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ZAP-2020-04

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Fach 11, Seite 1564<br />

Basiswissen Unterhaltsrecht<br />

Familienrecht<br />

Nach § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG ist weitere Voraussetzung einer Abänderung die wesentliche<br />

Veränderung der der vorausgegangenen Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen<br />

Verhältnisse. Nach verbreiteter Ansicht liegt eine Wesentlichkeit erst bei einer Änderung der<br />

Zahlbeträge um 10 % vor. Dies stellt jedoch lediglich einen Richtwert dar. Bei beengten wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen kann eine Wesentlichkeit bereits deutlich unterhalb dieser Schwelle von 10 % angenommen<br />

werden (BGH, Urt. v. 29.1.1992 – XII ZR 239/90, NJW 1992, 1621). Eine Änderung der Bedarfssätze<br />

der Düsseldorfer Tabelle deutet in aller Regel darauf hin, dass die zugrunde liegenden wirtschaftlichen<br />

Veränderungen wesentlich sind (OLG Hamm, Beschl. v. 29.4.2011 – II-6 WF 128/11, FamRZ 2012, 53).<br />

b) Präklusion<br />

Ein Abänderungsantrag kann nur auf geänderte Tatsachen gestützt werden. Ausgeschlossen sind daher<br />

solche Umstände, die bereits der damaligen Entscheidung zugrunde gelegen haben oder die seinerzeit<br />

vorhanden waren, aber nicht in die Entscheidung eingeflossen sind (Tatsachenpräklusion). Dies ist<br />

einmal der Fall, wenn eine für die Unterhaltsbemessung relevante Tatsache vom damaligen Gericht<br />

übersehen worden ist (dann wäre ein Rechtsmittel erforderlich gewesen) oder vom Beteiligten gar nicht<br />

im Verfahren vorgetragen worden ist.<br />

Da gerichtliche Unterhaltsentscheidungen ein Dauerschuldverhältnis regeln und auf diese Weise in die<br />

Zukunft wirken, liegt ihnen auch immer eine Prognoseentscheidung zugrunde, nämlich die Überlegung,<br />

dass die Verhältnisse in der Zukunft gleich bleiben. Auf der Grundlage der in diesem Verfahren<br />

vorgetragenen Tatsachen versucht das Gericht, die Entwicklung des Unterhalts vorherzusehen.<br />

Der BGH hat in mehreren Entscheidungen deutlich gemacht, dass das Gericht bereits im Erstverfahren<br />

entscheiden muss, soweit eine Entscheidung aufgrund der gegebenen Sachlage und der zuverlässig<br />

voraussehbaren Umstände möglich ist (BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 122/17, FamRZ 2018, 1421; BGH<br />

Beschl. v. 15.7.2015 – XII ZB 369/14, FamRZ 2015, 1694; BGH, Urt. v. 12.1.2011 – XII ZR 83/08, FamRZ 2011,<br />

454). Zumindest aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht sollte daher in Unterhaltsverfahren davon<br />

ausgegangen werden, dass sicher bzw. zuverlässig vorhersehbare Änderungen bereits im Erstverfahren<br />

vorzutragen sind, um einem späteren Präklusionseinwand vorzubeugen.<br />

Zukünftige Umstände sind jedenfalls dann zuverlässig vorhersehbar, wenn zwei Faktoren eindeutig<br />

festgelegt werden können:<br />

1. der Zeitpunkt des Eintritts dieser Veränderung (Faktor „Zeit“) und<br />

2. die finanziellen Auswirkungen dieser Veränderung auf die Unterhaltsbemessung (Faktor „Geld“).<br />

c) Zeitgrenze<br />

Die Abänderung ist nach § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG möglich ab Rechtshängigkeit – also förmlicher<br />

Zustellung – des Antrags. Jedoch sind unter besonderen Umständen auch rückwirkende Änderungen<br />

des Titels möglich.<br />

Ein Antrag auf Erhöhung des Unterhalts ist nach § 238 Abs. 3 S. 2 FamFG für die Zeit zulässig, für die<br />

nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann.<br />

Dies kann einmal durch eine bezifferte Zahlungsaufforderung erfolgt sein, zum anderen aber auch gem.<br />

§ 1613 BGB durch ein korrektes Auskunftsverlangen. Entsprechend ist die Abänderung für die Vergangenheit<br />

von dem Zeitpunkt an möglich, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung<br />

des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen<br />

Auskunft zu erteilen. Den Zugang eines solchen Verlangens muss der Auffordernde nachweisen. Es<br />

ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Aufforderung zur Auskunftserteilung Bezug zum<br />

bestehenden Unterhaltstitel aufweist und erkennbar darauf ausgerichtet ist, eine Erhöhung des<br />

titulierten Unterhalts zu erreichen (BGH, Urt. v. 22.11.2006 – XII ZR 24/<strong>04</strong>, NJW 2007, 511).<br />

192 <strong>ZAP</strong> Nr. 4 19.2.<strong>2020</strong>

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