ZAP-2020-04

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Fach 11, Seite 1566 Basiswissen Unterhaltsrecht Familienrecht Rechtsfolge ist eine richterliche Vertragsanpassung nach sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung der Interessen beider Beteiligter. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für einen Beteiligten unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten beiden Beteiligten zumutbar sein. Den die Abänderung begehrenden Antragsteller trifft die vollumfängliche Darlegungs- und Beweislast dafür, welche Umstände der damaligen Vereinbarung zugrunde gelegen haben und dass sich die maßgeblichen Verhältnisse seit dem Vergleichsschluss überhaupt geändert haben. Beruft sich ein Beteiligter darauf, dass in der Vereinbarung ausdrücklich auch eine Abänderbarkeit für den Fall einer späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeschlossen sei, trägt er hierfür die Darlegungsund Beweislast (BGH, Urt. v. 25.11.2009 – XII ZR 8/08; FamRZ 2010, 192, 194; NJW 2010, 444). 3. Besonderheiten bei einseitigen notariellen Verpflichtungserklärungen und Jugendamtsurkunden (§§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 SGB VIII) Bei einseitigen Unterhaltsverpflichtungen ergibt sich aus der Urkunde selbst nur eine Bindungswirkung für den Unterzeichner der Verpflichtungserklärung, der keine freie Abänderung der von ihm einseitig errichteten Jugendamtsurkunde ohne Berücksichtigung von deren Bindungswirkung beantragen kann (BGH, Urt. v. 4.5.2011 – XII ZR 70/09, NJW 2011, 1874, 1876). Erfolgreich ist sein Änderungsverlangen nur dann, wenn eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen Umstände, des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Auswirkungen auf die Höhe seiner Unterhaltspflicht eingetreten ist. Dazu muss er auch die seiner damaligen Verpflichtung nach Grund und Höhe zugrunde liegenden Umstände darlegen. Auch der Unterhaltsberechtigte muss, um eine Erhöhung der titulierten Zahlungen zu erreichen, einen Abänderungsantrag stellen. Er muss allerdings nur dann Abänderungsgründe vortragen, wenn der einseitigen Verpflichtungserklärung eine Vereinbarung der Beteiligten zugrunde liegt (BGH, Urt. v. 4.5.2011 – XII ZR 70/09, NJW 2011, 1874). 4. Abänderungsantrag Der Antrag muss den abzuändernden Titel genau bezeichnen und den Betrag, auf den der Unterhalt abgeändert werden soll, nennen. Zumindest bei einer rückwirkend verlangten Abänderung sollte der Termin genannt werden, zu dem die Abänderung erfolgen soll; andernfalls besteht die Gefahr, dass das Gericht die Abänderung erst vom Zeitpunkt der Zustellung an ausspricht. V. Die Kosten des Unterhaltsverfahrens (§ 243 FamFG) Nach § 243 FamFG erfolgt die Kostenverteilung nach billigem Ermessen, wobei die wesentlichen Gesichtspunkte unter Nr. 1 bis Nr. 4 aufgezählt sind: • Kostenverteilung im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen, § 243 Nr. 1, • Auskunftsverweigerung, § 243 Nr. 2, • Ungenügende Auskunft gegenüber dem Gericht, § 243 Nr. 3, • Sofortiges Anerkenntnis, § 243 Nr. 4. VI. Die einstweilige Unterhaltsanordnung (§ 246 FamFG) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll einen schnellen Unterhaltstitel ermöglichen, ist aber in der Praxis nicht ohne Risiken. In Unterhaltssachen ist wegen der Spezialregelung des § 246 FamFG kein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden erforderlich. Ein Anordnungsanspruch besteht, wenn sich nach dem Ergebnis 194 ZAP Nr. 4 19.2.2020

