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Petra Hartmann & Olena Otto Fradina | Nestis und die verbotene Welle

“Rock die Nordsee!“ – Wenn die Haifisch-Band Ølpæst loslegt, kocht der Ozean. Meerprinzessin Nestis und ihre Freunde sind Riesen-Fans der Gruppe und fiebern dem großen Konzert in der Nordseeschule entgegen. Nur Mathelehrer Herr Seestern findet, dass die schrecklich laute Haifischmusik verboten werden muss – und der Kronrat stimmt ihm zu! Eine Herausforderung für die Meerkinder: Die »verbotene Welle« rollt durch die Nordsee. Der Ølpæst-Sound ist überall zu hören. Ein Piratensender strahlt die Hits der Knorpelfischgang lautstark aus. Die Erwachsenen sind schockiert, die Schwertfischgarde hilflos, die Moderatoren des Frühstücksradios dem Nervenzusammenbruch nahe. Für die Nordsee-Jugend brechen herrliche Zeiten an. Doch als eine hochexplosive Kugelmine über dem blauen Glaspalast im Meer dümpelt und ein führungsloser Öltanker in die Nordsee einfährt, droht eine wirkliche Ölpest. Gelingt es den Meerkindern, ein Unglück zu verhindern?

“Rock die Nordsee!“ – Wenn die Haifisch-Band Ølpæst loslegt, kocht der Ozean. Meerprinzessin Nestis und ihre Freunde sind Riesen-Fans der Gruppe und fiebern dem großen Konzert in der Nordseeschule entgegen. Nur Mathelehrer Herr Seestern findet, dass die schrecklich laute Haifischmusik verboten werden muss – und der Kronrat stimmt ihm zu!
Eine Herausforderung für die Meerkinder: Die »verbotene Welle« rollt durch die Nordsee. Der Ølpæst-Sound ist überall zu hören. Ein Piratensender strahlt die Hits der Knorpelfischgang lautstark aus. Die Erwachsenen sind schockiert, die Schwertfischgarde hilflos, die Moderatoren des Frühstücksradios dem Nervenzusammenbruch nahe. Für die Nordsee-Jugend brechen herrliche Zeiten an.
Doch als eine hochexplosive Kugelmine über dem blauen Glaspalast im Meer dümpelt und ein führungsloser Öltanker in die Nordsee einfährt, droht eine wirkliche Ölpest. Gelingt es den Meerkindern, ein Unglück zu verhindern?

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<strong>Nestis</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Welle</strong>


<strong>Petra</strong> <strong>Hartmann</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>verbotene</strong> <strong>Welle</strong><br />

Ein Meermädchen-Roman


www.nestis.de<br />

www.verlag-monikafuchs.de<br />

www.petrahartmann.de<br />

www.otto-fradina.de<br />

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet <strong>die</strong>se Publikation<br />

in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<br />

http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />

ISBN 978-3-947066-00-1 (print)<br />

Auch als eBook erhältlich<br />

© 2017 by Verlag Monika Fuchs | Hildesheim<br />

Layout <strong>und</strong> Satz: Me<strong>die</strong>nbüro Monika Fuchs<br />

Covermotiv <strong>und</strong> Illustrationen: <strong>Olena</strong> <strong>Otto</strong>-<strong>Fradina</strong> | Dortm<strong>und</strong><br />

Printed in EU 2017


Für Elsa <strong>und</strong> Wilfried,<br />

für Yvonne, Patrick, Mae <strong>und</strong> Elvis …<br />

… <strong>und</strong> für alle,<br />

<strong>die</strong> mit mir auf Kaperfahrt war‘n ...<br />

Mit einem herzlichen Dank an Fehlerfischerin Charlotte Engmann,<br />

<strong>die</strong> mir ein ganzes Schleppnetz voll Unsinn aus der <strong>verbotene</strong>n<br />

<strong>Welle</strong> herausgeholt hat.


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorstellung <strong>Nestis</strong> <strong>und</strong> ihre Fre<strong>und</strong>e 9<br />

1. Kapitel Rock <strong>die</strong> Nordsee 13<br />

2. Kapitel Achtelnoten 18<br />

3. Kapitel Erziehungsfragen 28<br />

4. Kapitel Nordseewind 36<br />

5. Kapitel <strong>Welle</strong>nbrecher! 39<br />

6. Kapitel Sturmwarnung 43<br />

7. Kapitel Kulturbanausen! 47<br />

8. Kapitel Der Schatten aus Metall 52<br />

9. Kapitel Wut <strong>und</strong> Empörung 57<br />

10. Kapitel Sturm über Achtern<strong>die</strong>k 61<br />

11. Kapitel Im Garten der Stille 66<br />

12. Kapitel Windstärke zwölf, in Böen 13 71<br />

13. Kapitel Rockt den Kronrat! 75<br />

7


14. Kapitel Auf der Suche 82<br />

15. Kapitel Frühstücksradio 86<br />

16. Kapitel Unter Verdacht 93<br />

17. Kapitel Plattfischs Plattenladen 98<br />

18. Kapitel Gigantisch! 103<br />

19. Kapitel Herrliche Zeiten im Meer 108<br />

20. Kapitel Allein auf der Brücke 113<br />

21. Kapitel Zur Rede gestellt 122<br />

22. Kapitel Traumstrand mit Palmen 127<br />

23. Kapitel Im Herzen der <strong>Welle</strong> 130<br />

24. Kapitel »Hier spricht <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Welle</strong>!« 134<br />

25. Kapitel Kleine Möwe 138<br />

26. Kapitel Ölpest! 141<br />

27. Kapitel Vollbremsung 145<br />

28. Kapitel Bombenstimmung 149<br />

Segler-Lexikon 153<br />

Die Autorin <strong>Petra</strong> <strong>Hartmann</strong> 156<br />

Die Illustratorin <strong>Olena</strong> <strong>Otto</strong>-<strong>Fradina</strong> 157<br />

