ZAP-2020-03
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Fach 22, Seite 1004<br />
Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug<br />
Modernisierung des Strafverfahrens<br />
Hier haben die Neuregelungen folgende Änderungen gebracht:<br />
• Eingefügt worden ist die Bestimmung des § 58a Abs. 1 S. 3 StPO. Durch ihn wird der Anwendungsbereich<br />
des § 58a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO auf zur Tatzeit erwachsene Opfer von Straftaten gegen die<br />
sexuelle Selbstbestimmung erweitert (zur Kritik u.a. die Stellungnahme der BRAK Nr. 30/2019 vom<br />
November 2019, S. 12 f. unter https://www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmendeutschland/2019/november/stellungnahme-der-brak-2019-30.pdf).<br />
• Zudem ist die Verpflichtung zur richterlichen Vernehmung von Zeugen mit Bild-Ton-Aufzeichnung<br />
unter bestimmten Voraussetzungen als Mussvorschrift ausgestaltet worden.<br />
2. Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 58a StPO<br />
Der neue § 58a Abs. 1 S. 3 StPO erweitert den Anwendungsbereich der audiovisuellen Vernehmung auf<br />
zur Tatzeit erwachsene Opfer von Sexualstraftaten. Genannt werden die §§ 174 bis 184j StGB. Der<br />
Gesetzgeber hat diese Gleichstellung zu den (zur Tatzeit) minderjährigen Zeugen gem. § 58a Abs. 1 S. 2<br />
Nr. 1 StPO (BURHOFF, EV, Rn 4790) für erforderlich gehalten, „weil das Schutzbedürfnis erwachsener Opfer<br />
von Sexualstraftaten im Strafverfahren vergleichbar ist mit dem Schutzbedürfnis der Opfer, die zur Zeit des<br />
Strafverfahrens ebenfalls erwachsen sind, jedoch zur Tatzeit minderjährig waren“ (dazu BT-Drucks 19/14747,<br />
S. 25). Sexualstraftaten seien typischerweise mit erheblichen Eingriffen in den Intimbereich des Opfers<br />
verbunden. Opferzeugen seien in der Vernehmung verpflichtet, über ihre Wahrnehmungen auszusagen,<br />
was häufig mit gravierenden seelischen Belastungen verbunden sein könne. Diese besondere Situation<br />
rechtfertige es, die zusätzlich belastenden Mehrfachvernehmungen den erwachsenen Opfern von<br />
Sexualdelikten in gleicher Weise zu ersparen wie den nach gegenwärtiger Rechtslage (zur Tatzeit)<br />
minderjährigen Zeugen.<br />
Hinweis:<br />
Neben der Bild-Ton-Vernehmung nach § 58a Abs. 1 S. 3 StPO bleiben staatsanwaltliche (§ 161a Abs. 1 S. 2<br />
StPO) und polizeiliche (§ 163 Abs. 3 S. 2 StPO) Vernehmungen von Zeugen in Bild und Ton weiterhin nach<br />
§ 58a Abs. 1 S. 1 StPO möglich.<br />
3. „Mussregelung“ in § 58a Abs. 2 S. 3 StPO<br />
Bisher war in § 58a Abs. 1 S. 2 StPO nur eine Sollregelung für eine richterliche Vernehmung enthalten für<br />
den Fall, dass durch eine richterliche Vernehmung die schutzwürdigen Interessen der in Nr. 1 genannten<br />
Personen besser gewahrt werden können (dazu BURHOFF, EV, Rn 4794). Dies hat das Gesetz geändert. In<br />
Zukunft muss nach § 58a Abs. 1 S. 3 StPO die Vernehmung aufgezeichnet und als richterliche<br />
Vernehmung durchgeführt werden, wenn dadurch die schutzwürdigen Interessen der Zeugen besser<br />
gewahrt werden können.<br />
Im Einzelnen gilt:<br />
• Die Vorschrift gilt nur beim Vorwurf einer Straftat aus dem Katalog der Taten der §§ 174 bis 184j StGB.<br />
• Erfasst werden von der Vorschrift/Regelung (jetzt) auch Erwachsene.<br />
• Unter den Begriff „Personen“ gem. § 58a Abs. 1 S. 3 StPO fallen neben den (neu erfassten) erwachsenen<br />
Zeugen auch Personen unter 18 Jahren.<br />
• Erforderlich ist, dass durch die richterliche Vernehmung die schutzwürdigen Interessen der<br />
genannten Personen besser gewahrt werden können (zur Abwägung s. BURHOFF, EV, Rn 4794<br />
m.w.N.). Insoweit wird von Bedeutung sein, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung „das nach<br />
Berichten der Praxis feststellbare Vollzugsdefizit der bisher als Sollvorschrift ausgestalteten Regelung in diesen<br />
Fällen“ (dazu BT-Drucks 19/14747, S. 25) beheben und mit der Änderung sicherstellen wollte, dass von<br />
der Bild-Ton-Aufzeichnung bei der Ermittlung von Sexualstraftaten umfassend Gebrauch gemacht<br />
wird (BT-Drucks 19/14747, a.a.O.). Mit der Ausgestaltung der Norm als Mussvorschrift soll dieses Ziel<br />
erreicht werden.<br />
172 <strong>ZAP</strong> Nr. 3 5.2.<strong>2020</strong>