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Leseprobe: THEATER.BAU.EFFEKTE! - Der Architekt Max Littmann und München zur Prinzregentenzeit

Um 1900 entwickelte sich München unter Prinzregent Luitpold zur aufgeschlossenen Kulturmetropole. Die bürgerliche Selbstdarstellung fand neue Inszenierungsräume und Ausdrucksformen. Als Spezialist für Theaterbauten setzte Max Littmann den Zeitgeist in Architektur um. Das Buch stellt seine überragende Rolle als Meister moderner Bauaufgaben anhand ausgewählter Bauten dar, darunter mondäne Konsumtempel, das weltberühmte Hofbräuhaus sowie Prinzregententheater, Künstlertheater und Schauspielhaus.

Um 1900 entwickelte sich München unter Prinzregent Luitpold zur aufgeschlossenen Kulturmetropole. Die bürgerliche Selbstdarstellung fand neue Inszenierungsräume und Ausdrucksformen. Als Spezialist für Theaterbauten setzte Max Littmann den Zeitgeist in Architektur um. Das Buch stellt seine überragende Rolle als Meister moderner Bauaufgaben anhand ausgewählter Bauten dar, darunter mondäne Konsumtempel, das weltberühmte Hofbräuhaus sowie Prinzregententheater, Künstlertheater und Schauspielhaus.

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<strong>THEATER</strong>.<strong>BAU</strong>.<strong>EFFEKTE</strong>!


<strong>THEATER</strong>.


<strong>BAU</strong>.<strong>EFFEKTE</strong>!<br />

<strong>Der</strong> <strong>Architekt</strong> <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong> <strong>und</strong> <strong>München</strong> <strong>zur</strong> <strong>Prinzregentenzeit</strong><br />

Martin Laiblin<br />

HENSCHEL


www.seemann-henschel.de<br />

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />

Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im<br />

Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

Mit Unterstützung des Programms »Kultur« der Europäischen<br />

Union<br />

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission<br />

finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt<br />

allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung<br />

der darin enthaltenen Angaben.<br />

Eine Ausstellung mit demselben Titel wird im Deutschen Theater museum<br />

gezeigt vom 13. Mai bis zum 3. Oktober 2016.<br />

ISBN 978-3-89487-787-3<br />

© 2016 bei den AutorInnen <strong>und</strong> dem Henschel Verlag in der<br />

Seemann Henschel GmbH & Co. KG, Leipzig<br />

Die Verwertung der Texte <strong>und</strong> Bilder, auch auszugsweise, ist ohne<br />

Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig <strong>und</strong> strafbar. Dies gilt<br />

auch für Vervielfältigungen, Über setzungen, Mikrover filmungen <strong>und</strong><br />

für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.<br />

Umschlaggestaltung: Ingo Scheffer, Berlin<br />

Umschlagmotive: Untergr<strong>und</strong>: Stadtplan von <strong>München</strong> aus dem Illustrierten<br />

Führer durch die Kgl. Haupt- <strong>und</strong> Residenzstadt <strong>München</strong> <strong>und</strong><br />

Umgebung aus der Reihe Woerl’s Reisehandbücher, Leipzig, ca. 1912<br />

Vorderseite oben: Prinzregententheater Zuschauerraum (vor 1903), Postkarte,<br />

ungelaufen; links: Kaufhaus Oberpollinger, Postkarte, gelaufen<br />

6. 2. 1909 ; rechts: Kgl. Hofbräuhaus, Präge-Postkarte, gelaufen 30. 10. 1902<br />

Rückseite oben: Das Münchner Künstlertheater, Foto-Color-Postkarte (um<br />

1918); links: Das Kaufhaus Hermann Tietz, Postkarte, gelaufen 12. 2. 1909;<br />

rechts: <strong>Der</strong> Große Saal des Kgl. Hofbräuhauses, Postkarte, gelaufen<br />

