ZAP-2020-03
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Strafverfahren/Strafvollstreckung/Strafvollzug Fach 22, Seite 1001<br />
Modernisierung des Strafverfahrens<br />
Hinweis:<br />
Stellt sich erst während einer Vernehmung heraus, dass ein vorsätzliches Tötungsdelikt aus dem o.g.<br />
Katalog in Betracht kommen könnte, muss unverzüglich zu einer „Aufzeichnungsvernehmung“ übergegangen<br />
werden (MEYER-GOßNER/SCHMITT, a.a.O., § 136 Rn 19c m.w.N.).<br />
d) Schutzwürdiges Interesse des Beschuldigten (§ 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO)<br />
§ 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO regelt ebenfalls einen Fall der obligatorischen Bild-Ton-Aufzeichnung der<br />
Beschuldigtenvernehmung. Angeknüpft wird an die „schutzwürdigen Interessen“ des Beschuldigten. Es<br />
muss nach dem Wortlaut keine besondere Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten die audiovisuelle<br />
Aufzeichnung der Vernehmung gebieten (s. aber BT-Drucks 18/11277, S. 27).<br />
Die Nr. 2 nennt dann zwei Fälle, in denen von „schutzwürdigen Interessen“ des Beschuldigten auszugehen<br />
ist:<br />
• Beschuldigter unter 18 Jahren,<br />
• Beschuldigter mit eingeschränkten geistigen Fähigkeiten (wegen der Einzelheiten BURHOFF, EV,<br />
Rn 3493 ff.).<br />
§ 136 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 StPO setzt für die Aufzeichnungspflicht weiter voraus, dass die schutzwürdigen<br />
Interessen des Beschuldigten durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden. Daran kann es im Einzelfall<br />
– auch bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen – fehlen. Als Beispiel nennt die Gesetzesbegründung<br />
(vgl. BT-Drucks 18/11277, S. 28) den Fall, dass der Beschuldigte ersichtlich gehemmt ist, vor der Kamera zu<br />
sprechen.<br />
3. Verfahren<br />
a) Verwendungsbeschränkungen/Akteneinsicht<br />
Nach § 136 Abs. 4 S. 3 StPO gilt § 58a Abs. 2 StPO. Damit sind die für „die bisherigen Aufzeichnungsfälle<br />
bei Zeugenvernehmungen entwickelten Schutzmechanismen“ (BT-Drucks 18, 11277, S. 28) auf die<br />
Aufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen übertragen worden.<br />
Im Übrigen gilt:<br />
• Verwendungsbeschränkungen: Die Verwendung der Bild-Ton-Aufzeichnung ist nur für Zwecke der<br />
Strafverfolgung und nur insoweit zulässig, als dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist (§ 58a<br />
Abs. 2 S. 1 StPO; vgl. dazu BURHOFF, EV, Rn 4813 m.w.N.).Die Aufzeichnung ist unverzüglich zu löschen,<br />
soweit sie für diese Zwecke nicht mehr benötigt wird (§ 58a Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 101 Abs. 8 StPO).<br />
• Akteneinsicht: Nach § 58a Abs. 2 StPO i.V.m. § 147 StPO besteht ein Akteneinsichtsrecht des<br />
Verteidigers. Es handelt sich nicht um Beweisstücke, für die § 147 Abs. 4 StPO gelten würde, sondern um<br />
Ergänzungen der Vernehmungsprotokolle (vgl. BT-Drucks 18/11277, S. 26), die somit Gegenstand der<br />
Sachakten sind und dem Akteneinsichtsrecht des Verteidigers unterliegen (vgl. für die Aufzeichnungen<br />
von audiovisuellen Zeugenvernehmungen BURHOFF, EV, Rn 4209; MEYER-GOßNER/SCHMITT, a.a.O., § 58a<br />
Rn 12 f.). Es müssen ggf. amtliche Kopien gefertigt werden (vgl. § 58a Abs. 2 S. 3 StPO). Wegen der<br />
Durchführung der Akteneinsicht wird verwiesen auf BURHOFF, EV, Rn 4210 ff.). Nach § 58a Abs. 2 StPO<br />
i.V.m. § 406e StPO haben auch der Nebenklägervertreter und/oder der Verletztenbeistand grds. ein<br />
Akteneinsichtsrecht. Dies unterliegt ggf. Beschränkungen (vgl. dazu BURHOFF, EV, Rn 330 ff.).<br />
Hinweis:<br />
Die Überlassung der Aufzeichnung oder die Herausgabe von Kopien an andere Stellen bedarf nach § 58a<br />
Abs. 2 S. 6 StPO der Einwilligung des Beschuldigten.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. 3 5.2.<strong>2020</strong> 169