FINANCE Magazin Private Equity: Kontrollierte Offensive - Syncap
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PRIVATE EQUITY<br />
<strong>Kontrollierte</strong> <strong>Offensive</strong><br />
Wie <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Investoren in deutschen Unternehmen agieren<br />
<strong>FINANCE</strong> hat mit mehr als einem Dutzend Topmanagern in <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-finanzierten Unternehmen<br />
des Mittelstands gesprochen. Ihren Eigentümern stellen sie ein gemischtes Zeugnis aus.<br />
Sie loben die Wachstumsimpulse und die hohe Entscheidungsbereitschaft, aber die Reporting-<br />
Anforderungen der Finanzinvestoren gehen vielen Geschäftsführern zu weit.<br />
Von Michael Hedtstück<br />
84<br />
Mehr Ressourcen für Wachstum:<br />
Die Rail-One-Führung um CEO Richard Ziegler (links)<br />
vor einem Berg frisch produzierter Bahnschwellen.<br />
Foto: Rail One<br />
September | 2007 <strong>FINANCE</strong>
Das Berliner Traditionsunternehmen<br />
Borsig stand mit dem<br />
Rücken zur Wand. Unverschuldet<br />
geriet der 170 Jahre alte Anlagenbauer<br />
und Spezialist für Komponenten<br />
in der Petrochemie und Kraftwerkstechnik<br />
in den Strudel des Mutterkonzerns<br />
Babcock Borsig, der im Juli 2002<br />
Insolvenz beantragen musste. Der heutige<br />
Geschäftsführer Konrad Nassauer<br />
denkt nicht gern an diese Zeit zurück:<br />
„Erst bekamen wir nur noch wenig Investitionen<br />
genehmigt.“ Dann wurde es<br />
noch schlimmer: „Unsere Konzernmutter<br />
verkaufte Produktlinien unseres<br />
Unternehmens, um mit den Verkaufserlösen<br />
Liquiditätsabflüsse in anderen<br />
Konzernbereichen zu kompensieren.“<br />
Das eigentlich profitable Unternehmen<br />
drohte auszubluten.<br />
Mitten in dieser ungewissen Situation<br />
trat der Finanzinvestor Capiton auf<br />
den Plan. Die Beteiligungsgesellschaft<br />
kaufte Borsig aus der Insolvenzmasse<br />
des Mutterkonzerns heraus, um gemeinsam<br />
mit dem Management verlorengegangenes<br />
Terrain zurückzugewinnen.<br />
Nassauer: „Wir haben eine neue<br />
Wertsteigerungsstrategie ausgearbeitet,<br />
deren Kern die Erweiterung unseres<br />
Produktportfolios ist. Im Lauf der Zeit<br />
haben wir eine Reihe von Produkten<br />
und Unternehmen zugekauft beziehungsweise<br />
in das Produktportfolio<br />
wieder aufgenommen, welche von unserem<br />
Alteigentümer abgegeben oder<br />
eingestellt worden waren.“ Das schlägt<br />
sich auch in den Zahlen nieder. Im laufenden<br />
Jahr soll der Umsatz um 50 Prozent<br />
auf rund 180 Millionen Euro zulegen.<br />
Zum Zeitpunkt des Buy-outs erwirtschaftete<br />
Borsig 50 Millionen Euro.<br />
Verschärfte Wachstumspläne<br />
Eine Beschleunigung der Unternehmensentwicklung<br />
haben auch andere<br />
durch <strong>Private</strong> <strong>Equity</strong> finanzierte Unternehmen<br />
im deutschen Mittelstand erfahren.<br />
Dies ist das Kernergebnis einer<br />
neuen Studie, für die <strong>FINANCE</strong>-Research<br />
im Auftrag der Deutschen Beteiligungs<br />
AG und der Investmentbank<br />
Lincoln International 13 Geschäftsführer<br />
<strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-finanzierter Unternehmen<br />
intensiv zu ihren Erfahrungen<br />
mit ihren neuen Eigentümern befragt<br />
