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Unternehmerbrief Health Care 01/2020

In unserer neuen Ausgabe des Unternehmerbriefs Health Care finden Sie folgende aktuelle Themen: 1. LW.P-Kalkulationsschema Ambulante Pflege 2. Sozialversicherungspflicht in Gesundheitsberufen 3. Leistungsgerechte Pflegevergütung Außerdem finden Sie am Ende eine Einladung zur Altenheim Expo 2020 in Berlin.

In unserer neuen Ausgabe des Unternehmerbriefs Health Care finden Sie folgende aktuelle Themen:

1. LW.P-Kalkulationsschema Ambulante Pflege
2. Sozialversicherungspflicht in Gesundheitsberufen
3. Leistungsgerechte Pflegevergütung

Außerdem finden Sie am Ende eine Einladung zur Altenheim Expo 2020 in Berlin.

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<strong>Unternehmerbrief</strong> <strong>Health</strong> <strong>Care</strong><br />

Aktuelles . Informationen . Tipps<br />

<strong>01</strong> . <strong>2020</strong><br />

LW.P-Kalkulationsschema<br />

Ambulante Pflege<br />

ERMITTLUNG DES PUNKT WERTS<br />

Für ambulante Pflegedienste existiert in Niedersachsen<br />

weiterhin kein geeintes Kalkulationsschema bei der Ermittlung<br />

des abzurechnenden Punktwerts für Leistungen aus<br />

dem SGB XI.<br />

Dieser Punktwert errechnet sich aus der Division der zu<br />

berücksichtigenden Gestehungskosten durch die im Jahr<br />

erzielte Punktzahl.<br />

Die Berechnung der erreichten Punktzahl erfolgt anhand<br />

des Niedersächsischen Leistungskomplexkatalogs, welcher<br />

Anlage des Rahmenvertrags ist. Hierin sind Punktzahlen für<br />

die Leistungskomplexe, z. B. kleine Pflege, Betreuung oder<br />

Beratung definiert. Diese Werte sind ab dem 1. Januar <strong>2020</strong><br />

um 5,0 % erhöht worden.<br />

Grundsätzlich wird beim Ressourceneinsatz von Seiten der<br />

Kostenträger die Maßgabe des wirtschaftlichen Handelns<br />

gefordert. Sach- und Personalkosten sind sparsam einzusetzen.<br />

Hierbei werden Vergleiche zu ambulanten Pflegediensten<br />

aus der näheren Umgebung einbezogen und als Benchmark<br />

definiert.<br />

Im Bereich der Personalkosten ist eine genaue Abgrenzung<br />

von Leistungen aus dem SGB XI und SGB V anhand der<br />

geleisteten Stunden des Pflege- und Betreuungspersonals<br />

erforderlich.<br />

Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ziehen die Kostenträger<br />

