Ordner Klima schützen

Der Ordner „Klima schützen“ beinhaltet viele Informationen zur Konzeption von Workshops und zeigt, wie junge Menschen für ein klimafreundliches Leben begeistert werden können. Der Ordner „Klima schützen“ beinhaltet viele Informationen zur Konzeption von Workshops und zeigt, wie junge Menschen für ein klimafreundliches Leben begeistert werden können.

Naturfreundejugend
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07.01.2020 Aufrufe

WARUM (ANDERE WOLLEN, DASS) WIR IMMER MEHR WOLLEN Um die vorherrschenden Produktions- und Konsummuster besser zu verstehen, lohnt sich eine nähere Betrachtung unseres auf Wachstum gepolten Wirtschaftssystems: Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) mündet in einem Wachstumszwang, der durch einen steten Wachstumsdrang ergänzt wird. Wachstumszwang bedeutet, dass die Alternative zu Wachstum Schrumpfung ist. Das BIP ist der Wert aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einem Jahr hergestellt und verkauft wurden. Die modernen Volkswirtschaften haben sich seit Jahrzehnten einer ständigen Wachstumsspirale (gemessen am BIP) verschrieben. So bleibt ihnen in Beibehaltung des propagierten Wachstumsglaubens nichts Anderes übrig, als den geforderten höheren Absatz an Waren und Dienstleistungen mit immer neuen technischen Errungenschaften, Kostensenkungen, schnelleren Innovationszyklen und kurzlebigeren Produkten (Stichwort geplante Obsoleszenz) zu befriedigen. Denn nur wenn das stetige und angemessene Wirtschaftswachstum weitergeht, kann nach dieser Philosophie auch das gewünschte hohe Niveau an Beschäftigten, stabilen Preisen sowie eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz fortgeführt und somit der gewohnte Lebensstandard beibehalten werden. In dieser Argumentation wird aber nicht beachtet, dass das BIP, mit dem Wachstum gemeinhin gemessen wird, kein Indikator dafür ist, ob etwas den Menschen nutzt und deren Lebensqualität steigert: Eine Umweltkatastrophe oder ein Autounfall beispielsweise tragen ebenfalls zur Erhöhung des BIP bei, da Unternehmen mit der Beseitigung der Schäden beauftragt werden. Das heißt, die Wirtschaft und das BIP können auch wachsen, wenn Menschen leiden. Darüber hinaus blendet der Wachstumsglaube aus, dass die Natur und die Ressourcen unseres Planeten endlich sind. Im Gegensatz zum Papier- und Bankgeld, das der Mensch selber herzustellen vermag, ist die Welt – die Natur – dem Menschen vorgegeben und damit begrenzt. Gute Luft, sauberes Wasser, schöne Landschaften, Artenvielfalt und ein menschenverträgliches Klima sind nicht selbstverständlich oder unzerstörbar. Mit der Ausbeutung der Natur schwinden auch unsere Existenzgrundlagen. Dass es so nicht ewig weitergehen kann, scheint hiermit offensichtlich. Warum wollen wir dann trotzdem immer mehr, und was wollen wir eigentlich? Werbung macht uns zum Beispiel vor, dass wir mit dem Erwerb von Dingen Bedürfnisse befriedigen, die materiell nicht befriedigt werden können. Sie macht uns auch vor, dass wir Bedürfnisse haben, von denen wir ohne sie gar nichts wüssten. Werbung und Marketingstrategien setzen bei den urmenschlichen Sehnsüchten nach Liebe, Einzigartigkeit, Freiheit und Selbstverwirklichung sowie sozialer Zugehörigkeit an. Diese sollen durch den Akt des Konsumierens gestillt werden. Mit den meisten Produkten, und besonders Markenprodukten, wird vor allem ein Lebensgefühl verkauft. Durch den Kauf einer Marke wird dem*der Konsument*in eine Aufwertung des eigenen Images vorgegaukelt. 92 KLIMA SCHÜTZEN

UND SONST NOCH? Damit das System noch eine Weile funktionieren kann, müssen beispielsweise Kosten für die Produktion gesenkt werden. Das kann durch die Verlagerung der Produktionsstätte in ein Land erfolgen, in dem menschliche Arbeitskraft weniger wert ist oder es keine hohen Umweltstandards gibt. DEIN T-SHIRT – EIN GLOBETROTTER So kommt es, dass beispielsweise ein T-Shirt, bis es bei uns im Schrank hängt, in der Regel schon viel von der Welt gesehen hat – CO 2 -Emissionen inklusive. Bereits beim Anbau konventioneller Baumwolle kommen Unmengen von Dünger und Pestiziden zum Einsatz. Nach der Ernte hat die Baumwolle eine lange Reise vor sich. An jeweils unterschiedlichen Orten wird sie häufig unter miserablen und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen genäht und gefärbt. Bei jedem einzelnen Produktionsschritt (Anbau, Verarbeitung, Transport) entstehen Treibhausgase. Ein einzelnes 300 Gramm schweres T-Shirt verursacht so etwa sechs bis sieben Kilogramm CO 2 . Diese Berechnungen gehen von einem kombinierten Schifffahrtsund Lufttransport aus und beinhalten noch nicht den Einsatz von Chemikalien im Produktionsprozess und Düngemitteln für den Anbau. Um die gesamte Treibhausgas-Bilanz eines T-Shirts zu ermitteln, müsste jetzt auch noch berechnet werden, wie ein T-Shirt genutzt wird: Wie oft und bei welcher Temperatur wird es gewaschen? Wie wird es letztendlich wieder entsorgt? WAS HEISST DENN WOHLSTAND? ODER: DIE FRAGE NACH DEM GUTEN LEBEN Häufig wird Wohlstand als wirtschaftliche Größe definiert und Wirtschaftswachstum (gemessen an der Steigerung des Pro-Kopf- BIP) gefordert, um den Wohlstand zu erhalten. Wenn die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahren um drei Prozent pro Jahr wachsen soll, müssen die deutschen Unternehmen in 25 Jahren doppelt so viel umsetzen wie heute, d. h. wir müssten doppelt so viele oder so teure Dinge neu kaufen wie heute. Es ist jedoch höchst fraglich, ob gesellschaftlicher Wohlstand, der am BIP gemessen wird, die Lebenszufriedenheit der Menschen abbildet oder gar fördert. Auf der politischen Ebene hat die Europäische Union 2009 vorgeschlagen, das BIP um soziale und ökologische Indikatoren zu ergänzen. Dabei ist neben der Berücksichtigung der Lebensqualität und dem Wohlergehen von einem umfassenden Umweltindex die Rede. Grundlegend – auch für die Entwicklung alternativer Indikatoren – sollten aber immer folgende Fragen sein: Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Wer kann an der Diskussion über das gute Leben teilnehmen? Kann es mir gut gehen, wenn mein „Glück“ auf Kosten anderer geht? Wie kann ein gutes Leben für alle – jetzt und in Zukunft – aussehen? KLIMA SCHÜTZEN 93