hat. An den befragten Unternehmen<br />
sind insgesamt 16 <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Häuser<br />
beteiligt, darunter beispielsweise<br />
Granville Baird, Odewald & Compagnie,<br />
KKR, Halder und Doughty Hanson.<br />
Demnach sehen die im deutschen<br />
Mittelstand engagierten Finanzinvestoren<br />
den größten Wertschöpfungshebel<br />
offenbar nicht im Financial Engineering,<br />
sondern in der strategischen<br />
Weiterentwicklung ihrer Unternehmen.<br />
Expansion im Allgemeinen, M&A im<br />
Besonderen rücken nach dem Einstieg<br />
eines Finanzinvestors auf der Unternehmensagenda<br />
häufig weit nach oben.<br />
Bei keinem einzigen der im Rahmen<br />
Borsig-Chef Konrad Nassauer: Krise überstanden<br />
der Studie untersuchten Unternehmen<br />
wurde die alte Strategie nach dem Einstieg<br />
des Finanzinvestors eins zu eins<br />
fortgeführt. Meist wurden die Wachstumspläne<br />
verschärft, bei drei von vier<br />
Unternehmen gewann das Thema Expansion<br />
an Bedeutung. „Wir haben die<br />
Internationalisierung stark forciert.<br />
Uns stehen mehr Ressourcen für unser<br />
Wachstum zur Verfügung, auch weil<br />
unser neuer Eigentümer zielstrebiger<br />
ist“, sagt Richard Ziegler, CEO von Rail<br />
One, einem Produzenten von Bahnschwellen,<br />
den die Pfleiderer AG 2006<br />
an Axa <strong>Private</strong> <strong>Equity</strong> verkaufte.<br />
Für die Unternehmensführungen<br />
wird es dadurch in der Regel leichter,<br />
andere Unternehmen zu erwerben oder<br />
einen offensiven organischen Wachstumskurs<br />
einzuschlagen. Insbesondere<br />
jene Unternehmen, die Teil eines Konzerns<br />
waren und dort nicht mehr zum<br />
Kerngeschäft gehörten, verfügten vor<br />
dem Buy-out meist nicht über den Zugang<br />
zu den für Akquisitionen notwendigen<br />
Ressourcen.<br />
Kaufen wie ein Stratege<br />
Unter den Finanzinvestoren gibt es viele,<br />
die stark auf M&A setzen. Deals zu<br />
machen gehört zum Tagesgeschäft der<br />
<strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Häuser, aus ihrem Netzwerk<br />
aus M&A-Beratern und Investmentbanken<br />
generieren sie einen steten<br />
Fluss an neuen Transaktionsmöglichkeiten.<br />
Das Kalkül liegt auf der<br />
Hand: „Durch Add-on-Akquisitionen<br />
können Finanzinvestoren eine Wachstumsstory<br />
kreieren und wie ein strategischer<br />
Käufer Synergien heben“, sagt Dr.<br />
Michael Drill, CEO von Lincoln International.<br />
„Gleichzeitig senken sie ihren<br />
durchschnittlichen Einstiegspreis, da<br />
Add-on-Targets in der Regel nicht so<br />
hoch bewertet werden wie die Plattformunternehmen.“<br />
Nebenbei wächst<br />
auch noch quasi automatisch der Unternehmenswert,<br />
schließlich erhöhen sich<br />
mit steigender Unternehmensgröße<br />
auch die Multiplikatoren, mit denen Firmen<br />
bei M&A-Transaktionen bewertet<br />
werden.<br />
Bei den Managementteams stoßen<br />
die Zukaufsmöglichkeiten freilich nicht<br />
immer auf Gegenliebe. Im Gegenteil:<br />
Einige der befragten Manager gaben<br />
offen zu, dass sie den M&A-Ideen, die<br />
ihnen ihre Gesellschafter präsentieren,<br />
skeptisch gegenüberstehen. Viele Manager<br />
bevorzugen organisches Wachstum.<br />
Ihre Vorsicht begründen sie mit<br />
der besseren Planbarkeit des organischen<br />
Wachstums und den Risiken in<br />