die Produktivität der Mitarbeitenden sowie die<br />

Anzahl der Stellen für die erbrachten Leistungen heran. Bei<br />

der Ermittlung des Anteils der produktiven Stunden des<br />

Personals aus den Bereichen Pflege und Betreuung gelten<br />

die tatsächlichen Pflege- und Wegezeiten als produktive<br />

Zeit, jedoch nicht die Koordinations- und Organisationszeiten.<br />

Die Koordinations- und Organisationszeiten werden<br />

nicht vergütet, weshalb diese natürlich auf das betrieblich<br />

notwendige Niveau minimiert werden sollten.<br />

Es existiert weiterhin keine allgemeingültige Vorgabe bezüglich<br />

eines Personalschlüssels. Problematisch ist dies<br />

nicht nur beim Pflege- und Betreuungspersonal, sondern<br />

auch beim übergeordneten Personal, z. B. aus den Bereichen<br />

Leitung und Verwaltung.<br />

Bei den Sachkosten ist der investive Anteil abzugrenzen, da<br />

dieser im Rahmen der Ermittlung des abzurechnenden<br />

Punktwerts nicht ansetzbar ist.<br />

ERMITTLUNG DER W EGEPAUSCHALE<br />

Neben der Berechnung des abzurechnenden Punktwerts ist<br />

die Ermittlung der Wegepauschale pro Hausbesuch die<br />

zweite Größe einer ambulanten Pflegesatzverhandlung.<br />

Hierfür sind die um investive Kosten reduzierten tatsächlich<br />

angefallenen Fahrzeugkosten auf die Anzahl der Fahrten<br />

umzulegen.<br />

Wir verwenden für die Pflegesatzverhandlungen ein von<br />

uns für die Praxis erprobtes Kalkulationsschema, welches<br />

alle genannten relevanten Aspekte bei der Berechnung der<br />

Punktwerte und Wegepauschalen berücksichtigt.<br />

Die Verhandlung der Punktwerte und der Wegepauschalen<br />

bedarf einer fundierten betriebswirtschaftlichen Vorbereitung.<br />

Hierzu sind die tatsächlichen Kosten einschließlich<br />

eines angemessenen Unternehmerlohns zu berücksichtigen.<br />

Wir unterstützen Sie gern bei Ihren Pflegesatzverhandlungen.<br />

Dennis Klatt<br />

Sozialversicherungspflicht<br />

in Gesundheitsberufen<br />

PFLEGEKR ÄFTE IN ST ATIONÄREN<br />

PFLEGEEINR ICHTUNGEN SIND REGELMÄßIG<br />

ABHÄNGIG BESCHÄFTIGTE<br />

In den letzten Jahren ist das Phänomen der Scheinselbständigkeit<br />

auch im Bereich der Gesundheitsberufe verstärkt in<br />

den Fokus sowohl der Betriebsprüfungspraxis der Deutschen<br />

Rentenversicherung Bund als auch der Rechtsprechung<br />

insbesondere des Bundessozialgerichts gelangt, ohne<br />

dass sich – wie auch bei anderen Berufsgruppen - eindeutige<br />

und praktisch sicher handhabbare Kriterien zur Differenzierung<br />

zwischen Selbständigen und abhängig Beschäftigten<br />

abschließend herausgebildet haben.


