ZAP-2020-03

DeutscherAnwaltverlag
von DeutscherAnwaltverlag Mehr von diesem Publisher
31.01.2020 Aufrufe

Fach 4, Seite 1852 Mietvertrag: Kündigung – Formalien Miete/Nutzungen In den neuen Bundesländern ist weiterhin § 100 Abs. 3 ZGB zu beachten (QUARCH WuM 1993, 224; MITTAG WuM 1993, 169). Nach dieser Vorschrift wurde der Ehepartner des Mieters ebenfalls Mietvertragspartei, auch wenn er den Mietvertrag nicht unterschrieben hat oder wenn er erst später eingezogen ist (LG Cottbus NJW-RR 1995, 524). Die Vorschrift gilt noch immer für alle Mietverhältnisse, die vor dem 3.10.1990 begründet wurden, fort. Das gilt selbst dann, wenn ein Mietverhältnis vor dem 2.10.1990 schlüssig abgeschlossen, aber erst nach dem 3.10.1990 schriftlich fixiert wurde (AG Frankfurt/O. WuM 1996, 265). Möglich ist aber, dass ein Ehegatte später ausdrücklich oder konkludent aus dem Mietvertrag wieder ausgeschieden ist. Außerdem kann es gegen das Schikaneverbot oder gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der in der Wohnung verbliebene Mieter sich auf den formalen Mangel der nicht ausreichenden Adressierung der Kündigungserklärung beruft. Das AG Schöneberg und das LG Berlin (MM 1999, 122) haben in einem Fall, in dem die Ehefrau vor 13 Jahren aus der Wohnung ausgezogen ist, der in der Wohnung verbliebene Ehemann im Scheidungsverfahren dem Auszug seiner Frau zugestimmt hat und in dem der Vermieter, nachdem er hiervon Kenntnis hatte, alle Willenserklärungen nur noch an den Ehemann gerichtet hatte, den Abschluss eines konkludenten Mietaufhebungsvertrags angenommen. Das LG Duisburg (NZM 1998, 73) hat die Klage des Vermieters gegen einen von zwei Mietern abgewiesen, der, ohne dass das Mietverhältnis gekündigt worden war, aus der Wohnung ausgezogen war. Es hat seine Entscheidung gestützt auf die Rechtsprechung des BGH zur Haftung eines aus der Personengesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gem. § 736 Abs. 2 BGB und hat diese Grundsätze auf das Mietrecht übertragen. Dieser Auffassung sind das OLG Düsseldorf (NZM 1999, 558), das LG Berlin (GE 2001, 205; NZM 1999, 758) und das AG Dortmund (NZM 2001, 94) entgegengetreten. In der Literatur ist die Entscheidung des LG Duisburg von SONNENSCHEIN (NZM 1999, 977) und KLINKHAMMER (NZM 1998, 744; FamRZ 1999, 262) abgelehnt worden. Solange die Parteien mietvertraglich in diesen Fällen eine wechselseitige Empfangsvollmacht vereinbart haben, kann der Vermieter auch die für den unbekannt verzogenen Mieter bestimmte Willenserklärung an den in der Wohnung verbliebenen Mieter als Empfangsbevollmächtigten richten. Liegt keine Empfangsvollmacht vor oder hat der Mitmieter diese nach Auszug widerrufen, dann kann nur nach § 242 BGB im Einzelfall die Notwendigkeit entfallen, die Kündigung auch an den ausgezogenen Mitmieter zu adressieren. In Ausnahmefällen wurde angenommen, dass ein Mitmieter aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben die allein ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung gegen sich gelten lassen muss. Dies wurde z.B. angenommen, wenn: • der andere Mieter die Wohnung verlassen hat, keine neue Anschrift angegeben hat und für den Vermieter nicht mehr erreichbar ist (LG Limburg WuM 1993, 47); • bei Eheleuten als Mietern die Kündigung nur dem in der Mietwohnung verbliebenen Mitmieter gegenüber erklärt worden und diesem zugegangen ist (OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 459 = WuM 1991, 76 = ZMR 1991, 103). Dementsprechend hat das LG Frankfurt (WuM 1992, 129) eine Ausnahme zugelassen, wenn einer der Mieter die Wohnung bereits seit zehn Jahren nicht mehr benutzt. • Auch nach Ansicht des BGH (NJW 2005, 1715 = NZM 2005, 452) kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der in der Wohnung verbliebene Mieter sich darauf beruft, dass der ausgezogene Mieter in der Vergangenheit gar nicht hätte einseitig und allein kündigen dürfen. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter den ausgezogenen Mieter formal fehlerhaft einseitig aus dem Mietvertrag entlassen hat (BGH NJW 2004, 1797 = NZM 2004, 419). Soweit eine Kündigung an mehrere Personen zu richten ist, ist es erforderlich, dass zwischen diesen verschiedenen Erklärungen auch ein gewisser zeitlicher Zusammenhang besteht, also nicht die Kündigung eines Mitmieters erst später im Prozess nachgeholt wird (OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 1369; LG Cottbus NJW-RR 1995, 524). 136 ZAP Nr. 3 5.2.2020