Familienrecht Fach 11, Seite 1567 Basiswissen Unterhaltsrecht des summarischen Erkenntnisverfahrens ein materiell-rechtlicher Unterhaltsanspruch des Anspruchsstellers für das Gericht ergibt. Allerdings kann im Verfahren der einstweiligen Unterhaltsanordnung nur zukünftiger Unterhalt, aber kein rückständiger Unterhalt tituliert werden. Die Begründung muss die wesentlichen verfahrensrechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen enthalten; zudem sind die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 S. 2 FamFG glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 294 ZPO erfolgt in der Praxis regelmäßig durch Vorlage von Belegen über die finanziellen Verhältnisse der Beteiligten, seltener durch eine Versicherung an Eides statt. Nach § 246 Abs. 2 FamFG ergeht die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder für eine gütliche Streitbeilegung geboten erscheint. Damit ist die mündliche Verhandlung vom Gesetzgeber als Regelfall gewollt, bevor eine einstweilige Anordnung in Unterhaltssachen ergeht. Nur in einfach gelagerten oder besonders eilbedürftigen Fällen kann die Entscheidung ausnahmsweise ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Im Antrag kann der volle Unterhalt geltend gemacht werden. Das Gericht kann auch einen in der Höhe begrenzten oder zeitlich befristeten Unterhalt zusprechen. Das auf einer nur summarischen Prüfung beruhende Verfahren der einstweiligen Anordnung ist auch nicht dazu vorgesehen, unklare Sachverhalte oder schwere Rechtsfragen zu klären. In diesen Fällen muss mit einer kostenpflichtigen Zurückweisung des Antrags gerechnet werden. Für das Verfahren der einstweiligen Unterhaltsanordnung – geregelt in den §§ 246 i.V.m. 49–57 FamFG – besteht kein Anwaltszwang. Das Gericht entscheidet über den Unterhaltsanordnungsantrag durch zu begründenden Beschluss, der auch eine Kostenentscheidung enthält. Beim Verfahrenswert wird grds. die Hälfte des für die Hauptsache bestimmten Hauptsachewertes angesetzt, mithin der sechsfache Wert des Unterhaltsantrags, vgl. § 41 S. 2 FamGKG. Beachte: Die einstweilige Unterhaltsanordnung ist nach § 57 S. 1 FamFG nicht anfechtbar. Die einstweilige Anordnung schafft lediglich eine einstweilige Vollstreckungsmöglichkeit wegen eines vorläufig als bestehend angenommenen Anspruchs. Sie ist der Rechtskraft nicht fähig und kann mit Rückwirkung aufgehoben werden. Daher nimmt der Erlass einer einstweiligen Unterhaltsanordnung dem Unterhaltsgläubiger nicht das Rechtsschutzbedürfnis für ein Hauptsacheverfahren (OLG Thüringen, Beschl. v. 27.9.2010 – 1 WF 327/10, FamRZ 2011, 491; OLG München, Beschl. v. 30.8.2011 – 11 W 1535/11, FamRZ 2012, 391). Die einstweilige Unterhaltsanordnung ist eine Eilmaßnahme, d.h. es bedarf auch keiner Wirksamkeitsanordnung nach § 116 Abs. 3 FamFG – vielmehr ist die Unterhaltsanordnung mit Erlass der Verkündung sofort wirksam und vollziehbar. Der Unterhaltsanordnungsbeschluss ist vollstreckbar nach §§ 704 ff. ZPO (vgl. § 120 Abs. 1 FamFG); es bedarf nach § 53 Abs. 1 FamFG keiner Vollstreckungsklausel. Die einstweilige Anordnung tritt nach § 56 Abs. 1 FamFG bei Wirksamwerden einer anderweitigen Regelung außer Kraft, es sei denn, das Gericht hat einen früheren Zeitpunkt bestimmt. Erforderlich ist dafür die Rechtskraft einer anderweitigen Regelung in der betreffenden Unterhaltssache. ZAP Nr. 4 19.2.2020 195

Fach 11, Seite 1566<br />

Basiswissen Unterhaltsrecht<br />

Familienrecht<br />

Rechtsfolge ist eine richterliche Vertragsanpassung nach sorgfältiger Prüfung unter Berücksichtigung<br />

der Interessen beider Beteiligter. Es genügt nicht, dass ein weiteres Festhalten am Vereinbarten nur für<br />

einen Beteiligten unzumutbar erscheint; vielmehr muss das Abgehen vom Vereinbarten beiden<br />