8. 4. 1906<br />

Klappe vorne: Gruß aus der Kunst- <strong>und</strong> Bierstadt <strong>München</strong>, Künstler-<br />

Postkarte (O. Zieher), gelaufen im Juli 1904<br />

Klappe hinten: Postkartenregen, Künstler-Postkarte (F. Doubek) (um<br />

1900), gelaufen (Datum nicht bekannt)<br />

Motiv der Innenseiten des Umschlags: <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong> (zugeschrieben):<br />

<strong>Der</strong> Zuschauerraum des Prinzregententheaters. Öl auf Leinwand,<br />

kaschiert auf Hartkarton, 136 x 203 cm, nach 1903 [Privatbesitz]<br />

[Ausschnitt <strong>und</strong> Variation]<br />

Gestaltung <strong>und</strong> Satz: Grafikstudio Scheffer, Berlin<br />

Druck & Bindung: Werbedruck GmbH, Horst Schreckhase<br />

Printed in Europe


Inhalt<br />

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Auftakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

THEATRALISIERTE DEMOKRATIE<br />

1. Die <strong>Prinzregentenzeit</strong>: Zwischen Tradition <strong>und</strong> Moderne . . . . . . . . . . . 14<br />

2. <strong>München</strong> <strong>zur</strong> <strong>Prinzregentenzeit</strong>: Die Kunst- <strong>und</strong> Bierstadt . . . . . . . . . . . 16<br />

3. Auf dem Weg <strong>zur</strong> Metropole: <strong>Der</strong> Wandel der Residenzstadt <strong>zur</strong> Großstadt . . . . 22<br />

4. <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong>: Seine Anfänge in <strong>München</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Das Deutsche Turnfest 1889: Festarchitekturen . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Neue Maßstäbe: <strong>Der</strong> Wohnkomplex am Isarquai . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Erfolgskonzept: Die Baufirma Heilmann & <strong>Littmann</strong>. . . . . . . . . . . . 32<br />

5. Metropolisierungstendenzen: <strong>München</strong> <strong>und</strong> die Bauaufgabe »Kaufhaus« . . . . . 33<br />

Die neue Kaufhauskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

Das Kaufhaus Hermann Tietz: Großstadtflair am Bahnhofplatz. . . . . . . . 38<br />

Das Kaufhaus Oberpollinger: Neue Konsumwelten . . . . . . . . . . . . 42<br />

Bürgerliche Selbstdarstellung: Von Fotoateliers <strong>und</strong> Ölporträts. . . . . . . . 45<br />

6. Inszenierte Tradition: Das Bauensemble am Platzl . . . . . . . . . . . . . 50<br />

Das neue Hofbräuhaus: Ein Bierpalast für alle Bürger . . . . . . . . . . . 50<br />

Das Platzl: Historismus <strong>und</strong> Volkstümlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

DEMOKRATISIERTES <strong>THEATER</strong><br />

7. Monarchie <strong>und</strong> Bürgertum: <strong>München</strong>s Richard-Wagner-Festspielhaus . . . . . . 64<br />

Die Idee: Richard Wagners amphitheatralischer Zuschauerraum . . . . . . . 66<br />

Das Problem der Umsetzung: Die Pläne Gottfried Sempers . . . . . . . . . 70<br />

Die späte Vollendung unter Ernst von Possart . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

5


8. <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong>: <strong>Der</strong> Theaterarchitekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

Gr<strong>und</strong>züge der Theaterreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

<strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong> als Theaterbaureformer . . . . . . . . . . . . . . . . 81<br />

9. Perfekte Illusion <strong>und</strong> moderne Technik: Das Prinzregententheater . . . . . . . . 86<br />

<strong>Littmann</strong>s »selten große Aufgabe«. . . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />

Ein prächtiger »Bau in Stein <strong>und</strong> Eisen« . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

<strong>Der</strong> demokratisierte Zuschauerraum . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