Miete/Nutzungen Fach 4, Seite 1853 Mietvertrag: Kündigung – Formalien Praxistipp: Da es regelmäßig unschädlich ist, einer Person zuviel zu kündigen, sollte in Zweifelsfällen die Kündigungserklärung an alle in Betracht kommenden Personen adressiert werden. Dies ist i.d.R. weniger risikoreich, als eine Person zu vergessen. Nach dem Tod eines Mieters (hierzu: BUTENBERG ZMR 2015, 189; HORST DWW 2013, 362; STERNEL ZMR 2004, 713) müssen die verschiedenen Fallkonstellationen auseinandergehalten werden: • Hat nur eine Person den Mietvertrag auf Mieterseite abgeschlossen, bildet sie aber mit anderen Personen einen gemeinsamen Haushalt, so richten sich die Rechtsfolgen nach § 563 BGB: • Lebt der Ehepartner oder Lebenspartner nach dem LPartG des verstorbenen Mieters mit in der Wohnung, tritt dieser in den Mietvertrag ein und verdrängt auch alle anderen Personen als Mieter, die ggf. noch im Haushalt wohnen. • Andere Personen wie Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern, aber auch Freund und Freundin werden alle zusammen Mieter, wenn sie mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Haushalt gebildet haben und wenn kein Ehepartner oder Lebenspartner in der Wohnung wohnt. • Haben mehrere Personen den Mietvertrag auf Mieterseite abgeschlossen, dann richten sich die Rechtsfolgen nach § 563a BGB. Unabhängig von der Frage, wer Erbe des verstorbenen Mieters ist, wird das Mietverhältnis mit dem oder den überlebenden Mietern fortgesetzt, egal wo diese wohnen, also ob sie mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Haushalt geführt haben oder nicht. Die Haftung für Mietschulden richtet sich im Innenverhältnis zum Erben nach § 563b BGB. • Hat der verstorbene (Einzel-)Mieter allein in der Wohnung gelebt, so tritt der Erbe oder treten die Erben an seine Stelle. Sie können jedoch das Mietverhältnis erleichtert nach § 564 S. 2 BGB mit der Frist des § 573d BGB kündigen. Zur Haftung für Verbindlichkeiten und den Möglichkeiten der Beschränkung BGH (DWW 2019, 329). b) Kündigungsadressat Die Kündigung ist an alle Personen zu richten, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung – noch – Mieter sind. Die Bezeichnung „Familie“ mit dem nachfolgenden Namen eines von zwei Mietern, die miteinander verheiratet sind und die Wohnung gemeinsam gemietet haben, macht nicht hinreichend deutlich, dass in dem Kündigungsschreiben mehrere selbstständige Willenserklärungen zusammengefasst sind, die gleichzeitig an beide Mieter gerichtet werden sollen. Eine solche Kündigung ist unwirksam (AG Greifswald WuM 1994, 268; AG Neukölln MM 1993, 219). Wenn in der Adressatenangabe im Anschriftenfeld zwar nur der Vorname des Ehemanns genannt wird, die Anrede aber mit „Herrn und Frau“ beginnt, soll die Erklärung aber wirksam sein (AG Hamburg WuM 1999, 484). Die formelhafte alternative Adressierung „Herr/Frau X“ ist demgegenüber unwirksam (BVerfG WuM 1992, 685). Zulässig ist bei Personenmehrheiten auf Mieterseite die wechselseitige Bevollmächtigung. Individualvertraglich stellt sie kein Problem dar. Problematisch können formularvertragliche Vollmachtsklauseln sein. Sie sind immer dann bedeutsam, wenn auf einer Vertragsseite mehrere Personen vorhanden sind. In diesem Fall müssen Willenserklärungen gegenüber allen Vertragspartnern erklärt werden und allen Vertragspartnern zugehen (MILGER MDR 2015, 256, 258). Man muss bei solchen Klauseln unterscheiden zwischen solchen, die den Empfang einer Willenserklärung, wie z.B. einer Kündigung betreffen und solchen, die die Abgabe einer solchen Erklärung betreffen. Empfangsvollmachten in Wohnraummietverträgen sind grds. möglich. Sie verstoßen nicht gegen ein gesetzliches Verbot und stellen regelmäßig auch keine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar. Der BGH (BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437) hat schon 1997 in einem Rechtsentscheid entschieden, dass die gegenseitige Bevollmächtigung der Mieter zur Entgegennahme von Erklärungen durch die in einem formularmäßigen Wohnraummietvertrag enthaltene Klausel: „Erklärungen, deren Wirkung die Mieter berührt, müssen von oder gegenüber allen Mietern abgegeben werden. Die Mieter bevollmächtigen sich ZAP Nr. 3 5.2.2020 137