8


Vorstellung<br />

<strong>Nestis</strong> <strong>und</strong> ihre Fre<strong>und</strong>e<br />

<strong>Nestis</strong><br />

Die älteste Tochter des Meerkönigs<br />

ist neugierig, beherzt<br />

<strong>und</strong> manchmal ziemlich frech. Sie hasst<br />

Mathe matik <strong>und</strong> Ungerechtigkeit <strong>und</strong> liebt<br />

laute Musik. Ihre Lieblingsband ist <strong>die</strong> Knorpelfisch-Gang<br />

Ølpæst, <strong>und</strong> sie kann es kaum<br />

erwarten, dass deren neue Scheibe »<strong>Welle</strong>nbrecher« erscheint.<br />

Leider werden ihre Tonträger ziemlich oft von Großmutter <strong>und</strong><br />

Lehrern beschlagnahmt.<br />

Nick<br />

Der junge Wassermann trägt eine<br />

Lederjacke <strong>und</strong> eine verspiegel<br />

te Sonnenbrille, gelt sich <strong>die</strong> Haare mit<br />

Wellhornschneckenschleim <strong>und</strong> will ständig<br />

cool wirken. Er ist stets mit seinem Dreizack<br />

bewaffnet, beherrscht einige Griffe der maritimen<br />

Selbstverteidigungstechnik Taek-won-Platsch <strong>und</strong> bekommt<br />

von seinem Cousin, der in einer Plattenfirma arbeitet,<br />

<strong>die</strong> neuesten Scheiben von Ølpæst.<br />

9


Mira<br />

Die beste Fre<strong>und</strong>in von <strong>Nestis</strong> ist<br />

eine echte Schönheit <strong>und</strong> weiß<br />

das auch selbst sehr gut. Sie hat eine Schwäche<br />

für Nick <strong>und</strong> Cat Sharkey, den Sänger<br />

von Ølpæst. Manchmal ist sie etwas ängstlich,<br />

doch wenn es drauf ankommt, hat sie<br />

das Herz auf dem rechten Fleck <strong>und</strong> schafft es, den anderen<br />

Mut zu machen. Oft verteilt sie tröstende Muschelbonbons an<br />

ihre Fre<strong>und</strong>e. Und wenn alles schief geht, sind ihre Kenntnisse<br />

in Erster Hilfe sehr nützlich.<br />

<strong>Otto</strong><br />

Der kleine Riesenkrake hat lange<br />

mutterseelenallein in einem<br />

alten Piratenschiff gelebt. Zusammen mit<br />

seinen Fre<strong>und</strong>en konnte er schließlich seine<br />

Eltern befreien, <strong>die</strong> von den Menschen in<br />

ein Aquarium gesteckt worden waren. Daher<br />

sind ihm Glaskästen noch immer unheimlich.<br />

<strong>Otto</strong> ist etwas tollpatschig <strong>und</strong> schießt in seinem Bestreben,<br />

dazugehören zu dürfen, manchmal übers Ziel hinaus. Er hat<br />

viel Kraft <strong>und</strong> packt gern mit an, wenn ein helfender Tentakel<br />

gebraucht wird. Sein größtes Handicap: Er gerät leicht außer<br />

Puste.<br />

10


Kurzschluss Der<br />

Zitteraaljun<br />

ge wird in<br />

der Schule als Streberleiche verachtet<br />

<strong>und</strong> wegen seiner Brille auch als »Brillenschlange«<br />

verspottet. Im Bruchrechnen<br />

ist er Klassenbester, <strong>und</strong> er hat auch schon mehrfach bei<br />

»Jugend forscht« gewonnen. Seine neueste Erfindung ist das<br />

Ton-o-phon, mit dem man unter anderem Haifischmusik aus<br />

dem Schullautsprecher dröhnen lassen kann. Allerdings müssen<br />

sich auch gute Fre<strong>und</strong>e davor hüten, ihm anerkennend <strong>die</strong><br />