Ein Guckkasten für Musik- <strong>und</strong> Sprechtheater. . . . . . . . . . . . . . 96<br />

Kritik <strong>und</strong> Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />

10. Kammerspieltheorie <strong>und</strong> neue Dramatiker: Das Münchner Schauspielhaus . . . . 102<br />

Ein Jugendstil-Kleinod im Innenhof . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

Ein intimer Zuschauerraum für das moderne Drama . . . . . . . . . . . 107<br />

Die Bühne für die neue Kammerspielästhetik . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

11. Reliefbühnenprinzip <strong>und</strong> moderne Künste: Das Münchner Künstlertheater . . . . 112<br />

Die Ausstellung <strong>München</strong>1908 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112<br />

Das Manifest Die Schaubühne der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

<strong>Der</strong> Verein Münchner Künstlertheater . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

Eine Schaubühne für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116<br />

Ausklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

ANHANG<br />

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139<br />

Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143<br />

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144<br />

6


Vorwort<br />

<strong>Der</strong> Gedanke, das Werk <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong>s zwar auf <strong>München</strong> zu begrenzen,<br />

den Fokus dabei aber über die Theaterbauten hinaus auf andere<br />

zentrale Bauaufgaben zu erweitern, hat für uns erstaunliche Resultate<br />

erbracht. Eine Brauerei-Gaststätte, ein Zuschauerraum <strong>und</strong> ein Konsumtempel<br />

vom selben <strong>Architekt</strong>en ersonnen – welche Verknüpfungen<br />

gibt es da über die Identität ihres Erbauers hinaus?<br />

Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit dem Münchner Werk<br />

<strong>Littmann</strong>s war die Demokratisierung des Zuschauerraums, die in seinem<br />

ersten Theaterbau, dem Prinzregententheater von 1901, – von<br />

gewissen Zugeständnissen abgesehen – realisiert <strong>und</strong> im Künstlertheater<br />

1908 weiter verwirklicht worden ist.<br />

Die Gesellschaft hatte sich um 1900 in ihrer Gr<strong>und</strong>struktur verändert<br />

durch das erstarkte Bürgertum. Neue Autoren schrieben für die<br />

Bühne, deren Stücke nicht mehr in die tradierten Hoftheater passen<br />

wollten. Reformtheater war die Losung der Zeit, ihm verlieh <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong><br />

architektonische Gestalt.<br />

<strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong>s Prinzregententheater unterschied sich von den<br />

anderen Theatern der Stadt nicht nur durch den Standort, die Bestimmung<br />

<strong>und</strong> die Auftraggeber, sondern auch durch die amphitheatralische<br />

Anordnung des Zuschauerraums. Beeinflusst war <strong>Littmann</strong> hierbei<br />

von seinen beiden großen Vorbildern Karl Friedrich Schinkel <strong>und</strong><br />

Gottfried Semper. Letzterer hatte gemeinsam mit Richard Wagner die<br />

Idee des amphitheatralischen Zuschauerraums wiederbelebt. Neben<br />

der Absenkung des Orchesterraums durch einen ansteigenden Neigungswinkel<br />

des Parketts wünschte sich Wagner bessere Sehbedingungen<br />

für möglichst viele Zuschauer. Semper wiederum entwickelte seine<br />

Planungsidee von außen her, die Gestaltung des römischen Amphitheaters<br />

aufgreifend. Er stellte der seinerzeit üblichen tempelartigen<br />

Fassadengestaltung eine R<strong>und</strong>ung entgegen, die den Zuschauerraum<br />

prominent nach außen hin in Szene setzte.<br />

Die Symbiose dieser Vorgedanken, der Einbau des amphitheatralischen<br />

Zuschauerr<strong>und</strong>s, fand sich sowohl in Sempers Planung eines<br />

provisorischen Theaters im Münchner Glaspalast 1865/66 wie auch in<br />

7


THEATRALISIERTE DEMOKRATIE<br />

Seit jeher dominiert das Orlando-Haus mit seiner<br />

Schaufassade das Platzl. Aufnahme aus einem<br />

Album im Nachlass von <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong> [A.M. lit-<br />