Fach 4, Seite 1852<br />

Mietvertrag: Kündigung – Formalien<br />

Miete/Nutzungen<br />

In den neuen Bundesländern ist weiterhin § 100 Abs. 3 ZGB zu beachten (QUARCH WuM 1993, 224; MITTAG<br />

WuM 1993, 169). Nach dieser Vorschrift wurde der Ehepartner des Mieters ebenfalls Mietvertragspartei,<br />

auch wenn er den Mietvertrag nicht unterschrieben hat oder wenn er erst später eingezogen ist (LG<br />

Cottbus NJW-RR 1995, 524). Die Vorschrift gilt noch immer für alle Mietverhältnisse, die vor dem<br />

3.10.1990 begründet wurden, fort. Das gilt selbst dann, wenn ein Mietverhältnis vor dem 2.10.1990<br />

schlüssig abgeschlossen, aber erst nach dem 3.10.1990 schriftlich fixiert wurde (AG Frankfurt/O. WuM<br />

1996, 265).<br />

Möglich ist aber, dass ein Ehegatte später ausdrücklich oder konkludent aus dem Mietvertrag wieder<br />

ausgeschieden ist. Außerdem kann es gegen das Schikaneverbot oder gegen Treu und Glauben<br />

verstoßen, wenn der in der Wohnung verbliebene Mieter sich auf den formalen Mangel der nicht<br />

ausreichenden Adressierung der Kündigungserklärung beruft.<br />

Das AG Schöneberg und das LG Berlin (MM 1999, 122) haben in einem Fall, in dem die Ehefrau vor<br />

13 Jahren aus der Wohnung ausgezogen ist, der in der Wohnung verbliebene Ehemann im Scheidungsverfahren<br />

dem Auszug seiner Frau zugestimmt hat und in dem der Vermieter, nachdem er hiervon<br />