Die Abgrenzungsproblematik ist deshalb für die Praxis von<br />

großer Bedeutung, weil eine falsche Statusfeststellung gravierende<br />

Rechtsfolgen hat. Die unzutreffende Einordnung<br />

einer abhängigen Beschäftigung als selbstständige Tätigkeit<br />

führt zunächst zur Nachforderung der nicht geleisteten<br />

Gesamtsozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge,<br />

§ 28e I SGB IV) innerhalb der (grundsätzlich)<br />

vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 SGB<br />

IV, die existenzbedrohende Dimensionen erreichen kann.<br />

Weiter droht die Festsetzung von Säumniszuschlägen nach<br />

§ 24 Abs. 1 SGB IV. Schließlich kann sich der Arbeitgeber<br />

wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt<br />

nach § 266a StGB strafbar machen.<br />

AUSGANGSFALL<br />

Eine zur Versorgung Pflegebedürftiger nach dem SGB IX<br />

zugelassene Pflegeeinrichtung hatte eine Pflegekraft eingestellt,<br />

die als anerkannter Altenpfleger und Fachkraft für<br />

Leitungsaufgaben in der Pflege qualifiziert war. Dieser<br />

begann ab September 2<strong>01</strong>2 eine freiberufliche Tätigkeit<br />

auszuüben. Zwischen der Pflegeeinrichtung und dem Altenpfleger<br />

wurde dazu eine als „Dienstleistungsvertrag“<br />

bezeichnete Vereinbarung geschlossen. Hieran schloss sich<br />

ein Antrag auf Statusfeststellung der Pflegeeinrichtung bei<br />

der Deutschen Rentenversicherung Bund an. Entgegen den<br />

in der geschlossenen Vereinbarung zum Ausdruck kommenden<br />

Vorstellungen der Beteiligten kam die Deutschen<br />

Rentenversicherung Bund zu dem Ergebnis, dass ein abhängiges<br />

Beschäftigungsverhältnis mit Versicherungspflicht<br />

vorliegt. Dies wurde nun in letzter Instanz durch das<br />

Bundessozialgericht bestätigt.<br />

ENTSCHEIDUNG<br />

Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären<br />

Pflegeeinrichtungen tätig sind, sind in dieser Tätigkeit nach<br />

der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. Juni<br />

2<strong>01</strong>9 (B 12 R 6/18 R) regelmäßig nicht als Selbständige<br />

anzusehen, sondern unterliegen als abhängig Beschäftigte<br />

der Sozialversicherungspflicht.<br />

Zwar hätten weder der Versorgungsauftrag einer stationären<br />

Pflegeinrichtung noch die Regelungen über die Erbringung<br />

stationärer Pflegeleistungen nach dem SGB XI oder<br />

das Heimrecht des jeweiligen Landes eine zwingende übergeordnete<br />

Wirkung hinsichtlich des sozialversicherungsrechtlichen<br />

Status von in stationären Einrichtungen tätigen<br />

Pflegefachkräften. Gesetzliche Vorgaben seien jedoch bei<br />

der Gewichtung zur Beurteilung der Versicherungspflicht<br />

zu berücksichtigen. Diese führten im Regelfall zur Annahme<br />

einer Eingliederung der Pflegefachkraft in die Organisations-<br />

und Weisungsstruktur der stationären Pflegeeinrichtung.<br />

Entscheidend sei, dass unternehmerische Freiheiten<br />

bei der konkreten Tätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung<br />

so gut wie nicht denkbar seien.<br />

Selbständigkeit könne nur ausnahmsweise angenommen<br />

werden. Hierfür müssten allerdings gewichtige Indizien<br />

sprechen. Bloße Freiräume bei der Aufgabenerledigung z.<br />

B. ein Auswahlrecht der zu pflegenden Person oder bei der<br />

Reihenfolge der einzelnen Pflegemaßnahmen reichten hierfür<br />

nicht aus.<br />

Davon ausgehend sei die Pflegefachkraft im zu entscheidenden<br />

Fall beim Pflegeheim abhängig beschäftigt gewesen.<br />

Sie habe, nicht anders als bei den im Pflegeheim angestellte<br />

Pflegefachkräften, ihre Arbeitskraft vollständig eingegliedert<br />

in einen fremden Betriebsablauf eingesetzt und<br />

sei nicht unternehmerisch tätig gewesen.<br />

An dieser Beurteilung ändere auch ein Mangel an Pflegefachkräften<br />

nicht. Die sowohl der Versichertengemeinschaft<br />

als auch den einzelnen Versicherten dienenden sozialrechtlichen<br />

Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht<br />

seien auch in Mangelberufen nicht zu suspendieren,<br />

um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine<br />

von Sozialversicherungsbeiträgen entlastete und deshalb<br />

höhere Entlohnung zu ermöglichen.<br />

PRAXISHINWEIS<br />

Die Entscheidung fügt sich in die bisherige Rechtsprechung<br />

des Bundessozialgerichts zu sozialversicherungsrechtlichen<br />

Statusbeurteilungen (§ 7 Abs. 1 SGB IV) ein. Ebenso hatte<br />

das Bundessozialgericht am 6. Juni 2<strong>01</strong>9 (B 12 R 11/18 R)<br />

zu Honorarärzten in Krankenhäusern entschieden und betont,<br />

maßgeblich sei, ob die Betroffenen weisungsgebunden<br />

beziehungsweise in eine Arbeitsorganisation eingegliedert<br />

sind. Letzteres sei bei Ärzten in einem Krankenhaus regelmäßig<br />

gegeben, weil dort ein hoher Grad der Organisation<br />

herrsche, auf die die Betroffenen keinen eigenen unternehmerischen<br />

Einfluss hätten. Hinzu komme, dass Honorarärzte<br />

ganz überwiegend personelle und sachliche Ressourcen<br />

des Krankenhauses bei ihrer Tätigkeit nutzten. Unternehmerische<br />

Entscheidungsspielräume seien bei einer Tätigkeit<br />

als Honorararzt im Krankenhaus regelmäßig nicht gegeben.<br />

Der Einsatz von Fachkräften im Gesundheitsbereich als<br />

„Selbstständige“ ist daher mit erheblichen Risiken verbunden<br />

und sollte keinesfalls ohne Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens<br />

bei der Deutschen Rentenversicherung<br />

Bund praktiziert werden. Nur dieses bietet Rechtssicherheit.<br />

Jan Arne Killmer<br />

Leistungsgerechte<br />

Pflegevergütung<br />

SCHIEDSSTELLEN DÜRFEN KEINEN PAUSCHALEN<br />

4%-GEWINNZ USCHLAG FÜR ST ATIONÄRE<br />

PFLEGEEINR ICHTUNGEN FESTSETZEN<br />

In seinen grundlegenden Urteilen vom 29. Januar 2009 (u.<br />

a. B 3 P 6/08 R) hatte das Bundessozialgericht entschieden,<br />

dass der Einrichtungsträger im Rahmen seines Anspruchs


auf eine leistungsgerechte Pflegevergütung (§ 82 Abs. 1<br />

S. 1 SGB XI) auch eine angemessene Vergütung seines<br />

Unternehmerrisikos („Gewinnchance“) einkalkulieren darf.<br />

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2<strong>01</strong>7 wurde § 84 Abs. 2 S. 4<br />