Flosse zu schütteln, denn wenn er aufgeregt ist, gibt er schon<br />

mal versehentlich starke Stromstöße ab.<br />

Tom<br />

Der Menschenjunge aus Achtern<strong>die</strong>k<br />

kennt in den Ferien nur ein<br />

Ziel: runter zum Hafen <strong>und</strong> hoch mit dem Segel.<br />

Sehr stolz ist er auf sein eigenes kleines<br />

Boot, das »Hüpfende Seepferdchen«.<br />

Tom ist ein mit allen Wassern gewaschener<br />

Seemann, den so leicht nichts umhaut. Seine Lieblingsmusik<br />

ist das Rauschen der Brandung von Achtern<strong>die</strong>k – das hat er<br />

sogar als Klingelton auf dem Handy.<br />

In <strong>die</strong>ser Geschichte segeln Tom <strong>und</strong> sein Großvater ziemlich<br />

viel – <strong>und</strong> benutzen oft Ausdrücke, <strong>die</strong> Landratten nicht immer<br />

verstehen. Erklärt wird ihre Seglersprache ab S. 153.<br />

Und jetzt geht’s los!<br />

11


1. Kapitel<br />

Rock <strong>die</strong> Nordsee<br />

»Yeah, yeah, yeah!<br />

Rock <strong>die</strong> Nordsee, Baby,<br />

rock <strong>die</strong> Nordsee,<br />

yeah, yeah, yeah!«<br />

<strong>Nestis</strong> wirbelte auf der Schwanzspitze herum, immer schneller,<br />

immer wilder im Kreis. Ihre roten Haare umrauschten<br />

sie wie Feuerquallen-Nesseln. Bässe wummerten in ihrem<br />

Bauch, <strong>die</strong> Wände des blauen Glaspalastes bebten, <strong>und</strong><br />

im Kinderzimmer tobte ein wilder Wasserstrudel r<strong>und</strong> um <strong>die</strong><br />

tanzende Nordseeprinzessin. Schulhefte, Haarspangen, Muschelbonbons,<br />

alles wurde von dem mächtigen Wirbel erfasst<br />

<strong>und</strong> begann, um sie herum zu kreisen. Die Meerjungfrau bemerkte<br />

es nicht. Sie hatte <strong>die</strong> Augen geschlossen, drehte sich<br />

selbstvergessen um sich selbst <strong>und</strong> sang lauthals den Hit aus<br />

dem Audiophon mit:<br />

»Rock <strong>die</strong> Nordsee, Baby,<br />

bis <strong>die</strong> Felsen ins Meer stürzen,<br />

rock <strong>die</strong> Nordsee, Baby,<br />

yeah, yeah, yeah!«<br />

»<strong>Nestis</strong>!«<br />

13


<strong>Nestis</strong> sang <strong>und</strong> tanzte. Bässe dröhnten durch das Kinderzimmer.<br />

Sie wirbelte jetzt auch noch das Mathebuch <strong>und</strong> das<br />

Arbeitsheft mit der Vier minus im Bruchrechnen auf.<br />

»<strong>Nestis</strong>!!«<br />

Der Boden bebte. Nein, das war nicht das Schlagzeugsolo<br />

von Harry Hammer, dem Hammerhai. Es war <strong>die</strong> Meergroßmutter,<br />

<strong>die</strong> mit dem Besen von unten gegen <strong>die</strong> Decke bollerte.<br />

Doch das Beben ging unter in den genialen Gitarrenriffs von<br />

Sägefisch Charlie Chainsaw, <strong>und</strong> als jetzt wieder das schrille<br />

Heulen von Katzenhai Cat Sharkey durch den Raum fetzte, gab<br />

es für <strong>Nestis</strong> kein Halten mehr:<br />

»Rock <strong>die</strong> Nordsee, Baby!«, jubelte sie.<br />

14


»Brecher bis hoch in <strong>die</strong> Wolken,<br />

Gischt, <strong>die</strong> bis zum Himmel spritzt,<br />

rock <strong>die</strong> … Oh!«<br />

Die Musik brach ab. <strong>Nestis</strong> verstummte. Wütend stand <strong>die</strong><br />

Meergroßmutter im Zimmer, den abgehobenen Ton-Arm des<br />

Audiophons in der Hand. Aus dem Muscheltrichter kam nur<br />

noch leises Rauschen, <strong>die</strong> Bernsteinscheibe mit dem neuesten<br />

Hit ihrer Lieblingsband drehte sich stumm im Kreis.<br />

»Sag mal, bist du übergeschnappt, <strong>Nestis</strong>?«, schimpfte <strong>die</strong><br />

Meeralte. Ihr Fischschwanz peitschte hin <strong>und</strong> her, <strong>die</strong> Haare<br />

wogten ihr um den Kopf wie Seetang in der Brandung. Das<br />

Matheheft schwamm an ihr vorbei, dann das Deutschheft,<br />

dann das Rechtschreibbuch. Nur langsam beruhigte sich der<br />

gewaltige Strudel, den <strong>Nestis</strong> beim Tanzen entfesselt hatte.<br />

Das Kinderzimmer sah aus wie ein Schiffsfriedhof, durch den<br />

eine Wasserhose getobt war. Nur das Poster der fünfköpfigen<br />

Band, das am Schrank klebte, hatte den wilden Wasserwirbel<br />

wie durch ein W<strong>und</strong>er unbeschädigt überstanden.<br />

»Nun? Was stehst du da <strong>und</strong> redest nicht!«, schimpfte <strong>die</strong><br />

Meeralte. »Erklär mir mal, was <strong>die</strong>ser Radau zu bedeuten hat.«<br />