Kenntnis hatte, alle Willenserklärungen nur noch an den Ehemann gerichtet hatte, den Abschluss eines<br />

konkludenten Mietaufhebungsvertrags angenommen. Das LG Duisburg (NZM 1998, 73) hat die<br />

Klage des Vermieters gegen einen von zwei Mietern abgewiesen, der, ohne dass das Mietverhältnis<br />

gekündigt worden war, aus der Wohnung ausgezogen war. Es hat seine Entscheidung gestützt auf die<br />

Rechtsprechung des BGH zur Haftung eines aus der Personengesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters<br />

für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gem. § 736 Abs. 2 BGB und hat diese Grundsätze auf das<br />

Mietrecht übertragen. Dieser Auffassung sind das OLG Düsseldorf (NZM 1999, 558), das LG Berlin (GE<br />

2001, 205; NZM 1999, 758) und das AG Dortmund (NZM 2001, 94) entgegengetreten. In der Literatur ist<br />

die Entscheidung des LG Duisburg von SONNENSCHEIN (NZM 1999, 977) und KLINKHAMMER (NZM 1998, 744;<br />

FamRZ 1999, 262) abgelehnt worden. Solange die Parteien mietvertraglich in diesen Fällen eine<br />

wechselseitige Empfangsvollmacht vereinbart haben, kann der Vermieter auch die für den unbekannt<br />

verzogenen Mieter bestimmte Willenserklärung an den in der Wohnung verbliebenen Mieter als<br />

Empfangsbevollmächtigten richten. Liegt keine Empfangsvollmacht vor oder hat der Mitmieter diese<br />

nach Auszug widerrufen, dann kann nur nach § 242 BGB im Einzelfall die Notwendigkeit entfallen, die<br />

Kündigung auch an den ausgezogenen Mitmieter zu adressieren.<br />

In Ausnahmefällen wurde angenommen, dass ein Mitmieter aus dem Gesichtspunkt von Treu und<br />

Glauben die allein ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung gegen sich gelten lassen muss. Dies<br />

wurde z.B. angenommen, wenn:<br />

• der andere Mieter die Wohnung verlassen hat, keine neue Anschrift angegeben hat und für den<br />

Vermieter nicht mehr erreichbar ist (LG Limburg WuM 1993, 47);<br />

• bei Eheleuten als Mietern die Kündigung nur dem in der Mietwohnung verbliebenen Mitmieter<br />

gegenüber erklärt worden und diesem zugegangen ist (OLG Frankfurt NJW-RR 1991, 459 = WuM<br />

1991, 76 = ZMR 1991, 1<strong>03</strong>). Dementsprechend hat das LG Frankfurt (WuM 1992, 129) eine Ausnahme<br />

zugelassen, wenn einer der Mieter die Wohnung bereits seit zehn Jahren nicht mehr benutzt.<br />

• Auch nach Ansicht des BGH (NJW 2005, 1715 = NZM 2005, 452) kann es gegen Treu und Glauben<br />

verstoßen, wenn der in der Wohnung verbliebene Mieter sich darauf beruft, dass der ausgezogene<br />

Mieter in der Vergangenheit gar nicht hätte einseitig und allein kündigen dürfen. Dies gilt auch dann,<br />

wenn der Vermieter den ausgezogenen Mieter formal fehlerhaft einseitig aus dem Mietvertrag<br />

entlassen hat (BGH NJW 2004, 1797 = NZM 2004, 419).<br />

Soweit eine Kündigung an mehrere Personen zu richten ist, ist es erforderlich, dass zwischen diesen<br />

verschiedenen Erklärungen auch ein gewisser zeitlicher Zusammenhang besteht, also nicht die<br />

Kündigung eines Mitmieters erst später im Prozess nachgeholt wird (OLG Düsseldorf NJW-RR 1987,<br />

1369; LG Cottbus NJW-RR 1995, 524).<br />

136 <strong>ZAP</strong> Nr. 3 5.2.<strong>2020</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!