27.12.2019 – L 8 SO 346/19 B ER) • Auch wenn eine Bedarfslage für die Gewährung von Erstausstattungen naheliegt, bedarf es für den Zuspruch von Leistungen der Mitwirkung des Betreffenden, um konkrete Bedarfe ermitteln zu können. Hinweis: Im Zuge ihrer Haftentlassung beantragte die Antragstellerin die Gewährung einer Erstausstattung, legte aber weder Erklärungen über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor noch gab sie an, welche Gegenstände sie erhalten will. ZAP EN-Nr. 106/2020 244 ZAP Nr. 5 4.3.2020

Rechtsprechung 2020 Fach 1, Seite 29 Verfassungs-/Verwaltungsrecht Tarifvertrag: Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit (BVerfG, Beschl. v. 10.1.2020 – 1 BvR 4/17) • Aus dem Grundgesetz ergibt sich grds. kein Anspruch darauf, dass Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Hinweis: Beschwerdeführer in diesem Verfahren war u.a. die IG BAU, eine Gewerkschaft, die mit den Arbeitgeberverbänden „Zentralverband des Deutschen Baugewerbes“ und „Hauptverband der Deutschen Bauindustrie“ Tarifverträge über Sozialkassen des Baugewerbes geschlossen hat. Diese Sozialkassen sind z.T. schon seit 1949 bestehende gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien i.S.v. § 4 Abs. 2 des Tarifvertragsgesetzes (TVG). Ihr Zweck ist es, im Bereich des Urlaubs, der Altersversorgung und der Berufsbildung Leistungen zu erbringen, die wegen Besonderheiten der Baubranche sonst nicht oder nur eingeschränkt zu erlangen wären. ZAP EN-Nr. 107/2020 Steuerrecht Vorsteuerabzug: Mietereinbauten (BFH, Urt. v. 13.11.2019 – V R 5/18) • Ein Mieter, der in angemieteten Räumlichkeiten Ein- und Umbauten („Mietereinbauten“) im eigenen Namen vornehmen lässt, kann die ihm hierfür von Bauhandwerkern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer im Fall einer entgeltlichen Weiterlieferung an den Vermieter als Vorsteuer abziehen. Eine Weiterlieferung liegt jedenfalls dann vor, wenn er dem Vermieter nicht nur das zivilrechtliche Eigentum überträgt, sondern auch einen unmittelbar von diesem tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zuwendet. Hinweis: Streitgegenständlich waren Ein- und Umbauten in angemieteten Praxisräumen von zwei Augenärzten. ZAP EN-Nr. 108/2020 Strafsachen/Ordnungswidrigkeitenrecht Haushaltsuntreue: Unterlassen der Angebotseinholung (BGH, Beschl. v. 8.1.2020 – 5 StR 366/19) • Ein Entscheidungsträger handelt im Bereich der öffentlichen Verwaltung nicht stets pflichtwidrig, wenn er nicht das sparsamste i.S.d. niedrigsten Angebots wählt. Beim Unterlassen eines Preisvergleichs oder einer Ausschreibung kommt eine Strafbarkeit nur bei evidenten und schwerwiegenden Pflichtverstößen in Betracht. Ein Vermögensnachteil kann bei der Haushaltsuntreue auch nach den Grundsätzen des persönlichen Schadenseinschlags eintreten. ZAP EN-Nr. 109/2020 Voreintragungen: Verweis auf den Bußgeldbescheid im OWi-Verfahren (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8.1.2020 – 1 OWi 2 SsBs 117/19) • Das Tatgericht kann hinsichtlich den Betroffenen belastenden Voreintragungen lediglich auf den Bußgeldbescheid verweisen. Das ist auch bei der Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen unzulässig. ZAP EN-Nr. 110/2020 Trunkenheitsfahrt: Gemieteter E-Scooter (AG Dortmund, Urt. v. 21.1.2020 – 729 Ds-060 Js 513/19-349/19) • Im Fall einer Trunkenheitsfahrt mit einem gemieteten E-Scooter nachts zur verkehrsarmen Zeit auf einer Verkehrsfläche ohne jeden Bezug zum fließenden Straßenverkehr und ohne tatsächlich feststellbare oder auch nur abstrakt drohende Beeinträchtigung Rechtsgüter Dritter durch einen nicht vorbelasteten und geständigen Täter kann nicht von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kfz ausgegangen werden. ZAP EN-Nr. 111/2020 Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug Pflichtverteidiger: Anklage zum Jugendschöffengericht (LG Saarbrücken, Beschl. v. 11.2.2020 – 3 Qs 11/20) • Die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung nach § 68 Nr. 1 JGG n.F. i.V.m. § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO n.F. liegen auf jeden Fall vor, wenn zum Jugendschöffengericht angeklagt ist. Maßgebend ist allein, ob die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor einem der in § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO n.F. genannten Gerichte stattfinden wird. ZAP EN-Nr. 112/2020 ZAP Nr. 5 4.3.2020 245