110].<br />

<strong>und</strong> unter seiner Leitung errichtet. Diese beiden Häuser sind Ausdruck<br />

eines Trends, der sich in der Hochphase deutschen Nationalbewusstseins<br />

nach Gründung des Kaiserreichs entwickelt: Studentische<br />

Verbindungen lassen sich gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

gerne repräsentative Häuser als symbolträchtige Denkmäler ihrer<br />

Volkstümlichkeit <strong>und</strong> Eigenständigkeit errichten 95 . In den 1880er<br />

Jahren stellt sich dadurch den <strong>Architekt</strong>en eine ganz neue Bauaufgabe,<br />

der sich <strong>Littmann</strong> – selbst einst korporierter Student gewesen<br />

96 – ohne zu zögern mit dem ihm eigenen architektonischen<br />

Feingefühl stellt: Er integriert die beiden Häuser mit ihren historisierenden<br />

Fassaden im Renaissance-Stil organisch in den traditionsreichen<br />

Kontext des Platzls, gibt ihnen jedoch durch barockisierende<br />

Ornamente jeweils einen individuellen Charakter; die<br />

stilgebenden Richtlinien für die Fassadengestaltung waren von der<br />

Hofbräuhaus-Verwaltung als früherer Eigentümerin festgelegt worden,<br />

um den einheitlichen Charakter des neuen Ensembles zu<br />

garantieren. 97<br />

Schräg gegenüber dem Hofbräuhaus dominiert die hoch aufragende<br />

Schaufassade des Orlando-Hauses mit ihrem dreistöckigen,<br />

volutenverzierten Giebel das Platzl auf eindrucksvolle Weise bis heute.<br />

Dieses Wiener Kaffeehaus trägt den Namen des berühmten Renaissancekomponisten<br />

<strong>und</strong> Musikers Orlando di Lasso (1530/32–1594),<br />

der – historisch verbrieft – in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

hier seinen Wohnsitz hatte <strong>und</strong> in <strong>München</strong> gestorben ist. 98 Die Gliederung<br />

des Orlando-Hauses geht auf einen Entwurf des <strong>Architekt</strong>en<br />

57


Josef Kalb von 1898 <strong>zur</strong>ück, den <strong>Littmann</strong> für seine Bauausführung<br />

(1899/1900) überarbeitet hat 99 : Die Dimensionen sowie die Massengliederung<br />

der strengen Renaissance-Formen werden durch eine<br />

gewisse Italianitá aufgelockert, beispielsweise durch die gesprengten<br />

Fenster-Giebel oder die aparten Obelisken. 100<br />

<strong>Der</strong> Erfolg von <strong>Littmann</strong>s <strong>Architekt</strong>ur-Inszenierung in dem einzigartigen<br />

Bauensemble am Platzl beruht auf seinem meisterhaften<br />

Umgang mit dem reichhaltigen Formenkanon des Historismus, wie<br />

er sich in den 1870–90er Jahren in der <strong>Architekt</strong>ur entwickelt hat: Aus<br />

diesem Formenkanon wählt er für jedes Gebäude die geeignete Stilrichtung<br />

aus <strong>und</strong> setzt ihre Motive auf schöpferische Weise jeweils so<br />

ein, dass der Gesamteindruck nicht neu wirkt, sondern wie historisch<br />

gewachsen. 101 Das bunte Stil-Pasticcio des Platzls erzeugt beim<br />

Betrachter den Eindruck, als hätten sich verschiedene Bauepochen<br />

hier zu einem pittoresken Defilee aufgestellt 102 : Zum italienischen<br />

Renaissancestil des Orlando-Hauses gesellen sich die gotisierenden<br />

Stilelemente des Hofbräuhauses sowie die barocken Ornamente der<br />

Verbindungshäuser. Das eklektizistische Ensemble des Platzls wirkt<br />

durch <strong>Littmann</strong>s Bauten wie ein Interieur im Atelierhaus des zeitgenössischen<br />