»Das ist Ølpæst, Omi«, sagte <strong>Nestis</strong> leise.<br />

»Ölpest? Sieht eher aus wie Sturmflut.«<br />

»Nein, nicht Ölpest.« <strong>Nestis</strong> verdrehte <strong>die</strong> Augen. »Ølpæst.<br />

Die angesagteste Knorpelfisch-Band der Nordsee. Ein ganz irrer<br />

So<strong>und</strong>.«<br />

»Ja, das habe ich gemerkt. Aber kannst du <strong>die</strong>sen irren So<strong>und</strong><br />

nicht leise hören?«<br />

<strong>Nestis</strong> gab einen leisen Stöhnlaut von sich. Wie sollte man<br />

Musik von Ølpæst leise hören? »Nein, das muss unbedingt<br />

15


laut gehört werden, das ist ja der Witz bei der Sache. Hier,<br />

pass mal auf, jetzt kommt gleich <strong>die</strong> Stelle, wo das Ultralautophon<br />

einsetzt, da …« Sie nahm ihrer Großmutter den Ton-Arm<br />

aus der Hand <strong>und</strong> setzte <strong>die</strong> Nadel zurück auf <strong>die</strong> kreisende<br />

Bernsteinscheibe. »Rock <strong>die</strong> Nordsee, Baby!«, dröhnte es aus<br />

der Schallmuschel, <strong>und</strong> dann …<br />

»Hilfe!«, schrie <strong>die</strong> Großmutter <strong>und</strong> plumpste vor Schreck<br />

auf den Hintern. Mit beiden Händen hielt sie sich <strong>die</strong> Ohren<br />

zu. Mike, der Mantarochen, entlockte dem Keyboard <strong>die</strong><br />

schrillsten Töne, dann brach auf dem Plattenteller <strong>die</strong> Hölle<br />

los. Es schrie <strong>und</strong> heulte, brüllte, donnerte, <strong>die</strong> ganze Nordsee<br />

schien zu kochen, Helgoland explo<strong>die</strong>rte, <strong>die</strong> Welt flog in <strong>die</strong><br />

Luft. Mit letzter Kraft robbte <strong>die</strong> Meergroßmutter zum Audiophon<br />

<strong>und</strong> riss den Tonarm hoch.<br />

»Das war Killer-Joe, der Weißspitzen-Menschenhai. Irre,<br />

oder?«, sagte <strong>Nestis</strong>. Ihre Augen leuchteten. »Du, weißt du<br />

was, Oma? Zu Weihnachten wünsche ich mir auch ein Ultralautophon.«<br />

»Du hast wohl’n Fisch!«, schnaubte <strong>die</strong> Meeralte <strong>und</strong> tippte<br />

sich mit dem Finger an <strong>die</strong> Stirn. »So eine Höllenmaschine<br />

kommt mir nicht in den Palast. Und das hier behalte ich erstmal.«<br />

Sie nahm <strong>die</strong> Scheibe <strong>und</strong> ließ sie in der Tasche ihrer<br />

Kittelschürze verschwinden.<br />

»Oma!«, rief <strong>Nestis</strong> empört. »Das kannst du nicht machen!«<br />

»Und ob ich das kann. Du glaubst doch nicht, dass ich mir<br />

von dem Getöse <strong>die</strong> Mittagsruhe verderben lasse. Und du<br />

wirst jetzt gefälligst dein Zimmer aufräumen. Das sieht ja aus,<br />

als hätten hier <strong>die</strong> Menschen gehaust.« Damit drehte sich <strong>die</strong><br />

Meeralte auf der Schwanzspitze um <strong>und</strong> glitt zur Tür hinaus.<br />

16


<strong>Nestis</strong> starrte ihr wütend nach, bis ihr das Mathebuch vors<br />

Gesicht trieb <strong>und</strong> ihr <strong>die</strong> Sicht nahm. So eine Gemeinheit! Ihr<br />

ganzes Taschengeld war für <strong>die</strong> Bernsteinscheibe draufgegangen.<br />

Seufzend schwamm sie hinter dem Mathebuch her <strong>und</strong><br />

fing es ein. Es würde eine Zeitlang dauern, das Zimmer wieder<br />

aufzuräumen.<br />

17


2. Kapitel<br />

Achtelnoten<br />

»<br />

Und dann hat sie mir einfach so <strong>die</strong> ›Rock <strong>die</strong> Nordsee‹<br />

weggenommen. Mann, ich bin vielleicht sauer!«<br />

<strong>Nestis</strong> stand zusammen mit ihren Fre<strong>und</strong>en Nick <strong>und</strong><br />

Mira im Klassenzimmer <strong>und</strong> erzählte von ihrem Streit mit der<br />

Meergroßmutter. Es war <strong>die</strong> letzte Woche vor den Herbstferien,<br />

<strong>und</strong> in der Klasse herrschte gute Stimmung. Nur <strong>die</strong><br />

Meerprinzessin war noch immer übel gelaunt.<br />

»Kann ich verstehen«, sagte Mira. Sie hielt ihr ein Muschelbonbon<br />

hin. <strong>Nestis</strong> schnaubte nur verächtlich. Glaubte <strong>die</strong><br />