der Post-Merger-Integration. Eine tiefer<br />
liegende Ursache scheint auch die mangelnde<br />
Erfahrung vieler Manager mit<br />
Akquisitionen zu sein. Da die meisten<br />
vor dem Buy-out keine M&A-Erfahrung<br />
sammeln konnten, agieren sie auch<br />
nach dem Buy-out mit Bedacht. Zu Konflikten<br />
hat dieser Philosophieunterschied<br />
zwischen Managern und Finanzinvestoren<br />
bei den befragten Unternehmen<br />
aber nur in Ausnahmefällen geführt.<br />
Wenn doch, hat sich nach eigenen<br />
Angaben immer das Management<br />
durchgesetzt. ➜<br />
<strong>FINANCE</strong> September | 2007 85<br />
Foto: Borsig
So beurteilen Managementteams die Zusammenarbeit mit<br />
ihren <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Investoren*<br />
Was sie loben Was sie kritisieren<br />
� Sie sollen die Expansion managen und<br />
keinen Sparkurs<br />
� Übertriebene Reporting-Anforderungen<br />
� Ein Buy-out macht notwendige Veränderungen � Häufig zu großer Druck, externe Berater ins<br />
im Unternehmen oft erst möglich Unternehmen zu holen<br />
� Hohe Entscheidungsbereitschaft und rationale � Unqualifizierte Anregungen, insbesondere<br />
Entscheidungsfindung auf Eigentümerebene hinsichtlich M&A-Targets<br />
� Oft ziehen industrieerfahrene Manager � Tendenz, sich zu rasch von Non-performing<br />
in den Beirat/Aufsichtsrat ein Assets zu trennen<br />
� Zusagen werden in der Regel eingehalten � Druck, für den Investor eine „<strong>Equity</strong>-Story“<br />
entwerfen und liefern zu müssen<br />
� Zugang zum Netzwerk des Investors, � Starke Fixierung auf Finanzen, oft wenig<br />
Austausch mit anderen Unternehmern<br />
(Methodentransfer)<br />
Gespür für Operatives<br />
Ob die strategischen Anregungen und<br />
Zukaufsempfehlungen bei den Managementteams<br />
auf fruchtbaren Boden<br />
fallen, hängt in hohem Maße von der<br />
Kompetenz des jeweiligen <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Hauses<br />
ab. Die Manager haben jedenfalls<br />
sehr unterschiedliche Erfahrungen<br />
mit dem Branchenwissen ihrer<br />
neuen Eigentümer gemacht. Manchen<br />
Finanzinvestoren gelingt es, sich tief in<br />
das Geschäftsmodell und das Branchenumfeld<br />
ihrer Portfoliounternehmen<br />
einzuarbeiten, anderen nicht.<br />
Hier liegt ein Schlüssel für die Umsetzung<br />
der Wachstumsstrategie. Viele<br />
Managementteams gaben an, dass die<br />
allgemeine M&A-Kompetenz eines Finanzinvestors<br />
ihnen nur dann weiterhilft,<br />
wenn er sich in der Branche auskennt.<br />
Wenn nicht, kann der Schuss<br />
nach hinten losgehen. Einige Interviewpartner<br />
haben sich explizit über unqualifizierte<br />
M&A-Anregungen und Targetvorschläge<br />
ihres Investors beklagt. Entsprechend<br />
wenig waren sie gewillt, ihm<br />
zu folgen.<br />
Individuelle Ergebnisverantwortung<br />
Die <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Häuser nehmen im<br />
Mittelstand aber nicht nur auf die<br />
Unternehmensstrategie Einfluss – die<br />
Anreizstruktur, die sie etablieren, führt<br />
oft auch zu Veränderungen in der Organisationsstruktur<br />
der von ihnen erworbenen<br />
Unternehmen.<br />
Beinahe standardmäßig verschwinden<br />
dann Funktionseinheiten, wie sie<br />
insbesondere in Konzernen immer<br />
86<br />