SGB XI dahingehend ergänzt, dass die Pflegesätze einem<br />

Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen<br />

müssen, seine Aufwendungen zu finanzieren und<br />

seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen „unter Berücksichtigung<br />

einer angemessenen Vergütung des Unternehmerrisikos“.<br />

Wie diese „Gewinnchance“ zu bemessen ist, hat der<br />

Gesetzgeber nicht geregelt.<br />

PROBLEM<br />

In fünf Revisionsverfahren stritten die Beteiligten vor dem<br />

Bundessozialgericht über die Höhe eines Gewinn- bzw.<br />

Risikozuschlags bei der Kalkulation von Pflegesätzen und<br />

Entgelten für Unterkunft und Verpflegung für die Jahre<br />

2<strong>01</strong>5/2<strong>01</strong>6.<br />

Da die jeweils klagenden Kostenträger (Pflegekassen/Sozialhilfeträger)<br />

den jeweils von den Pflegeeinrichtungen<br />

(Pflegeheime sowie eine Tageseinrichtung) geforderten<br />

Gewinnzuschlag nicht akzeptieren wollten, beantragten<br />

die Einrichtungsträger bei der Schiedsstelle für die soziale<br />

Pflegeversicherung im Lande Nordrhein-Westfalen<br />

(Beklagte) die Festsetzung der Pflegesätze und der Entgelte<br />

für Unterkunft und Verpflegung einschließlich eines Risikozuschlags<br />

von 4 %.<br />

Die beklagte Schiedsstelle entschied im Sinne der Pflegeeinrichtungen<br />

und setzte die Pflegesätze und Entgelte für<br />

Unterkunft und Verpflegung in allen Verfahren einschließlich<br />

eines Gewinnzuschlags in Höhe von 4 % der Gesamtkosten<br />

fest. Die Schiedsstelle begründete dies damit, dass<br />

sie im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums die Ausrichtung<br />

der Gewinnmarge an einem umsatzbezogenen Prozentsatz,<br />

für den sie die in § 44 Abs. 1 SGB I für den Bereich<br />

des Sozialrechts normierten Verzugszinsen heranziehe.<br />

Darin liege zugleich die längerfristige gesetzliche Bewertung<br />

pauschalierter Gewinnerwartungen. Gründe für<br />

eine Abweichung hiervon seien nicht ersichtlich. Auch eine<br />

ggf. unterbliebene Anhörung des Heimbeirats sei unschädlich<br />

und könne sich nur auf das Vertragsverhältnis zwischen<br />

Einrichtung und Bewohnern auswirken.<br />

Das erstinstanzlich zuständige Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen<br />

hob die Schiedssprüche in den fünf Verfahren<br />

auf und verurteilte die beklagte Schiedsstelle jeweils<br />

zum erneuten Erlass eines Schiedsspruchs unter Beachtung<br />

der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Orientierung des<br />

Gewinnzuschlags an § 44 SGB I sei rechtswidrig. Zur Kalkulation<br />

einer angemessenen Gewinnmöglichkeit seien<br />

sowohl die allgemeinen unternehmerischen Risiken von<br />

Pflegeheimen als auch die Kostenstrukturen der jeweiligen<br />

Pflegeeinrichtungen zu ermitteln. Zur Bewertung der angemessenen<br />

Relation zwischen unternehmerischen Risiken<br />

und Gewinnmöglichkeiten sei regelmäßig ein betriebswirtschaftliches<br />

Sachverständigengutachten erforderlich.<br />

ENTSCHEIDUNG<br />

Nach Auffassung des dritten Senats des Bundessozialgerichts<br />

verstießen die Schiedssprüche auch unter Berücksichtigung<br />

des den Schiedsstellen zustehenden Beurteilungsspielraums<br />

unter mehreren rechtlichen Gesichtspunkten<br />

gegen zwingende gesetzliche Vorgaben. Der dritte Senat<br />

des Bundessozialgerichts hat deshalb die Revision der beklagten<br />

Schiedsstelle in dem Verfahren B 3 P 1/18 R mit<br />

Urteil vom 26. September 2<strong>01</strong>9 zurückgewiesen. Die weiteren<br />