Malerfürsten Franz von Lenbach. 103<br />

Giebeldetail mit Obelisken aus Ansbach, gezeichnet<br />

von <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong>; aus seinem Reise-Skizzenbüchlein<br />

von 1886 [A.M. lit-135].<br />

Oben die prunkvolle Inneneinrichtung der<br />

Lenbach-Villa (Postkarte, ungel.). Links das Platzl<br />

auf einer kolorierten Postkarte, gelaufen 23. 8. 1903.<br />

58


THEATRALISIERTE DEMOKRATIE<br />

Als Beispiele für »<strong>Architekt</strong>ur-Inszenierungen«<br />

können etwa diese beiden Bühnendekorationsentwürfe<br />

aus der Quaglio-Dynastie dienen:<br />

Angelo II. Quaglio: Bühnenbildmodell-Teile auf<br />

Träger, bezeichnet mit »Vor h<strong>und</strong>ert Jahren.<br />

Schrannenplatz in <strong>München</strong>. 1778«, lavierte<br />

Federzeichnungen, 1878 [DTM F5443].<br />

Simon Quaglio: Bühnenbildentwurf mit einem<br />

städtischen Straßenzug. Aquarellierte Federzeichnung,<br />

sig. u. dat. 1848 [DTM F5716].<br />

59


60


THEATRALISIERTE DEMOKRATIE<br />

Ein ungewöhnliches Andenken aus dem Hofbräuhaus ist dieser Faltplan mit Impressionen<br />

aus dem Hofbräuhaus <strong>und</strong> seiner Geschichte. Neben einem Wegweiser, der direkt<br />

vom Hauptbahnhof zum Hofbräuhaus führt, ist das »Panorama von <strong>München</strong>« ein<br />

schönes Dokument, das dem Altstadt-Charakter des Platzls gegenübergestellt wird.<br />

Dieser Plan lässt sich übrigens auf das Format 6 x 8 cm zusammenfalten, damit er als<br />

Briefkärtchen verschickt werden kann.<br />

61


Ansicht von Alt-Berlin mit dem Turm des Roten<br />

Rathauses im Hintergr<strong>und</strong>. Postkarte, gelaufen<br />

15. 7. 1912.<br />

Allgemein ist gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in den boomenden<br />

Großstädten des Deutschen Kaiserreichs trotz allen Strebens nach<br />

Modernität auch ein starkes Geschichtsbewusstsein im Sinne des<br />

Historismus festzustellen. Das führt dazu, dass in ausgewählten Stadtvierteln<br />

der traditionelle Altstadt-Charakter bewusst erhalten wird.<br />

Solche nostalgischen Regungen, die in den atmosphärischen Begriffen<br />

Alt-Berlin, Alt-Hamburg oder eben Alt-<strong>München</strong> zum Ausdruck kommen,<br />

zeugen von einer inszenatorischen Neigung, welche nicht selten<br />

einer Invention of Tradition nahesteht, wie es Eric Hobsbawm in seinem<br />

gleichnamigen Buch aufzeigt 104 : Mitunter ziemlich konstruierte oder<br />

sogar erf<strong>und</strong>ene Traditionen werden belebt, um wie beispielsweise an<br />

der epochalen Schwelle zum 20. Jahrh<strong>und</strong>ert ein Geschichtsbewusstsein<br />

zu nähren, das als Rückversicherung gegenüber den ungewissen<br />

Perspektiven des neuen Jahrh<strong>und</strong>erts dienen soll.<br />

Als Gegenpol zu den avantgardistischen Strömungen der Kunststadt<br />

<strong>München</strong> belebt das Platzl <strong>München</strong>s volkstümliche Tradition<br />

als Bierstadt. <strong>Der</strong> altmünchnerische Hintergr<strong>und</strong> lässt das effektvolle<br />

