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ZAP-2020-03

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Sozialrecht Fach 18, Seite 1711<br />

Beschäftigung schwerbehinderter Menschen<br />

Nach der Erörterung hat der Arbeitgeber dann alle Beteiligten über die Entscheidung zu unterrichten.<br />

Streitig ist dabei, in welcher Form dies zu geschehen hat. In der Literatur wird die Auffassung vertreten,<br />

dass dies in Schriftform zu erfolgen hat. Zur Begründung wird angeführt, dass diese die gerichtliche<br />

Überprüfung erleichtert und ein Nachschieben von weiteren Gründen dem Arbeitgeber verwehrt<br />

würde. Die Rechtsprechung ist dieser Auffassung nicht gefolgt. Der Arbeitgeber hat die freie Wahl,<br />

welche Art der Unterrichtung er wählen will (vgl. BAG, Urt. v. 18.11.2008 – 9 AZR 643/07, NZA 2009,<br />

728 ff., DÜWELL LPK-SGB IX zu § 164 Rn 107 und 50).<br />

2. Benachteiligungsverbot, § 164 Abs. 2 SGB IX<br />

Arbeitgeber sind verpflichtet, schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung zu<br />

benachteiligen. Hinsichtlich der Details enthält Satz 2 eine Verweisung auf das AGG, insb. die §§ 1, 2, 7<br />

und 15 AGG. Wie bereits dargelegt, ist vom weiten europarechtlichen Behindertenbegriff i.S.d.<br />

EU-Richtlinie 2000/78/EG auszugehen. Adressat ist in erster Linie der Arbeitgeber, das Benachteiligungsverbot<br />

bindet jedoch auch die Vertrags- und Tarifparteien.<br />

Der Umfang des Benachteiligungsverbots erstreckt sich dabei vom Einstellungsverfahren (Zugang<br />

zu Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG), über die Beschäftigungsbedingungen im laufenden<br />

Beschäftigungsverhältnis sowie den beruflichen Aufstieg (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AGG) und bis hin zum<br />

Sozialschutz bei Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen.<br />

Zu beachten ist der weite Beschäftigungsbegriff des § 6 Abs. 1 S. 2 AGG, der auch diejenigen<br />

schwerbehinderten Menschen umfasst, die sich erst um eine Arbeitsstelle bewerben. Auch solche<br />

Personen genießen damit den Schutz nach § 164 Abs. 2 SGB IX (vgl. BAG, Urt. v. 19.8.2010 – 8 AZR 370/09,<br />

NZA 2011, 200). Das BAG hat entschieden, dass schon die Nichteinbeziehung in die Auswahl zur Einstellung<br />

eine Verletzung des Benachteiligungsverbots darstellt, denn in diesem Nachteil liegt die Versagung einer<br />

Chance (vgl. BAG, Urt. v. 17.8.2010 – 9 AZR 839/08, NZA 2011, 153).<br />

Aber allein aus der Nichterfüllung der Pflichtquote kann allerdings nicht schon per se eine Verletzung<br />

des Benachteiligungsverbots begründet werden.<br />

Es entspricht der herrschenden Meinung, dass die Frage nach einer Schwerbehinderung oder einer<br />

Gleichstellung im Einstellungsverfahren oder Personalfragebogen unzulässig ist. Hieraus folgt, dass<br />

ein schwerbehinderter Bewerber diesbezüglich ein Recht zur Lüge hat. In engen Grenzen ist es dem<br />

Arbeitgeber aber erlaubt, danach zu fragen, ob der Bewerber die konkreten Leistungsanforderungen<br />

erbringen kann. Das Risiko für den Arbeitgeber, wenn dieser sich im Bewerbungsgespräch nach<br />

bestimmten Erkrankungen erkundigt, die Rückschlüsse auf eine Behinderung ermöglichen, ist sehr<br />

hoch mit der Folge, dass der Arbeitgeber zu Entschädigungszahlungen an den Bewerber verurteilt<br />

werden kann.<br />

Auch Fragen bzw. Angaben in der Stellenausschreibung zur Flexibilität und Belastbarkeit eines<br />

Bewerbers beinhalten ein hohes Risiko der Benachteiligung eines schwerbehinderten Menschen. Die<br />

Rechtsprechung stellt hierbei auf die Umstände des Einzelfalls ab, sodass es in solchen Fällen auf eine<br />

besonders sorgfältige Dokumentation sowie Recherche des Sachverhalts ankommt.<br />

Ein Arbeitgeber sollte auch darauf achten, dass einzelne Formulierungen im Arbeitsvertrag nicht<br />

gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. So kann eine Klausel, wonach der Mitarbeiter erklärt,<br />

dass er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes<br />

nicht unterliegt, einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründen (vgl. LAG Hamburg, Urt.<br />

v. 30.11.2017 – 7 Sa 90/17).<br />

Im laufenden Beschäftigungsverhältnis wird das Benachteiligungsverbot gem. § 164 Abs. 2 SGB IX<br />

durch den Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 164 Abs. 4 und 5 SGB IX<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 3 5.2.<strong>2020</strong> 155

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