ZAP-2020-03
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Fach 4, Seite 1860<br />
Mietvertrag: Kündigung – Formalien<br />
Miete/Nutzungen<br />
Lauf der Dinge mit der Kenntnisnahme gerechnet werden muss. Problematisch ist hier die Beweislast<br />
bezüglich des Zugangs. Während das LG Berlin (GE 2001, 770) ein einfaches Bestreiten des Zugangs<br />
bei einem Einwurfeinschreiben nicht als zulässig erachtet, ist die wohl überwiegende Auffassung<br />
in Literatur und Rechtsprechung anderer Auffassung. Erörtert wird nur, ob der Erklärende mittels<br />
Einwurf-Einschreiben den Zugang und inbs. den Zeitpunkt kraft Anscheinsbeweises nachweisen<br />
kann. Dies würde voraussetzen, dass die von der Post herausgegebenen Belege Urkundsqualität<br />
haben. Gegen Gebühr erhält der Absender nämlich nur einen Datenauszug. Dies ist eine technische<br />
Aufzeichnung und keine Urkunde (HOSENFELD NZM 2002, 93, 95 m.w.N.). Das LG Potsdam (NJW 2000,<br />
3722; dazu REICHERT NJW 2001, 2523) lehnt deshalb auch einen Anscheinsbeweis ab.<br />
• Bei Übergabe-Einschreiben muss der Mieter die Übergabe selbst quittieren. Wird er nicht angetroffen,<br />
wird eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten geworfen. In diesem Fall ist durch den<br />
Einwurf des Benachrichtigungsscheins das Schreiben noch nicht zugegangen (BGH VersR 1971, 262;<br />
BAG NJW 1986, 1374; LG Göttingen WuM 1989, 183; LG Berlin MM 1988, Nr. 1, 25; Palandt/HEINRICHS,<br />
BGB, § 130 Rn 7 m.w.N.; DÜBBERS NJW 1997, 25<strong>03</strong> f.). Dieser Benachrichtigungsschein unterrichtet den<br />
Empfänger nur darüber, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereit liegt.<br />
Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefs und lässt den Empfänger im<br />
Ungewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat (BGH NJW<br />
1998, 976 m. Anm. SINGER LM § 130 Nr. 27). Ob das Einschreiben mit oder ohne Rückschein versandt<br />
wurde, ist für den Zugang unerheblich und kann allenfalls den Beweis des Zugangs erleichtern.<br />
Das bedeutet aber nicht, dass grds. im Fall der Abwesenheit des Empfängers und der dadurch bedingten<br />
Nichtzustellbarkeit von Übergabe-Einschreibesendungen ein wirksamer Zugang i.S.v. § 130 BGB<br />
ausgeschlossen ist (a.A. LG Freiburg NZM 2004, 617: Zugang wird fingiert zu dem Zeitpunkt, zu dem<br />
unter normalen Bedingungen mit der Abholung zu rechnen war). Musste der Mieter oder Vermieter mit<br />
dem Zugang einer Kündigung rechnen, muss er durch geeignete Vorkehrungen sicherstellen, dass ihn<br />
die zu erwartenden Erklärungen auch erreichen; andernfalls muss er sich gem. § 242 BGB so behandeln<br />
lassen, als ob ihm die Kündigungserklärung zugegangen wäre (OLG Düsseldorf WuM 2004, 270;<br />
LG Berlin NJW-RR 1994, 850). Das bedeutet u.U., dass der Mieter dem Vermieter eine defekte<br />
Hausbriefkastenanlage anzeigen muss, andernfalls wird er so behandelt, als ob ihm eine Nachricht<br />
zugegangen ist, auch wenn sie nach Einwurf in den Briefkasten abhandengekommen ist (LG Berlin GE<br />
1994, 1383). Wer aufgrund der vertraglichen Beziehungen konkret mit dem Zugang einer Willenserklärung<br />
rechnen muss, hat auch bei Urlaubsabwesenheit dafür Sorge zu tragen, dass ihn Erklärungen<br />
erreichen (AG Rendsburg WuM 2001, 240; LG Saarbrücken WuM 1993, 339). Die Rechtsprechung<br />
verlangt aber zusätzlich, dass der Absender der Erklärung i.d.R. nach Kenntnis von dem nicht erfolgten<br />
Zugang unverzüglich einen neuen Versuch unternimmt, seine Erklärung derart in den Machtbereich des<br />
Empfängers zu bringen, dass diesem ohne Weiteres eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist (BGH<br />
NJW 1952, 1169; VersR 1971, 262 f.; BAG NJW 1987, 1508). Ein wiederholter Zustellungsversuch des<br />
Erklärenden ist allerdings dann nicht mehr sinnvoll und deshalb entbehrlich, wenn der Empfänger die<br />
Annahme einer an ihn gerichteten schriftlichen Mitteilung grundlos verweigert, obwohl er mit dem<br />
Eingang rechtserheblicher Mitteilungen seines Vertrags- oder Verhandlungspartners rechnen muss<br />
(BGH NJW 1998, 976, 977 m. Anm. SINGER LM § 130 Nr. 27; BGH NJW 1983, 929 f.). Gleiches gilt, wenn der<br />
Adressat den Zugang arglistig vereitelt.<br />
c) Zustellung durch Gerichtsvollzieher<br />
Gemäß § 132 Abs. 1 BGB gilt eine Kündigung auch dann als zugegangen, wenn sie durch Vermittlung<br />
eines Gerichtsvollziehers zugestellt wurde. Dabei kann der Erklärende gem. §§ 166 ff. ZPO jeden<br />
Gerichtsvollzieher beauftragen, es kommt also nicht nur der Gerichtsvollzieher in Betracht, in dessen<br />
Bezirk der Empfänger wohnt. Die Zustellung erfolgt nach den Vorschriften der ZPO, i.d.R. gem. § 193 ZPO<br />
durch die Post. Zustellung bedeutet dabei nach der Legaldefinition des § 166 ZPO die Bekanntgabe eines<br />
Schriftstückes an den Adressaten, die in einer besonderen gesetzlichen Form bewirkt wird. Die<br />
Beurkundung der Zustellung ist nach neuem Recht keine Wirksamkeitsvoraussetzung mehr, sondern<br />
dient nur noch dem Nachweis der erfolgten Zustellung. Die Zustellung auf Betreiben einer Partei ist<br />
jetzt geregelt im Untertitel: „Zustellungen auf Betreiben einer Partei“. Auf die Zustellung auf Betreiben<br />
144 <strong>ZAP</strong> Nr. 3 5.2.<strong>2020</strong>