Bauensemble mit seinen architektonischen Versatzstücken wie eine<br />

historistische Theaterinszenierung im Stil der Bühnenbilder der<br />

Quaglio-Dynastie oder der Gebrüder Brückner erscheinen. <strong>Littmann</strong>s<br />

gezielt eingesetzte Baueffekte verweisen auf den wichtigen<br />

Stimmungswert des Gemütlich-Traditionellen <strong>und</strong> sind durch ihre<br />

Volkstümlichkeit ein bewusster Gegensatz <strong>zur</strong> weltstädtisch-modernen<br />

Entwicklung der Stadt in der <strong>Prinzregentenzeit</strong>.<br />

Fast romantische Züge hat diese Aufnahme aus der<br />

Hamburger Altstadt beim Zippelhaus unweit der<br />

Katharinen-Kirche. Postkarte, ungelaufen.<br />

62


Übersicht über den Nachlass von <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong><br />

im Deutschen Theatermuseum<br />

<strong>Der</strong> theaterbauliche Nachlass von <strong>Max</strong> <strong>Littmann</strong> ist Teil der graphischen Sammlung des Deutschen Theatermuseums.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Littmann</strong>-Bestand umfasst neben Materialien zu <strong>Littmann</strong>s zahlreichen Wettbewerbsbeiträgen vor allem<br />

folgende Dokumente aus den verschiedenen Planungs- <strong>und</strong> Bauphasen der ausgeführten Theaterbauten: Planzeichnungen<br />

<strong>und</strong> Skizzen, Gr<strong>und</strong>risse <strong>und</strong> Schnitte, Innen-, Außen- <strong>und</strong> Gesamtansichten, Situations- <strong>und</strong><br />

Umbaupläne, Detailansichten <strong>zur</strong> Bauausführung oder <strong>zur</strong> Ausstattung <strong>und</strong> ähnliche Bauunterlagen, ausgeführt<br />

z. T. als Tusche- oder Bleistiftzeichnung, einfarbig oder farbig in Buntstift oder Aquarell oder aber als Planpause;<br />

auch fotografische Aufnahmen sind vorhanden. Zu einigen wenigen Theatern sind noch Modelle erhalten.<br />

Zum theaterbaulichen Nachlass gehören im jeweiligen<br />

Umfang variierende, einzelne Materialkonvolute zu<br />

folgenden ausgeführten Theaterbauten (chronologisch<br />

geordnet):<br />

Münchner Schauspielhaus (1900–1901)<br />

Prinzregententheater mit Theater-Restaurant in <strong>München</strong> (1900–<br />

1901)<br />

Königliches Kurtheater in Bad Kissingen (1904–1905)<br />

Schiller-Theater mit Theater-Restaurant in Berlin-Charlottenburg<br />

(1905–1906)<br />

Großherzogliches Hoftheater in Weimar (1906–1907)<br />

Münchner Künstlertheater (1907–1908); zum Künstlertheater<br />

existieren zusätzliche Unterlagen aus der Bauphase wie<br />

Manuskripte, Zeitungsartikel, Kostenaufstellungen <strong>und</strong> kurze<br />