Nixe ernsthaft, sie mit Süßigkeiten über den Verlust der Ølpæst-Scheibe<br />

hinwegtrösten zu können?<br />

»Vielleicht hilft dir ja das hier über <strong>die</strong> Sache hinweg?«,<br />

fragte Nick <strong>und</strong> grinste verschwörerisch. Der kleine Wassermann<br />

griff in <strong>die</strong> Innentasche seiner schwarzen Lederjacke.<br />

Über den Rand seiner verspiegelten Sonnenbrille hinweg sah<br />

er sich misstrauisch um, dann zog er eine bräunlich schimmernde<br />

Bernsteinscheibe hervor. »Aber häng’s nicht an <strong>die</strong><br />

große Glocke, ja?«<br />

<strong>Nestis</strong> quietschte auf. Mira machte große Augen. Beide<br />

griffen gleichzeitig zu, doch <strong>Nestis</strong> war schneller. »<strong>Welle</strong>nbrecher«,<br />

las sie andächtig. »Das brandneue Album von Ølpæst?<br />

18


Heilige Hummerkrabbe, das soll doch erst Ende der Woche<br />

erscheinen!«<br />

»Yep«, bestätigte Nick. Er fuhr sich mit der Hand durchs<br />

Haar <strong>und</strong> bemühte sich, cool auszusehen. Aber seine Wangen<br />

glühten vor Stolz. »Mein Cousin ist Tontechniker bei Sirenia<br />

Records. Aber wie gesagt: alles noch geheim.«<br />

In <strong>die</strong>sem Augenblick ertönte hinter den dreien lautes<br />

Schnaufen. Erschrocken fuhren <strong>die</strong> Fre<strong>und</strong>e herum. Aber es<br />

war nur <strong>Otto</strong>, der kleine Riesenkrake. »Macht Platz, ich kann<br />

sie nicht mehr lange halten!«, schnaufte er. Mit sechs seiner<br />

acht Arme hielt er eine Kiste voller Bernsteinscheiben umklammert.<br />

Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen vor Anstrengung.<br />

Hastig wichen <strong>Nestis</strong> <strong>und</strong> Mira zur Seite. <strong>Otto</strong> taumelte<br />

an ihnen vorbei – da passierte es. Der Krake stolperte über<br />

Nicks Dreizack, <strong>die</strong> Kiste flog durchs Wasser, <strong>und</strong> ein blinkender<br />

Regen aus Bernsteinscheiben rieselte zu Boden.<br />

»Oweh, oweh, oweh!«, jammerte <strong>Otto</strong>. Hastig grabschte er<br />

mit allen acht Armen nach den Scheiben. »Kurzschluss röstet<br />

mich, wenn er das sieht. Ach, da ist noch eine, <strong>und</strong> da auch.<br />

Uiuiui, der macht Tintenfischringe aus mir. Das sind doch <strong>die</strong><br />

Hörbeispiele für sein Referat. War das <strong>die</strong> letzte? Oh, danke<br />

fürs Aufheben, <strong>Nestis</strong>, lieb von dir. So, ich glaube, jetzt habe<br />

ich alle wieder beisammen.«<br />

»Hey, Moment mal!«, rief <strong>Nestis</strong>.<br />

Aber schon hatte <strong>Otto</strong> ihr <strong>die</strong> Scheibe aus der Hand gerissen<br />

<strong>und</strong> in <strong>die</strong> Kiste geräumt. Der Krake wuchtete seine Last<br />

auf das Lehrerpult, wo bereits einige Abspielgeräte <strong>und</strong> andere<br />

Apparate standen, <strong>und</strong> stellte sich wie ein Wachtposten der<br />

Schwertfischgarde davor.<br />

19


»Finger weg!«, blubberte er. »Ihr wisst doch, wie der Kleine<br />

ist, wenn er unter Strom steht.«<br />

»Aber …«, sagte <strong>Nestis</strong>.<br />

»Auf <strong>die</strong> Plätze, Kinder!«, schnarrte da <strong>die</strong> Stimme des Mathelehrers<br />

durch den Raum. Herr Seestern stolzierte auf seinen<br />

fünf orangefarbenen Armen ins Klassenzimmer, dicht gefolgt<br />

von Kurzschluss, dem Zitteraal. Kurzschluss war aufgeregt, das<br />

konnte man deutlich sehen. Um ihn herum knisterte das Wasser<br />

vor Elektrizität, <strong>und</strong> hinter seinen r<strong>und</strong>en Brillengläsern<br />

zuckten fischbauchweiße Blitze. Dabei hatte der kleine Elektrofisch<br />

keinen Gr<strong>und</strong>, nervös zu sein, dachte <strong>Nestis</strong>. Immerhin<br />

war er nicht nur Klassenbester in Bruchrechnen, er hatte auch<br />

schon oft bei »Jugend forscht« gewonnen <strong>und</strong> würde ein blitzgescheites<br />

Referat halten, garantiert.<br />

»Guten Morgen, Kinder!«, begrüßte der Lehrer <strong>die</strong> Klasse.<br />

»Wir wollen uns heute nicht mit Bruchrechnen befassen. Euer<br />

Klassenkamerad Kurzschluss hat sich bereit erklärt, uns ein<br />

20


paar Einblicke in sein neues ›Jugend forscht‹-Projekt zu gewähren.<br />

Bitte, Kurzschluss.«<br />

»Ja. Ähm …« Kurzschluss baute sich hinter dem Lehrerpult<br />

<strong>und</strong> der Ansammlung von Apparaten auf. <strong>Otto</strong> stand stolz daneben.<br />