* Auszug Quelle: <strong>FINANCE</strong>-Research: „<strong>Private</strong> <strong>Equity</strong> im Mittelstand“<br />
noch weit verbreitet sind. Diese werden<br />
durch Profitcenter mit individueller Ergebnis-<br />
und Kostenverantwortung für<br />
einzelne Geschäftsbereichsleiter und<br />
Mitarbeiter ersetzt. „Die Ziele solcher<br />
Maßnahmen sind ein Höchstmaß an<br />
Transparenz und wirksamere Leistungsanreize“,<br />
sagt Wilken von Hodenberg,<br />
Sprecher des Vorstands der Deutschen<br />
Beteiligungs AG. „In Konzernen<br />
und Familienunternehmen ist die individuelle<br />
Leistungskontrolle selten so<br />
stark ausgeprägt wie bei einem <strong>Private</strong>-<br />
<strong>Equity</strong>-Gesellschafter.“<br />
Zu hohe Reporting-Anforderungen<br />
Auch die Entscheidungswege werden in<br />
der Regel deutlich verkürzt. Die Managementteams<br />
erhalten beim Finanzinvestor<br />
einen zentralen Ansprechpartner,<br />
der für das Portfoliounternehmen<br />
und dessen Performance verantwortlich<br />
ist. „Einmal im Monat treffen wir uns<br />
mit unserem Eigentümer zu einem<br />
Jour fixe“, berichtet Borsig-Chef Konrad<br />
Nassauer. „Aber viele Entscheidungen<br />
werden auf dem kurzen Dienstweg dazwischen<br />
angebahnt oder getroffen.“<br />
Entweder am Telefon oder im Rahmen<br />
eines spontanen Treffens – vom Capiton-Sitz<br />
in Berlin-Charlottenburg sind<br />
es nur 20 Taxi-Minuten zum Borsig-Gelände<br />
in Tegel.<br />
Neben Nassauer haben auch die<br />
meisten anderen befragten Manager angegeben,<br />
dass <strong>Private</strong>-<strong>Equity</strong>-Gesellschafter<br />
deutlich entscheidungsfreudiger<br />
als ihre früheren Eigentümer seien.<br />
Doch auch hier kommen sie zu einer<br />
differenzierten Einschätzung. „Die verbesserten<br />
Entscheidungswege und die<br />
neu verteilten Zuständigkeiten haben<br />
unser Unternehmen zwar schneller<br />
und beweglicher gemacht“, sagt ein Geschäftsführer.<br />
„Aber dieser Zeitgewinn<br />
wird durch die übertriebenen Reporting-Anforderungen<br />
zum Teil wieder<br />
zunichte gemacht.“<br />
Mit dieser Einschätzung ist er nicht<br />
allein: Die meisten Top-Manager loben<br />
zwar die neuen Möglichkeiten und die<br />
höhere Geschwindigkeit, aber dass ihr<br />
Finanzinvestor über deutlich mehr<br />
Details informiert werden möchte als<br />
der frühere Eigentümer, wird von vielen<br />
Geschäftsführern als Kehrseite von<br />
<strong>Private</strong> <strong>Equity</strong> kritisiert. Das trockene<br />
Resümee eines interviewten Geschäftsführers:<br />
„Gesellschafter sind immer<br />
problematisch.“<br />
michael.hedtstueck@finance-magazin.de<br />
<strong>FINANCE</strong>-Studien<br />
<strong>Private</strong> <strong>Equity</strong><br />
im Mittelstand<br />
Wie verändern Finanzinvestoren<br />
deutsche Unternehmen?<br />
Die Studie wird herausgegeben von<br />
<strong>FINANCE</strong>, Lincoln International und der<br />
Deutschen Beteiligungs AG. Juli 2007,<br />
56 Seiten, DIN A4 hoch, 38 Euro.<br />
Sie kann bezogen werden über:<br />
FINANCIAL GATES GmbH<br />
Mainzer Landstraße 199<br />
60326 Frankfurt am Main<br />
Telefon: 0 69 / 75 91 - 21 29<br />
Telefax: 0 69 / 75 91 - 19 66<br />
E-Mail: s.nell@faz-institut.de<br />
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September | 2007 <strong>FINANCE</strong>