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NATURZYT – Das Schweizer Naturmagazin – Ausgabe März 2014

Natur ERFAHREN und mehr über unsere Wildtiere und -pflanzen lernen. Natur ERLEBEN und die Artenvielfalt der Flora und Fauna entdecken. Natur BEWAHREN und rücksichtsvoller mit ihr umgehen. Das ist NATURZYT. NATURZYT schreibt nicht nur über unsere Natur, wir unterstützen Sie auch mit einem Teil der Abo-Erlösen. Aus Liebe zur Natur. Jetzt abonnieren und unterstützten – 4 Ausgaben für nur CHF 29.50.

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In der Natur liebt Gerd B. besonders die Stille.<br />

Er muss sich nicht anstrengen, um seine<br />

Umwelt zu erfassen und die Gefahren zu<br />

hören. Kein Motorenlärm und auch keine<br />

Sprachausgabe am Computer, die ihm im Arbeitsalltag<br />

ununterbrochen Inhalte zur weiteren<br />

Verarbeitung vorliest. Und auch keine Stimmen, die<br />

durcheinanderreden und die Kommunikation ohne<br />

Gestik und Mimik schier unmöglich machen.<br />

DIE EIGENEN NATURBILDER MALEN<br />

An der Hand seiner Frau Ursula geht Gerd B. in<br />

der Natur wandern. Manchmal wird er gefragt, was<br />

er überhaupt vom Wandern habe. Nach den Strapazen<br />

sähe er noch nicht einmal die schöne Aussicht.<br />

Ein gewisser Schmerz sei natürlich schon<br />

da, obschon seine Frau und Freunde ihm alles<br />

beschrieben. Doch zum Glück habe er eine rege<br />

Fantasie und ein reichhaltiges inneres Film- und<br />

Fotoarchiv aus jener Zeit, als ihm das Sehen noch<br />

nicht versagt war. Dort nimmt er heraus, was er<br />

braucht, um die Beschreibungen seiner Mitwanderer<br />

zu komplettieren und innerlich seine eigenen<br />

Naturbilder zu malen.<br />

In der dritten Primarklasse erfuhr Gerd B. vom<br />

Augenarzt, seine Augen würden jenen eines uralten<br />

Mannes gleichen. Zwar würde er nie daran erblinden,<br />

denn an einer Makuladegeneration, wie<br />

damals die Diagnose lautete, erblindet man nicht.<br />

Doch seine Sicht verschlechterte sich fortan.<br />

Vor vier Jahren bekam er einen Hörsturz und eine<br />

Linsentrübung dazu. Hinter der Linsentrübung<br />

kam nur noch totes Netzhautgewebe zum<br />

Vorschein: Retinitis pigme ntosa, eine Netzhau t­<br />

degeneration, bei der die Fotorezeptoren zerstört<br />

werden.<br />

Seither benutzt Gerd B. nur noch sein inneres<br />

Film- und Fotoarchiv. Die Bilder, die er abruft, sind<br />

zwar schwächer als ein reales Bild, doch weil keine<br />

neuen Bilder mehr dazukommen, kann er die<br />

vorhandenen viel besser verwalten, wie in einer<br />

Mediathek. Die Qualität seines Bildmaterials ist<br />

beständig und kommt auch beim Wandern zum<br />

Einsatz.<br />

ALS TEIL DER NATUR FÜHLEN<br />

Auf Wanderschaft müssen auch Bäche überquert<br />

werden. Davor fürchtete sich Gerd B. anfangs sehr.<br />

Dann hat er rasch gelernt, andere Sinne kompensatorisch<br />

einzusetzen. Heute liebt er solche<br />

Aben teuer. Seine Frau geht ihm voraus und reicht<br />

ihm entweder die Hand oder er streckt seinen<br />

Stock nach ihr aus. Sie legt die Stockspitze auf den<br />

nächsten Stein. Er macht einen Schritt auf die<br />

Stockspitze zu und zieht den anderen Fuss nach.<br />

Und rundherum zischt und spritzt es, dann fühlt<br />

sich Gerd B. als Teil der Natur.<br />

DIE NATUR ERFAHREN<br />

Um die Natur zu erfahren, tastet Gerd B. auch<br />

Baumstämme und Wurzelstöcke ab und schnuppert<br />

an Pilzen und Blumen. Ein ausgewaschener Holzwurzelstock<br />

fühlt sich sehr schön an, ist spannend<br />

und taktil ästhetisch. Ein Stein ist rau, und ein<br />

besonders weiches Moospolster, wo man sich als<br />

winzig kleines Zwerglein am liebsten reinsetzen und<br />

einschlafen und die ganze Nacht darin verbringen<br />

würde, das sei besonders schön.<br />

In seinen Träumen ist Gerd B. meistens sehbehindert.<br />

Er ist aber ohne weissen Stock unterwegs.<br />

Es kommt auch vor, dass er im Traume sieht. Und<br />

manchmal muss er im Traume blind Auto fahren,<br />

obwohl er es noch nie gelernt hat, das fühle sich ganz<br />

schön stressig an.<br />

Der Waldboden federt weich unter seinen<br />

Füssen. «Es ist bald dunkel», flüstert seine Frau. Gerd<br />

B. bleibt ganz ruhig, damit sie die Tiere sehen kann.<br />

Ein Knistern im Unterholz. «Eine weisse Schwanzspitze<br />

verschwindet in der Nacht.» Gerd B. findet in<br />

seinem Bildarchiv einen Fuchs dazu.<br />

Text/Bild Antonietta Fabrizio, SZB<br />

Unterstützung für blinde Menschen<br />

Der <strong>Schweizer</strong>ische Zentralverein für das<br />

Blindenwesen (SZB) ist seit 1903 die Dachorganisation<br />

der in der Schweiz ansässigen<br />

Organisationen, die sich um Menschen mit<br />

einer Seh- oder Hörsehbehinderung kümmern.<br />

Der SZB leistet wichtige Informations- und<br />

Koordinationsarbeit im Sehbehinderten wesen.<br />

Er leistet auch direkte und professionelle Hilfe,<br />

insbesondere mit der ambulanten Beratung und<br />

Begleitung taubblinder Menschen sowie mit<br />

der Entwicklung und Bereitstellung spezieller<br />

Hilfsmittel. Er setzt sich dafür ein, dass<br />

taubblinde, blinde und sehbehinderte Menschen<br />

ihr Leben selbst bestimmen und in<br />

eigener Verantwortung gestalten können. Der<br />

SZB ist mit dem ZEWO-Gütesiegel für einen<br />

vertrauenswürdigen Umgang mit Spendengeldern<br />

ausgezeichnet. www.szb.ch<br />

NATUR ERLEBEN<br />

<strong>NATURZYT</strong> 45

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