Er kam sich ungeheuer wichtig vor, immerhin war er der<br />

persönliche Assistent des Referenten. Kurzschluss räusperte<br />

sich. »Ich befasse mich derzeit mit akustischen Phänomenen,<br />

genauer gesagt: mit ihrer Konservierung <strong>und</strong> Verbreitung.«<br />

<strong>Nestis</strong> hob den Arm.<br />

»Ja, <strong>Nestis</strong>?«, fragte der Zitteraal irritiert.<br />

»Was heißt ›akustische Phänomene‹?«<br />

»Sachen, <strong>die</strong> man hören kann«, murmelte Nick.<br />

Kurzschluss runzelte <strong>die</strong> Stirn. »Töne«, sagte er. »Es geht um<br />

Geräusche <strong>und</strong> darum, wie man sie speichert <strong>und</strong> transportiert.«<br />

»Danke«, sagte <strong>Nestis</strong>. »Jetzt habe ich es verstanden.«<br />

Kurzschluss glitt zur Tafel <strong>und</strong> schrieb mit dramatischem<br />

Flossenwedeln eine Zahl auf: 343 Meter pro Sek<strong>und</strong>e. »Weiß<br />

jemand, wer so schnell ist?«<br />

»Ein Schwertfisch?«, fragte Mira.<br />

»Ein Delfin?«, vermutete Nick.<br />

»Kurzschluss, wenn er Rechenaufgaben löst«, sagte <strong>Otto</strong>. Alles<br />

lachte.<br />

<strong>Nestis</strong> hob den Arm.<br />

»Ja, <strong>Nestis</strong>?«<br />

»Akustische Phänomene?«, fragte sie zögernd.<br />

Kurzschluss strahlte. »Richtig, <strong>Nestis</strong>. Wir sprechen von der<br />

so genannten Schallgeschwindigkeit. Töne bewegen sich mit<br />

343 Metern pro Sek<strong>und</strong>e durch <strong>die</strong> Luft. Und das ist verfischt<br />

21


schnell. Aber, <strong>und</strong> jetzt kommt es, wenn ich sage ›durch <strong>die</strong><br />

Luft‹ dann meine ich auch nur ›durch <strong>die</strong> Luft‹. Denn hier im<br />

Meerwasser ist der Schall noch viel schneller.« Ganz langsam<br />

schrieb er eine neue Zahl an <strong>die</strong> Tafel: 1500 Meter pro Sek<strong>und</strong>e.<br />

»Wir befassen uns also mit einem der schnellsten, aber<br />

auch mit einem der flüchtigsten Phänomene des Meeres.«<br />

Würdevoll schwamm er von der Tafel zurück <strong>und</strong> betrachtete<br />

<strong>die</strong> Zahl andächtig. Ganz so, als könne er es selbst nicht<br />

glauben, dass etwas so schnell sein konnte. Dann räusperte<br />

er sich. »Wir kommen nun zu einer Reihe kleiner, aber feiner<br />

akustischer Experimente. Hierzu habe ich euch als Beispiel<br />

eine Komposition von Aquarius Maritimus Bach mitgebracht,<br />

einem Tonkünstler aus einer weitverzweigten Komponistenfamilie,<br />

von der es sogar Vertreter auf dem Festland geben soll.<br />

Beachtet bitte <strong>die</strong> charakteristische Folge von Viertel- <strong>und</strong><br />

Achtelnoten in den ersten Takten.«<br />

»Schon wieder Bruchrechnen!«, maulte Nick.<br />

Kurzschluss warf dem Wassermann einen vernichtenden<br />

Blick zu, dann wandte er sich an den Kraken: »<strong>Otto</strong>, leg bitte<br />

Hörbeispiel eins ein.«<br />

<strong>Otto</strong> schob eine Bernsteinscheibe auf den Plattenteller.<br />

»Nein!«, schrie <strong>Nestis</strong>. Aber zu spät.<br />

»Eisgraue <strong>Welle</strong>n, yeah, Baby,<br />

Gischt <strong>und</strong> Möwenschrei!<br />

Tanz auf dem Deich, Baby,<br />

bis <strong>die</strong> Sturmflut uns holt!«,<br />

röhrte es aus dem Muscheltrichter.<br />

<strong>Otto</strong> starrte verdutzt auf <strong>die</strong> kreisende Bernsteinscheibe, doch<br />

niemand achtete auf den Kraken. Im Klassenzimmer brach ein<br />

22


Sturm der Begeisterung los. Meermädchen <strong>und</strong> Was serjungen<br />

waren aufgesprungen. Fische <strong>und</strong> Seepferdchen schossen in<br />

<strong>die</strong> Höhe. Muscheln klappten im Takt <strong>die</strong> Schalen auf <strong>und</strong> zu,<br />

alles tanzte, kreischte, jubelte. »Ølpæst!«, jauchzte ein Schwertfischjunge<br />