Fach 1, Seite 28 Rechtsprechung <strong>2020</strong><br />

Hinsicht nachvollziehbaren und zwingenden Entscheidung ist deren Vorgeschichte: Die Richterin äußerte<br />

sich dienstlich zum Befangenheitsantrag und sah keine Besorgnis der Befangenheit. Auch das AG<br />

Überlingen wies das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurück. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 101/<strong>2020</strong><br />

Zwangsvollstreckung/Insolvenz<br />

Pfändung: Fiktive Nettovergütung<br />

(OLG Dresden, Urt. v. 19.11.2019 – 4 U 1186/19) • Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter<br />

geldwerter Vorteil ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen, nicht aber bei der Ermittlung des<br />

fiktiven Arbeitseinkommens zu berücksichtigen. Nur die fiktive Nettovergütung steht für die Pfändung<br />

zur Verfügung. Freibeträge für Kinder können von dieser fiktiven Nettovergütung nur dann abgesetzt<br />

werden, wenn auch tatsächlich Unterhalt geleistet wird. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 102/<strong>2020</strong><br />

Handels-/Gesellschaftsrecht<br />

Formwechsel einer GmbH in eine KG: Eintritt eines Gesellschafters<br />

(OLG Oldenburg, Beschl. v. 19.12.2019 – 12 W 133/19 [HR]) • Beim Formwechsel einer GmbH in eine KG ist<br />

der Eintritt des persönlich haftenden Gesellschafters mit Wirksamwerden des Formwechsels möglich.<br />

Hinweis: Das Registergericht hatte einen Eintragungsantrag zurückgewiesen. Der beschlossene<br />

Formwechsel widerspreche dem in § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG zum Ausdruck kommenden Grundsatz<br />

der Kontinuität der Gesellschafter. Hiernach müssten die Gesellschafter des durch den Formwechsel<br />

entstehenden Rechtsträgers bereits vor dem Formwechsel Gesellschafter der formwechselnden GmbH<br />

geworden sein. Dem ist das OLG nicht gefolgt. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 103/<strong>2020</strong><br />

Wirtschafts-/Urheber-/Medien-/Marken-/Wettbewerbsrecht<br />

Wettbewerbsverhältnis: Substitutions- und Behinderungswettbewerb<br />

(OLG Nürnberg, Urt. v. 12.11.2019 – 3 U 592/19) • Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 2 Abs. 1<br />

Nr. 3 UWG kann sowohl bei Substitutionswettbewerb als auch bei Behinderungswettbewerb vorliegen.<br />

Besteht das konkrete Wettbewerbsverhältnis lediglich aufgrund von Behinderungswettbewerb, können<br />

nur die sog. mitbewerberbezogenen Tatbestände geltend gemacht werden. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 104/<strong>2020</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

Vorläufiger Antrag auf Weiterbeschäftigung: Bestandsschutzverfahren<br />

(LAG Niedersachsen, Beschl. v. 24.1.<strong>2020</strong> – 8 Ta 13/20) • Der vorläufige Antrag auf Weiterbeschäftigung<br />

ist, wenn er im Bestandsschutzverfahren gestellt wird, werterhöhend nur dann zu berücksichtigen,<br />

wenn über ihn entschieden worden ist, wenn er in einem Vergleich mitgeregelt wurde und dort eine<br />

Regelung erhält oder wenn er ausdrücklich als unbedingter Hilfsantrag gestellt wird. Für die Annahme,<br />

der Antrag sei ausdrücklich als unbedingter Hilfsantrag gestellt worden, genügt nicht, dass der Antrag<br />

nicht eindeutig als unechter Hilfsantrag gestellt wird. Im Zweifel ist ein solcher Antrag als sachlich<br />

richtiger und zulässiger unechter Hilfsantrag auszulegen. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 1<strong>05</strong>/<strong>2020</strong><br />

Sozialrecht<br />

Gewährung von Erstausstattungen: Mitwirkungspflicht eines Antragstellers<br />

(LSG Bayern, Beschl. v. 27.12.2019 – L 8 SO 346/19 B ER) • Auch wenn eine Bedarfslage für die Gewährung<br />

von Erstausstattungen naheliegt, bedarf es für den Zuspruch von Leistungen der Mitwirkung des<br />

Betreffenden, um konkrete Bedarfe ermitteln zu können. Hinweis: Im Zuge ihrer Haftentlassung<br />

beantragte die Antragstellerin die Gewährung einer Erstausstattung, legte aber weder Erklärungen über<br />

ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor noch gab sie an, welche Gegenstände sie<br />

erhalten will. <strong>ZAP</strong> EN-Nr. 106/<strong>2020</strong><br />

244 <strong>ZAP</strong> Nr. 5 4.3.<strong>2020</strong>

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