vier parallel gelagerten Revisionsverfahren (B 3 P 2/18<br />

R u. a.) sind auf Vorschlag des dritten Senats durch Vergleiche<br />

beendet worden, wonach die beklagte Schiedsstelle<br />

die angefochtenen Schiedssprüche im Einvernehmen mit<br />

den klagenden Kostenträgern aufhebt.<br />

(1) Die Entscheidung der Schiedsstelle sei schon aus formalen<br />

Gründen rechtsfehlerhaft, weil die gesetzlich vorgesehene<br />

schriftliche Stellungnahme der Interessenvertretung<br />

der Heimbewohner/-innen nicht vorlag. Die Beteiligung der<br />

Einrichtungsbewohner/-innen für das Verfahren sei entgegen<br />

der Rechtsauffassung der Schiedsstelle relevant. Diese<br />

habe verkannt, dass durch die Vergütungsregelungen in<br />

erster Linie die Heimbewohner/-innen finanziell betroffen<br />

sind, so dass deren Belange in diesem Stadium in effektiver<br />

Weise berücksichtigt werden müssen. Ohne Würdigung der<br />

Stellungnahme könne auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens<br />

der Pflegesatzvereinbarung nicht – wie vom Gesetz gefordert<br />

(§ 85 Abs. 6 S. 1 SGB XI) – unter angemessener Berücksichtigung<br />

der Interessen der Heimbewohner/-innen<br />

festgelegt werden.<br />

(2) Der Ansatz der Schiedsstelle, eine Gewinnmarge losgelöst<br />

sowohl von den kalkulierten Entstehungskosten als<br />

auch von einem externen Vergleich festzusetzen, sei mit<br />

dem Gesetz unvereinbar. Fordere der Einrichtungsträger<br />

einen am Umsatz bemessenen Gewinnzuschlag, seien im<br />

Rahmen der auf der ersten Stufe durchzuführenden Schlüssigkeits-<br />

und Plausibilitätskontrolle mindestens die wesentliche<br />

Eckpunkte der Kostenstruktur der Einrichtung daraufhin<br />

zu überprüfen, ob und wie weit damit bereits Gewinne<br />

erzielt werden können. In einem zweiten Prüfungsschritt sei<br />

dann der externe Vergleich der Pflegesätze einschließlich<br />

ihrer Gewinnmöglichkeiten mit denen in vergleichbaren<br />

Einrichtungen vorzunehmen. Nur bei diesem Vorgehen sei<br />

die in § 84 Abs. 2 S. 1 SGB XI erforderte Leistungsgerechtigkeit<br />

von Pflegesätzen einschließlich der sich dadurch<br />

bietenden Gewinnmöglichkeiten zu beurteilen.<br />

(3) Die beklagte Schiedsstelle habe bei der Bemessung der<br />

Gewinnmöglichkeit den Grundsatz der Beitragsstabilität<br />

nach § 84 Abs. 2 SGB XI nicht berücksichtigt. Diese gesetzliche<br />

Maßgabe begrenze ihren Beurteilungsspielraum.<br />

Auch aus diesem Grund komme eine Orientierung an Ver-


zugszinsen für Sozialleistungsberechtigte in Höhe von 4 %<br />

nicht in Betracht und sei rechtswidrig.<br />

(4) Außerdem stehe bei der Bemessung angemessener Entgelte<br />

für Unterkunft und Verpflegung nach § 87 SGB XI<br />

nicht die Erzielung von Marktpreisen und Gewinnmöglichkeiten<br />

im Vordergrund. Vielmehr gehe es in erster Linie um<br />

die Refinanzierung prognostischer Gestehungskosten. Gesetzlich<br />

gölten nicht dieselben Kriterien wie für die Pflegevergütung<br />

(„leistungsgerechte … Pflegevergütung“ aber<br />

„angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung“,<br />

§ 82 Abs. 1 S. 1 SGB XI).<br />

(5) Schließlich dürfe die Schiedsstelle nicht ohne Weiteres<br />

von den von den Einrichtungen dargelegten prospektiven<br />

Gestehungskosten ausgehen und diese „unstreitig stellen“.<br />

Die Nutzer/-innen von Pflegeinrichtungen seien davor zu<br />

schützen, ungerechtfertigte Nachteile zu erleiden, die sich<br />

aus Beweislastentscheidungen sowie aus übereinstimmend<br />