<strong>und</strong> schlug einen Salto, bei dem sein Nasenschwert<br />

gefährlich nahe an Nicks Ohrläppchen vorbeizischte.<br />

<strong>Nestis</strong> spürte, wie ihr der Rhythmus in <strong>die</strong> Schuppen griff.<br />

Sie war aufgesprungen <strong>und</strong> stand senkrecht im Wasser, dann<br />

begann sie, sich zu drehen, zuckend wie ein Zitterrochen in<br />

einer Wasserhose, sie wirbelte auf der Schwanzspitze herum,<br />

warf <strong>die</strong> Arme hoch <strong>und</strong> riss sich <strong>die</strong> Spange aus den Haaren.<br />

Ihre rote Mähne flog um sie herum, alles verschwamm<br />

vor ihren Augen in einem Wirbel aus Farben, Blitzen <strong>und</strong> akustischen<br />

Phänomenen.<br />

»Ich bin dein <strong>Welle</strong>nbrecher,<br />

lass <strong>die</strong> Sturmflut<br />

über uns zusammenbrechen, Baby, <strong>und</strong> dann …«<br />

Die Musik brach ab.<br />

Verstört <strong>und</strong> bewegungslos trieben <strong>die</strong> Schüler im Klassenzimmer.<br />

Herr Seestern stand hummerrot glühend neben dem<br />

Audiophon <strong>und</strong> hielt den Ton-Arm anklagend in <strong>die</strong> Höhe. »Das<br />

genügt«, sagte der Mathelehrer mit schneidender Stimme.<br />

»Aber ich wollte doch nur <strong>die</strong> Achtelnoten …«, stammelte<br />

Kurzschluss.<br />

»Danke, das war eine sehr eindrucksvolle Demonstration«,<br />

zischte Herr Seestern. »Kurzschluss, das hätte ich nicht von dir<br />

erwartet.«<br />

<strong>Nestis</strong> hob <strong>die</strong> Hand. »Es war meine Schuld, Herr Seestern.<br />

Die Scheibe ist nur irrtümlich …«<br />

23


»Natürlich.« Der Lehrer schnaubte verächtlich. »Es hätte<br />

mich auch gew<strong>und</strong>ert, wenn nicht unsere Prinzessin ihre Finger<br />

mit im Spiel gehabt hätte. Eine solche Missachtung meines<br />

Unterrichts …«<br />

Er kam nicht weiter. Ein durch den Raum treibendes Mathebuch<br />

traf seinen Rücken <strong>und</strong> schubste den Lehrer vom Pult.<br />

Die Klasse lachte.<br />

»Ruhe!«, schnarrte der Seestern. »<strong>Nestis</strong> <strong>und</strong> Kurzschluss,<br />

ihr beide werdet nachsitzen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Aufgaben von Seite 17<br />

<strong>und</strong> 18 rechnen.«<br />

»Aber <strong>Nestis</strong> kann doch nichts dafür!«, empörte sich Mira.<br />

»Und du sitzt auch nach«, fauchte Herr Seestern.<br />

»Das ist ungerecht, Mira hat gar nichts gemacht«, schaltete<br />

sich nun auch Nick ein. »Ich hatte <strong>die</strong> Scheibe für <strong>Nestis</strong><br />

mitgebracht, aber dann hat <strong>Otto</strong> <strong>die</strong> Kiste fallen lassen, <strong>und</strong><br />

dann …«<br />

»Also alle fünf«, schloss Herr Seestern. »Es hätte mich auch<br />

gew<strong>und</strong>ert. Ihr werdet alle fünf nach dem Unterricht hierbleiben<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Aufgaben lösen. Und das hier behalte ich.« Damit<br />

steckte er <strong>die</strong> »<strong>Welle</strong>nbrecher« in seine Aktentasche.<br />

So eine Gemeinheit, dachte <strong>Nestis</strong>. Aber sie sagte lieber<br />

nichts mehr.<br />

Tom hockte an seinem Schreibtisch <strong>und</strong> machte seine Schulaufgaben.<br />

Doch plötzlich horchte er auf. Das Rauschen der<br />

Brandung von Achtern<strong>die</strong>k ertönte – sein selbst aufgenommener<br />

Klingelton, auf den der Junge sehr stolz war. Er kramte<br />

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sein Handy aus der Hosentasche. »Unbekannter Teilnehmer«,<br />

las er. Seltsam. Er kannte gar keine Unbekannten. »Hallo?«,<br />

meldete er sich.<br />

»Hurra, es klappt!«, brach auf der anderen Seite ein Jubelgeschrei<br />

aus.<br />

»Wir haben Kontakt!«<br />

»Ich habe doch gesagt, dass es funktioniert.«<br />

»Hallo Tom!«<br />

»Wie geht es dir?«<br />

Es waren mindestens vier Stimmen, <strong>die</strong> durcheinander<br />

schwatzten. Nein, fünf. Moment, <strong>die</strong> eine kannte er doch.<br />

»<strong>Nestis</strong>, bist du das?« Der Menschenjunge konnte es kaum<br />

fassen. Er hatte seit den Sommerferien nichts mehr von seiner<br />

Fre<strong>und</strong>in aus der Nordsee gehört.<br />

»Ja, klar! Hallo Tom!«<br />

»Wir machen ein wissenschaftliches Experiment«, nuschelte<br />

eine andere Stimme.<br />

Tom zuckte zusammen. Er hatte einen leichten elektrischen<br />

Schlag an der Ohrmuschel gespürt. »Kurzschluss? Wieso<br />

könnt ihr mich auf dem Handy erreichen?«<br />

»Das ist Teil eines Projekts für ›Jugend forscht‹. Ich experimentiere<br />

mit verschiedenen Möglichkeiten, Schall zu übertragen,<br />

<strong>und</strong> habe gerade einen enormen Durchbruch erzielt. Und<br />

zwar arbeite ich an einer Verbindung aus Funkwellen <strong>und</strong> Wasserschall.<br />