Beteiligten zumutbar sein.<br />

Den die Abänderung begehrenden Antragsteller trifft die vollumfängliche Darlegungs- und Beweislast<br />

dafür, welche Umstände der damaligen Vereinbarung zugrunde gelegen haben und dass sich die<br />

maßgeblichen Verhältnisse seit dem Vergleichsschluss überhaupt geändert haben. Beruft sich ein<br />

Beteiligter darauf, dass in der Vereinbarung ausdrücklich auch eine Abänderbarkeit für den Fall einer<br />

späteren Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ausgeschlossen sei, trägt er hierfür die Darlegungsund<br />

Beweislast (BGH, Urt. v. 25.11.2009 – XII ZR 8/08; FamRZ 2010, 192, 194; NJW 2010, 444).<br />

3. Besonderheiten bei einseitigen notariellen Verpflichtungserklärungen und Jugendamtsurkunden<br />

(§§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 60 SGB VIII)<br />

Bei einseitigen Unterhaltsverpflichtungen ergibt sich aus der Urkunde selbst nur eine Bindungswirkung<br />

für den Unterzeichner der Verpflichtungserklärung, der keine freie Abänderung der von ihm einseitig<br />

errichteten Jugendamtsurkunde ohne Berücksichtigung von deren Bindungswirkung beantragen kann<br />

(BGH, Urt. v. 4.5.2011 – XII ZR 70/09, NJW 2011, 1874, 1876).<br />

Erfolgreich ist sein Änderungsverlangen nur dann, wenn eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen<br />

Umstände, des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Auswirkungen auf die Höhe<br />

seiner Unterhaltspflicht eingetreten ist. Dazu muss er auch die seiner damaligen Verpflichtung nach<br />

Grund und Höhe zugrunde liegenden Umstände darlegen.<br />

Auch der Unterhaltsberechtigte muss, um eine Erhöhung der titulierten Zahlungen zu erreichen, einen<br />

Abänderungsantrag stellen. Er muss allerdings nur dann Abänderungsgründe vortragen, wenn der<br />

einseitigen Verpflichtungserklärung eine Vereinbarung der Beteiligten zugrunde liegt (BGH, Urt.<br />

v. 4.5.2011 – XII ZR 70/09, NJW 2011, 1874).<br />

4. Abänderungsantrag<br />

Der Antrag muss den abzuändernden Titel genau bezeichnen und den Betrag, auf den der Unterhalt<br />

abgeändert werden soll, nennen. Zumindest bei einer rückwirkend verlangten Abänderung sollte der<br />

Termin genannt werden, zu dem die Abänderung erfolgen soll; andernfalls besteht die Gefahr, dass das<br />

Gericht die Abänderung erst vom Zeitpunkt der Zustellung an ausspricht.<br />

V. Die Kosten des Unterhaltsverfahrens (§ 243 FamFG)<br />

Nach § 243 FamFG erfolgt die Kostenverteilung nach billigem Ermessen, wobei die wesentlichen<br />

Gesichtspunkte unter Nr. 1 bis Nr. 4 aufgezählt sind:<br />

• Kostenverteilung im Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen, § 243 Nr. 1,<br />

• Auskunftsverweigerung, § 243 Nr. 2,<br />

• Ungenügende Auskunft gegenüber dem Gericht, § 243 Nr. 3,<br />

• Sofortiges Anerkenntnis, § 243 Nr. 4.<br />

VI. Die einstweilige Unterhaltsanordnung (§ 246 FamFG)<br />

Das Verfahren der einstweiligen Anordnung soll einen schnellen Unterhaltstitel ermöglichen, ist aber in<br />

der Praxis nicht ohne Risiken.<br />

In Unterhaltssachen ist wegen der Spezialregelung des § 246 FamFG kein dringendes Bedürfnis für ein<br />

sofortiges Tätigwerden erforderlich. Ein Anordnungsanspruch besteht, wenn sich nach dem Ergebnis<br />

194 <strong>ZAP</strong> Nr. 4 19.2.<strong>2020</strong>

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