Briefwechsel (u. a. mit Fritz Erler <strong>und</strong> Paul Marsop).<br />

Stadttheater in Hildesheim (1908–1909)<br />

Stadttheater in Posen (1909–1910)<br />

Königlich-Württembergische Hoftheater in Stuttgart (1909–1912)<br />

Stadttheater in Bozen (1913–1915, 1917–1918)<br />

Landestheater Neustrelitz 1926–1928<br />

Außerdem:<br />

Zirkusgebäude für den Zirkus Sarrasani in Dresden-Neustadt<br />

(1911–1912)<br />

Zu folgenden nicht ausgeführten Theaterprojekten<br />

sind Wettbewerbsunterlagen, Umbaupläne oder Studien<br />

überliefert:<br />

Stadttheater Freiburg (1901)<br />

Stadttheater Lübeck (1906)<br />

Gärtnerplatztheater <strong>München</strong> (1907)<br />

Königliches Schauspielhaus Dresden (1910)<br />

Königliches Opernhaus Berlin (1910/12)<br />

Hoftheater Rudolstadt (1913/14)<br />

Stadttheater Bonn (1913/14)<br />

Stadttheater Münster (1914)<br />

Stadttheater Krefeld (1915)<br />

Einen ausführlichen Katalog zu <strong>Littmann</strong>s Theaterbauten<br />

<strong>und</strong> Theaterprojekten hat Bernd-Peter Schaul<br />

in seiner Publikation zusammengestellt, vgl. Schaul<br />

1987, S.126–161.<br />

142


Dank<br />

Für das Vertrauen <strong>und</strong> den Glauben an dieses Ausstellungs- <strong>und</strong> Buchprojekt sowie für das kritische Lektorat gilt<br />

mein herzlicher Dank der Direktorin des Deutschen Theatermuseums, Frau Dr. Claudia Blank, <strong>und</strong> dem<br />

Geschäftsführer des Henschel-Verlages, Herrn Bernd Kolf; ebenso danke ich Frau Dr. Beatrice Bludau für ihre<br />

stetige Unterstützung <strong>und</strong> Ermutigung.<br />

Großen Dank möchte ich dem Direktor des <strong>Architekt</strong>urmuseums der Technischen Universität <strong>München</strong>,<br />

Herrn Professor Andres Lepik, aussprechen für seine Großzügigkeit bei der Bereitstellung des Bildmaterials;<br />

derselbe Dank gilt der Leiterin des Archivs des <strong>Architekt</strong>urmuseums, Frau Dr. Anja Schmidt, für ihre hilfsbereite<br />

Unterstützung, die für das Gelingen des gesamten Projekts wichtig war.<br />

Einen lieben Dank möchte ich den Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen vom Deutschen Theatermuseum sagen, allen<br />

voran der Konservatorin für Graphik, Gemälde, Skulptur <strong>und</strong> Modelle, Frau Dr. Susanne de Ponte, die in fre<strong>und</strong>schaftlicher<br />

Weise <strong>und</strong> mit fachlicher Kompetenz das Ausstellungsprojekt mitgetragen hat; <strong>und</strong> in diesem<br />

Zusammenhang auch der Restauratorin, Frau Monika Haberl. Weiterhin Frau Gabriele Jäckl <strong>und</strong> Frau Babette<br />

Angelaeas von der Fotosammlung sowie Herrn Christian Schmidt für die technische <strong>und</strong> mediale Präsentation.<br />

Mein besonderer Dank gebührt außerdem Frau Petra Kraus <strong>und</strong> Frau Anna Volz für ihre vielfältige <strong>und</strong> praktische<br />

Unterstützung, vor allem bei der Organisation der Ausstellung sowie bei der Beschaffung <strong>und</strong> Zusammenstellung<br />

des Bildmaterials.<br />

Für das gelungene Ausstellungsdesign danke ich von Herzen Herrn Gerhard Veigel <strong>und</strong> Herrn Lothar<br />

Bienenstein sowie Herrn Ingo Scheffer für die so ansprechende Layout-Gestaltung des Buches; für die Bildaufnahmen<br />

sowie für deren Digitalisierung bedanke ich mich bei Herrn Rudolf Faist, bei Frau Rita Burkhardtsmaier<br />

<strong>und</strong> bei Herrn Fabian Kopp.<br />

Viele anregende Gespräche haben sowohl das Buch als auch die Ausstellung bereichert: Dafür bedanke ich<br />

mich insbesondere bei dem Prinzregententheater-Spezialisten, Herrn Professor Karl Köwer, sowie bei der <strong>Max</strong>-<br />