Ich gestehe, dass ich selbst beeindruckt bin. Es ist<br />

also möglich, das Muschelphon-Netz mit dem menschlichen<br />

Mobilfunknetz zu verknüpfen. Ein grandioser Fortschritt.«<br />

»Ja, <strong>und</strong> ich habe <strong>die</strong> Kiste getragen«, blubberte jemand dazwischen.<br />

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Doch dann begann es, in Toms Handy zu knistern <strong>und</strong> zu<br />

knacken. »Moment«, knarzte <strong>die</strong> Stimme des kleinen Zitteraals<br />

aus dem Lautsprecher. »Ich muss offenbar <strong>die</strong> Feineinstellungen<br />

noch etwas justieren <strong>und</strong> …«<br />

»Puff!« Das Gespräch brach ab.<br />

Tom blickte enttäuscht auf sein Handy. Schade.<br />

<strong>Nestis</strong>, Kurzschluss, Nick, Mira <strong>und</strong> <strong>Otto</strong> hockten im halbdunklen<br />

Klassenraum <strong>und</strong> sahen sich erschrocken an. Kurzschluss<br />

glühte rötlich vor sich hin <strong>und</strong> spendete ein wenig trübes Licht.<br />

»Stromausfall«, diagnostizierte er. »Offenbar hat mein Ultra-Radiomat<br />

das Leitungsnetz überlastet <strong>und</strong> damit auch das<br />

Ton-o-phon lahmgelegt. Wir hätten vielleicht doch lieber mit<br />

den Achtelnoten von Aquarius Maritimus Bach anfangen sollen.«<br />

»Hummer, Barsch <strong>und</strong> Zwergwal!« Herr Seestern stieß <strong>die</strong><br />

Tür des Klassenzimmers auf. »Kann man euch denn nicht mal<br />

für fünf Minuten unbeaufsichtigt nachsitzen lassen!«<br />

»Wir haben doch nur ein wissenschaftliches Ex… ähm …<br />

Ex… Also, so einen Versuch, den haben wir nämlich gemacht«,<br />

blubberte <strong>Otto</strong>.<br />

»Rechnen! Rechnen solltet ihr!«, schimpfte Herr Seestern.<br />

»Die Aufgaben von Seite 17 <strong>und</strong> 18 solltet ihr lösen.«<br />

»Hab’ ich doch gemacht!«, strahlte Kurzschluss. Stolz überreichte<br />

er dem Mathelehrer sein Heft. »Und <strong>die</strong> von Seite 19<br />

hab’ ich auch gleich mit erledigt. Hat Spaß gemacht.«<br />

Der Blick des Seesterns wurde milder, als er den eifrigen Zitteraal<br />

ansah. Eigentlich war Kurzschluss sein Lieblingsschüler.<br />

Wenn er nur nicht immer in so schlechte Gesellschaft geriete.<br />

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»Wir haben’s zusammen gemacht«, sagte Nick schnell.<br />

»Frau Herzmuschel hat gesagt, dass es wichtig ist, Teamarbeit<br />

zu lernen.«<br />

Das war nicht gelogen. Mira hatte den Zitteraal bei der Rechenarbeit<br />

mit ihren Pausenbroten (Krabbenschnittchen) verwöhnt,<br />

<strong>Otto</strong> hatte den abgebrochenen Bleistift angespitzt, was<br />

Kurzschluss mit seinen kurzen Vorderflossen nicht gut konnte,<br />

<strong>Nestis</strong> als Klassenbeste im Lesen hatte <strong>die</strong> Textaufgaben<br />

vorgelesen, <strong>und</strong> Nick hatte immer »Gut so, Kurzschluss, du<br />

schaffst es« gesagt.<br />

»Rasselbande«, grummelte der Seestern. Er winkte müde<br />

mit einem seiner orangefarbenen Arme. »Nachsitzen beendet«,<br />

hieß das.<br />

»<strong>Otto</strong>, Nick, könntet ihr mit beim Tragen helfen?«, fragte<br />

Kurzschluss. Schwer beladen mit Bernsteinscheiben <strong>und</strong><br />

Apparaten verließen sie <strong>die</strong> Schule. Als sie sich noch einmal<br />

umdrehten, sahen sie, wie eine Gruppe Zitteraale vom Elektrizitätswerk<br />

das Schultor durcheilte. Ganz vorn schwamm Kurzschluss’<br />

Vater. Wenig später gingen in der Schule wieder <strong>die</strong><br />

Lichter an.<br />

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