ZAP-2020-02
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Kolumne<br />
<strong>ZAP</strong><br />
Abs. 2, 282 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen<br />
(u.a. BGH, Beschl. v. 30.3.2006 – VII ZR<br />
139/05, juris). § 132 Abs. 1 S. 1 ZPO berechtigt<br />
das Gericht auch nicht, einen im mündlichen<br />
Verhandlungstermin übergebenen Schriftsatz<br />
nicht entgegenzunehmen (LG Dessau-Roßlau,<br />
Beschl. v. 29.4.2008 – 6 T 121/08, juris).<br />
Es sind aber Sachverhaltsgestaltungen denkbar,<br />
in denen die Parteien ihre Prozessförderungspflicht<br />
durch verspätete Mitteilungen von Angriffs-<br />
und Verteidigungsmitteln verletzen, so<br />
dass u.a. der Gegner ohne vorherige Erkundigung<br />
keine Erklärung abgeben kann (vgl. LG Kassel, Urt.<br />
v. 10.10.2013 – 6 O 892/13, juris). Dies dürfte vor<br />
allem auf hierdurch verursachte Verzögerungen<br />
des Rechtsstreits zutreffen.<br />
Zum Beispiel hatte in einem vom LG Kassel<br />
(a.a.O.) entschiedenen Sachverhalt das Gericht<br />
am 2.7.2013 einen Beweistermin für den 10.10.2013<br />
anberaumt, in dem der klägerseits benannte Zeuge<br />
vernommen werden sollte. Am 4.10.2013 trug<br />
der Kläger schriftsätzlich neuen Sachvortrag vor<br />
und benannte diesbezüglich eine weitere Person<br />
als Zeugen. Der Termin am 10.10.2013 fand statt;<br />
der Kläger brachte die am 4.10.2013 benannte<br />
Person nicht als präsenten Zeugen mit. Den am<br />
4.10.2013 unter Missachtung der Frist des § 132<br />
ZPO erfolgten Vortrag wertete das Gericht als<br />
verspätet, da bei dessen Berücksichtigung ein<br />
weiterer Termin, in dem der weitere Zeuge hätte<br />
gehört werden müssen, hätte anberaumt werden<br />
müssen. Der Rechtsstreit wäre damit verzögert<br />
worden. Der Kläger habe bei seiner Benennung<br />
des Zeugen außerhalb der Wochenfrist auf „eigenes<br />
Risiko“ gehandelt. Das LG Nürnberg-Fürth<br />
(Urt. v. 11.11.2013 – 6 O 2137/13, juris) entschied in<br />
einem ähnlich gelagerten Sachverhalt ebenso.<br />
Auch das OLG Celle (Urt. v. 7.2.20<strong>02</strong> – 11 U<br />
117/01, juris) hat einen zwei Tage vor der mündlichen<br />
Verhandlung vorgetragenen neuen Sachvortrag<br />
als verspätet zurückgewiesen, da bei<br />
dessen Berücksichtigung der anderen Partei die<br />
Vorlage weiterer Dokumente hätte auferlegt<br />
werden müssen (vgl. auch OLG Stuttgart, Urt. v.<br />
2.6.2016 – 2 U 108/15, juris).<br />
Fehlt es aber an Umständen, die eindeutig eine<br />
Verzögerung begründen, kann auf die Vorgaben<br />
des § 137 Abs. 2 ZPO Rückgriff genommen<br />
werden. Hiernach sind die Vorträge der Parteien<br />
in freier Rede zu halten. Eine Bezugnahme auf<br />
Dokumente (z.B. Schriftsätze) ist zulässig, soweit<br />
keine der Parteien widerspricht und das Gericht<br />
sie für angemessen hält (§ 137 Abs. 3 ZPO). Die<br />
bloße Bezugnahme auf einen Schriftsatz, der<br />
wegen Nichteinhaltung der Frist des § 132 Abs. 1<br />
S. 1 ZPO nicht (mehr) als „vorbereitend“ beurteilt<br />
werden kann (PRÜTTING/GEHRLEIN/PRÜTTING, ZPO,<br />
11. Aufl., § 132 Rn 5), scheint nicht „angemessen“<br />
i.S.d. § 137 Abs. 3 ZPO zu sein (ZÖLLER/GREGER, a.a.O.,<br />
§ 132 Rn 4). Hieraus ergibt sich, dass die betroffene<br />
Partei den Inhalt des Schriftsatzes in<br />
der Verhandlung mündlich vortragen muss (so LG<br />
Dessau-Roßlau, Beschl. v. 29.4.2008 – 6 T 121/08,<br />
juris). Ein Verlesen des Schriftsatzes ist unzulässig<br />
(CEPL/VOß/NIELEN, Prozesskomm. zum Gewerbl.<br />
Rechtsschutz, 2. Aufl., § 132 Rn 7).<br />
Gerichte könnten daher bei Nichteinhaltung der<br />
Wochenfrist zwar den Schriftsatz annehmen,<br />
jedoch gleichzeitig die Partei auf das Mündlichkeitsgebot<br />
hinweisen und ihr Gelegenheit zum<br />
mündlichen Vortrag geben. Entsprechender Vortrag<br />
könnte nachfolgend gerichtlich bewertet<br />
werden, z.B. als verspätet i.S.d § 296 ZPO oder<br />
als Anlass für die Gewährung einer Schriftsatzfrist<br />
für den Gegner (§ 283 ZPO). Nimmt die Partei von<br />
einem mündlichen Vortrag Abstand, sollte der<br />
Inhalt des Schriftsatzes als nicht existent bewertet<br />
werden. Sofern Gerichte von dieser Möglichkeit<br />
Gebrauch machen würden, könnte dies<br />
Parteien veranlassen, neuen Vortrag unter Beachtung<br />
der Wochenfrist einzureichen. Gerichtstermine<br />
wie eingangs geschildert könnten damit<br />
zukünftig vermieden werden.<br />
Rechtsanwalt GUIDO VIERKÖTTER, LL.M. (Gewerblicher<br />
Rechtsschutz), Neunkirchen-Seelscheid<br />
66 <strong>ZAP</strong> Nr. 2 22.1.<strong>2<strong>02</strong>0</strong>