HEIMATLIEBE-BIGGESEE Augabe 9 Winter 2019/20
Die Ausgabe für die Region Biggesee - Heimatliebe – Dein Magazin, Deine Region, Deine Geschichten.
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Weltläden – mehr als ein Laden<br />
Fairer Handel: Eine Bewegung wird 50!<br />
Adelheid Lütteke vom Weltladen in Attendorn erinnert sich noch gut an den Nicaragua-Kaffee, den sie<br />
in den 1980er-Jahren in ihrer Tasse hatte. Viel zu scharf gebrannt, nicht gut für den Magen und schlecht<br />
im Geschmack. „Man trank ihn aus Solidarität.“ Und damit sind wir mitten im Thema: Weltläden und die<br />
Idee des fairen Handels, heute aktueller denn je, weil globaler als je zuvor. Und der Kaffee, wie ehedem,<br />
nicht nur das umsatzstärkste Produkt, sondern auch Pionier und Symbol. Weltweit wichtigstes Agrarprodukt<br />
und nach Öl wichtigstes Handelsprodukt zeigen sich an ihm die unfairen Beziehungen besonders<br />
deutlich. Auf der Seite des globalen Südens geschundene Kleinbauern, auf der anderen Seite eine<br />
Latte Macchiato schlürfende Wohlstandsgesellschaft und viel Geld, das damit verdient wird.<br />
In Deutschland gibt es etwa 800 Weltläden und daneben<br />
noch einige Tausend Aktionsgruppen. Das allein ist schon<br />
eine Besonderheit: Weltläden waren und sind noch heute<br />
ausgeprägt basisorientiert. In Attendorn engagieren sich dafür<br />
etwa 50 Bürger ehrenamtlich. Hier, in der Hansestadt, gibt es<br />
den heute einzigen Weltladen mit eigenem Ladenlokal rund<br />
um den Biggesee. Aber wie hat eigentlich alles angefangen?<br />
Was war Motivator und wie sieht es heute aus, in Zeiten, in<br />
denen aus der einst sozialen Bewegung eine eigene Handelsbranche<br />
geworden ist?<br />
Die Dritte Welt und<br />
Franziskanerpater Alfred Schnüttgen<br />
Erinnern Sie sich noch an die 1980er-Jahre? Junge Frauen<br />
trugen lila Latzhosen, Töchter färbten Opas Hemden ein und<br />
die Aussteuerbettwäsche gleich dazu und an Parkas und<br />
Taschen sah man Peace-Zeichen, Regenbogen und Anti-<br />
Atomkraft-Sonne. Es war die Hochzeit der neuen sozialen<br />
Bewegung, mit der sich Öko-, Friedens- und Anti-Atomkraft-<br />
Bewegung sowie weitere verschiedene Teilbewegungen wie<br />
beispielsweise die Frauenbewegung und auch Bürgerinitiativen<br />
rasant entwickelten. Saurer Regen, Waldsterben und Ozonloch,<br />
Wettrüsten und Nato-Doppelbeschluss sowie Ungerechtigkeit<br />
im Welthandel: es gab viele Gründe. In diesem<br />
Klima spürten auch die damals noch sogenannten Dritte-<br />
Welt-Läden Rückenwind. Aus der Dritten Welt – ein Begriff<br />
aus den Zeiten des Kalten Krieges – ist heute längst die<br />
eine Welt geworden. Und aus dem Dritte-Welt-Laden<br />
der Weltladen.<br />
Wenn es um die Geschichte der Weltläden in Deutschland<br />
geht, muss man mit 1970 beginnen. In diesem Jahr initiierten<br />
die evangelischen und katholischen Jugendverbände aus<br />
Kritik an der Entwicklungspolitik die sogenannten Hungermärsche,<br />
mit einer riesigen Resonanz: 30.000 Menschen in<br />
70 Städten nahmen teil. Daraus entstand die „Aktion Dritte<br />
Welt Handel“ mit dem Verkauf fair gehandelter Produkte<br />
auf Märkten oder nach den Gottesdiensten, verbunden mit<br />
Kampagnenarbeit und Bewusstseinsbildung. 1973 eröffnete<br />
der deutschlandweit erste Dritte-Welt-Laden in Stuttgart.<br />
1975 gründete sich dann der Weltladen-Dachverband als<br />
Interessenvertretung sowie die heute europaweit größte<br />
Organisation für fairen Handel, GEPA, mit Misereor, Brot<br />
für die Welt, den kirchlichen Jugendverbänden und den<br />
Sternsingern im Hintergrund.<br />
In diese Zeit sind auch die Attendorner Anfänge zu verorten.<br />
In Neu-Listernohl nämlich hatte sich eine Gruppe um den in<br />
Attendorn geborenen Franziskanerpater Alfred Schnüttgen<br />
gebildet, der sich in Brasilien für die politischen und sozialen<br />
Rechte der Fischer einsetzte. Aus dieser Keimzelle und im<br />
Zusammenschluss mit weiteren engagierten Menschen entwickelte<br />
sich der Weltladen, der am 29. Oktober 1985 am<br />
Kirchplatz erstmals seine Türen öffnete. Ähnliche Entwicklungen<br />
gab es in Olpe. Dort hatte der Weltladen lange ein<br />
eigenes Domizil im Engelsturm. Heute ist er im Kirchenladen<br />
untergebracht. In Wenden gibt es Weltladen-Produkte<br />
im Pastoralverbundbüro.<br />
Bellebaum und Muggel<br />
Jute<br />
statt<br />
Plastik<br />
Kürzlich bezog der Attendorner Weltladen sein neues Domizil<br />
an der Ennester Straße. „Auch ein Weltladen muss heute<br />
modern sein. Vom Lokal bis zum Internet“, sagt Adelheid<br />
Lütteke. Und um dahingehend professioneller zu sein, habe<br />
© Atstock Productions_shutterstock<br />
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