zwischen den Vertragspartnern zugrunde gelegten Umständen<br />

ergeben. Die dargelegten Gestehungskosten seien von<br />

der Schiedsstelle in eigener Verantwortung auf Plausibilität<br />

und Schlüssigkeit zu prüfen. Allerdings sei die Schiedsstelle<br />

nicht gezwungen, regelmäßig ein Sachverständigengutachten<br />

einzuholen. Grundsätzlich liege die Einholung eines<br />

Gutachtens zu Einzelpunkten im Ermessen der Schiedsstelle.<br />

Die abschließende Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit<br />

der Pflegesätze und der Angemessenheit der Entgelte<br />

bleibe aber eine originäre Aufgabe der Schiedsstelle. Diese<br />

sei sachkundig und paritätisch besetzt und trage hierfür<br />

auch die Gesamtverantwortung.<br />

PRAXISHINWEIS<br />

Seit Kurzem liegen die ausführlichen schriftlichen Entscheidungsgründe<br />

vor. Zunächst ist festzuhalten, dass das<br />

Bundessozialgericht die Grundsätze des modifizierten externen<br />

Vergleichs auch auf die Gewinnkalkulation anwendet<br />

und weiter davon ausgeht, dass bereits in den prospektiv<br />

kalkulierten Pflegesätzen Gewinnmöglichkeiten enthalten<br />

sind, die „Gewinnchance“ also nicht, jedenfalls nicht automatisch,<br />

„on top“ dazu kommt. In diesem Zusammenhang<br />

formuliert das Bundessozialgericht ein aus den Grundsätzen<br />

der Wirtschaftlichkeit und Beitragssatzstabilität folgendes<br />

„Gebot der Zurückhaltung“, welches insbesondere für zusätzliche,<br />

prozentual am Umsatz ausgerichtete Gewinnmargen<br />

gilt. Ferner scheidet nach Auffassung des Bundessozialgerichts<br />

die Bemessung einer Gewinnmöglichkeit im<br />

Rahmen des Anspruchs auf ein „angemessenes“ Entgelt für<br />

Unterkunft und Verpflegung praktisch aus. Auch ist zu<br />

erwarten, dass künftig, wie bereits jetzt im Gesetz vorgesehen,<br />

stets die schriftliche Stellungnahme der Interessenvertretung<br />

der Heimbewohner/-innen zusammen mit den<br />

Nachweisen für die beanspruchte Vergütung vorgelegt<br />

werden muss. Es ist schon jetzt erkennbar, dass das Urteil<br />

erhebliche praktische Auswirkungen auf Vergütungsverhandlungen<br />

haben wird, die für Pflegeeinrichtungen ganz<br />

sicher nicht einfacher werden.<br />

Hierbei unterstützen wir Sie mit unseren fundierten betriebswirtschaftlichen<br />

Kalkulationen.<br />

Jan Arne Killmer<br />

O l i ver Warneboldt<br />

Dipl.-Oec, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Fachberater<br />

für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.)<br />

o.warneboldt@lueders-warneboldt.de<br />

L W. P L üder s Wa r nebol d t<br />

Unsere Expert en für<br />

H ealth <strong>Care</strong> –<br />

Unternehmensberatung in<br />

d er Altenpflege<br />

a u s d er<br />

K ooperation Nordwest<br />

Jan Arne Killmer, LL.M<br />

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt<br />

für Handels- und Gesellschaftsrecht<br />

killmer@renneberg-legal.de<br />

Renneber g Le gal Gm b H<br />

S a b rina Kah l<br />

Dipl.-Oec., Steuerberaterin<br />

s.kahl@lueders-warneboldt.de<br />

L W. P L üder s Wa r nebol d t<br />

L eena Diestelhorst<br />

Rechtsanwältin, Fachanwältin für<br />

Arbeitsrecht<br />

l.diestelhorst@lueders-warneboldt.de<br />

L W. P L üder s Wa r nebol d t<br />

H i n rich Renken<br />

Dipl.-Kfm. (FH), Abteilungsleiter Controlling<br />

h.renken@lueders-warneboldt.de<br />

L W. P L üder s Wa r nebol d t

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