WARUM (ANDERE WOLLEN, DASS) WIR<br />

IMMER MEHR WOLLEN<br />

Um die vorherrschenden Produktions- und<br />

Konsummuster besser zu verstehen, lohnt<br />

sich eine nähere Betrachtung unseres auf<br />

Wachstum gepolten Wirtschaftssystems:<br />

Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts<br />

(BIP) mündet in einem Wachstumszwang,<br />

der durch einen steten Wachstumsdrang<br />

ergänzt wird. Wachstumszwang bedeutet,<br />

dass die Alternative zu Wachstum Schrumpfung<br />

ist. Das BIP ist der Wert aller Waren<br />

und Dienstleistungen, die in einem Land in<br />

einem Jahr hergestellt und verkauft wurden.<br />

Die modernen Volkswirtschaften haben sich<br />

seit Jahrzehnten einer ständigen Wachstumsspirale<br />

(gemessen am BIP) verschrieben.<br />

So bleibt ihnen in Beibehaltung des<br />

propagierten Wachstumsglaubens nichts<br />

Anderes übrig, als den geforderten höheren<br />

Absatz an Waren und Dienstleistungen mit<br />

immer neuen technischen Errungenschaften,<br />

Kostensenkungen, schnelleren Innovationszyklen<br />

und kurzlebigeren Produkten (Stichwort<br />

geplante Obsoleszenz) zu befriedigen.<br />

Denn nur wenn das stetige und angemessene<br />

Wirtschaftswachstum weitergeht, kann<br />

nach dieser Philosophie auch das gewünschte<br />

hohe Niveau an Beschäftigten, stabilen<br />

Preisen sowie eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz<br />

fortgeführt und somit der gewohnte<br />

Lebensstandard beibehalten werden.<br />

In dieser Argumentation wird aber nicht beachtet,<br />

dass das BIP, mit dem Wachstum gemeinhin<br />

gemessen wird, kein Indikator dafür<br />

ist, ob etwas den Menschen nutzt und deren<br />

Lebensqualität steigert: Eine Umweltkatastrophe<br />

oder ein Autounfall beispielsweise<br />

tragen ebenfalls zur Erhöhung des BIP bei,<br />

da Unternehmen mit der Beseitigung der<br />

Schäden beauftragt werden. Das heißt, die<br />

Wirtschaft und das BIP können auch wachsen,<br />

wenn Menschen leiden.<br />

Darüber hinaus blendet der Wachstumsglaube<br />

aus, dass die Natur und die Ressourcen<br />

unseres Planeten endlich sind. Im Gegensatz<br />

zum Papier- und Bankgeld, das der Mensch<br />

selber herzustellen vermag, ist die Welt –<br />

die Natur – dem Menschen vorgegeben und<br />

damit begrenzt. Gute Luft, sauberes Wasser,<br />

schöne Landschaften, Artenvielfalt und<br />

ein menschenverträgliches <strong>Klima</strong> sind nicht<br />

selbstverständlich oder unzerstörbar. Mit der<br />

Ausbeutung der Natur schwinden auch unsere<br />

Existenzgrundlagen.<br />

Dass es so nicht ewig weitergehen kann,<br />

scheint hiermit offensichtlich. Warum wollen<br />

wir dann trotzdem immer mehr, und was<br />

wollen wir eigentlich? Werbung macht uns<br />

zum Beispiel vor, dass wir mit dem Erwerb<br />

von Dingen Bedürfnisse befriedigen, die materiell<br />

nicht befriedigt werden können. Sie<br />

macht uns auch vor, dass wir Bedürfnisse<br />

haben, von denen wir ohne sie gar nichts<br />

wüssten. Werbung und Marketingstrategien<br />

setzen bei den urmenschlichen Sehnsüchten<br />

nach Liebe, Einzigartigkeit, Freiheit<br />

und Selbstverwirklichung sowie sozialer Zugehörigkeit<br />

an. Diese sollen durch den Akt<br />

des Konsumierens gestillt werden. Mit den<br />

meisten Produkten, und besonders Markenprodukten,<br />

wird vor allem ein Lebensgefühl<br />

verkauft. Durch den Kauf einer Marke wird<br />

dem*der Konsument*in eine Aufwertung des<br />

eigenen Images vorgegaukelt.<br />

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