<strong>Littmann</strong>-Spezialistin, Frau Dr. Cornelia Oelwein, die auch Dokumente aus ihrer Privatsammlung für die Ausstellung<br />

<strong>und</strong> das Buch <strong>zur</strong> Verfügung gestellt hat. Weiterhin danke ich der Fachreferentin für Skulptur <strong>und</strong><br />

Plastik nach 1800 am Bayerischen Nationalmuseum, Frau Dr. Astrid Scherp-Langen, sowie allen an der Ausstellung<br />

beteiligten Institutionen <strong>und</strong> ihren Mitarbeitern für die fre<strong>und</strong>lichen Bereitstellung von Exponaten <strong>und</strong><br />

Bildmaterial; auch allen privaten Leihgebern <strong>und</strong> Mäzenen, besonders dem Ehepaar Franziska <strong>und</strong> Richard<br />

Heigl sowie Frau Irene Simper, sei für ihr großzügiges Entgegenkommen gedankt.<br />

Ein großes Wort des Dankes geht schließlich auch an meinen Partner, Dr. Marshall E. Kavesh, <strong>und</strong> an meine<br />

Familie für ihren Rückhalt <strong>und</strong> ihr geduldiges Verständnis. Zu guter Letzt gilt allen, die zum Entstehen <strong>und</strong><br />

Gelingen der Ausstellung <strong>und</strong> des Buches beigetragen haben, mein aufrichtiger <strong>und</strong> herzlicher Dank.<br />

143


Bildnachweis<br />

© <strong>Architekt</strong>urmuseum der TU <strong>München</strong> [A.M.] 28 o., 41, 42 u., 53, 56 l., 57 u., 58 o., 82 (Foto: R. Faist), 83, 84, 87, 93 u., 98 u., 105 o.,<br />

109 u., 119 r., 124 o., 130<br />

© Bayerisches Nationalmuseum <strong>München</strong> [BNM], Sammlung Waderé 120<br />

© Bayerische Schlösserverwaltung [BSV] 57 o. l.<br />

Bayerische Staatsbibliothek [BSB] 98<br />

Bayerische Staatsgemäldesammlungen [BStGS] – Neue Pinakothek <strong>München</strong> 10, 17, 46<br />

Bayerische Staatsoper [BSO], Foto: Wilfried Hösl 78<br />

Deutsches Theatermuseum <strong>München</strong> [DTM] 59 (Foto: R. Faist), 71–74, 80, 81, 85, 89 u., 90–92, 94, 96, 97 l., 100 (Foto: R. Faist), 103, 104,<br />

106 (Foto: R. Faist), 108, 109 o., 110, 111, 113, 115–117, 118 o., 119 l., 121, 123, 124 u., 125, 126 l., 127–130<br />

Privatbesitz Franziska <strong>und</strong> Richard Heigl, <strong>München</strong> 99 sowie Innenumschlag vorne u. hinten; (Foto: R. Faist)<br />

Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung [RWM], Bayreuth 76 o.<br />

Privatarchiv Martin Laiblin, 2, 3, 14–16, 18–25, 28 u. (Foto: R. Faist), 29 (Foto: R. Faist), 30, 31, 33–37, 38 o., 39, 40, 42 o., 43–45, 47–52,<br />

54, 55, 56 r., 57 o. r., 58 u., 60–62, 65–68, 70, 75 u., 76 u., 77, 88, 89 o., 93 o., 95, 101, 102, 105 u. (Foto: R. Faist), 112, 118 u., 126 r.<br />

sowie Umschlag: Untergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Vorderseite links<br />

Privatarchiv Dr. Cornelia Oelwein, Ilmmünster / <strong>München</strong>, 27, 32 sowie Umschlagsklappe hinten<br />

Sammlung Jean Louis 75 o.<br />

Stadtarchiv <strong>München</strong> [SAM] 38 u.<br />

Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin [SDTB], Foto: Historisches Archiv 97 r.

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