ZAP-2020-03
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Sozialrecht Fach 18, Seite 1713<br />
Beschäftigung schwerbehinderter Menschen<br />
Kleinunternehmen mit bis zu 15 Beschäftigten besteht und zeitlich bereits auch in den ersten 6 Monaten<br />
des Arbeitsverhältnisses Anwendung findet. Es muss allerdings ein kausaler Zusammenhang zwischen<br />
dem Verlangen auf Arbeitszeitverkürzung und der Art und Schwere der Behinderung gegeben sein. In<br />
Zweifelsfällen kann der Arbeitgeber bestreiten, dass ein kausaler Zusammenhang besteht. Es liegt dann<br />
am schwerbehinderten Menschen, den kausalen Zusammenhang zwischen Verlangen nach Arbeitszeitverkürzung<br />
und seiner Behinderung darzulegen und zu beweisen.<br />
Weiter hat der Arbeitgeber darauf zu achten, dass er den Teilzeitanspruch eines schwerbehinderten<br />
Menschen nicht aus betrieblichen Gründen i.S.d. § 8 TzBfG ablehnen kann, sondern nur, soweit die<br />
Teilzeitbeschäftigung für ihn unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Aufwand i.S.d. § 164 Abs. 4 S. 3<br />
SGB IX verbunden ist.<br />
Sofern die genannten Voraussetzungen vorliegen, entsteht der Anspruch auf Teilzeit unmittelbar<br />
und mit sofortiger Wirkung; einer Vertragsänderung bedarf es nicht (vgl. BAG, Urt. v. 14.10.20<strong>03</strong> –<br />
9 AZR 100/<strong>03</strong>, BAGE 108,77). Es ist allerdings empfehlenswert, diese im Hinblick auf die Anforderungen<br />
des § 3 NachwG zu dokumentieren.<br />
5. Unzumutbarkeit und Abwägung<br />
Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, den Ansprüchen des schwerbehinderten Menschen entgegen zu<br />
halten, dass diese für ihn unzumutbar sind oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden<br />
wären bzw. staatliche oder berufsgenossenschaftliche Arbeitsschutzvorschriften dem entgegenstehen,<br />
§ 164 Abs. 4 S. 3 SGB IX. Es sind also die Interessen des schwerbehinderten Menschen auf<br />
behinderungsgerechte Beschäftigung mit denen des Arbeitgebers sorgsam abzuwägen (vgl. DÜWELL in<br />
LPK-SGB IX zu § 164 Rn 205; FABRICIUS juris-PK SGB IX zu § 164 Rn 76). Den Arbeitgeber trifft hier eine<br />
hohe Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG, Urt. v. 14.3.2006 – 9 AZR 411/05), weil andernfalls Sinn<br />
und Zweck des Gesetzes, insb. die der Beschäftigungsförderung und Beschäftigungssicherung nicht<br />
erreicht werden könnten.<br />
Es ist also nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber pauschal einwendet, er habe alle Möglichkeiten<br />
geprüft und die Schaffung bzw. Einrichtung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes sei ihm daher<br />
unzumutbar. Es sind immer konkret die Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Er hat konkret darzulegen,<br />
welche Möglichkeiten zur Schaffung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes er in Betracht gezogen<br />
hat, und aus welchem Grund er diese nicht realisieren wird.<br />
Der Arbeitgeber hat in seine Erwägungen einzubeziehen, dass es die Möglichkeit gibt, finanzielle<br />
Zuschüsse des Integrationsamts (z.B. den Beschäftigungssicherungszuschuss nach § 185 Abs. 3 Nr. 2<br />
SGB IX, früher Minderleistungsausgleich genannt, oder Zuschüsse zur behinderungsgerechten Einrichtung<br />
von Arbeitsplätzen) und der BA für Arbeit zu erhalten. Nimmt der Arbeitgeber solche<br />
finanziellen Leistungen, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Anspruch, kann er sich nicht auf<br />
die Unzumutbarkeit berufen (vgl. DÜWELL in LPK-SGB IX zu § 164 Rn 204).<br />
Wendet der Arbeitgeber die Unzumutbarkeit einer Umorganisation ein, dann hat er konkret darzulegen,<br />
ob und in welcher Form andere Arbeitsplätze gefährdet sind bzw. für andere Arbeitnehmer Nachteile<br />
drohen.<br />
Wird erst durch bestimmte Maßnahmen des Arbeitgebers ein arbeitsschutzrechtskonformer Zustand<br />
hergestellt, kann der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen, dass eine behinderungsgerechte Beschäftigung<br />
für ihn unzumutbar oder unverhältnismäßig wäre. Die Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher<br />
Vorschriften ist für den Arbeitgeber zwingend und Ausdruck der allgemeinen Fürsorgepflicht.<br />
6. Rechtsfolgen bei Verstößen<br />
Die Verletzung der Beschäftigungspflicht durch den Arbeitgeber kann unterschiedliche Sanktionen nach<br />
sich ziehen. Zum einen sind dies die Bußgeldvorschriften nach § 238 Abs. 1 SGB IX. Dies betrifft insb. die<br />
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