ZAP-2020-01
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Verfassungsrecht/Verwaltungsrecht Fach 19, Seite 957<br />
Rechtsschutz im Kommunalabgabenrecht<br />
Rechtsbehelfe gegen Kostenentscheidungen haben nur dann keine aufschiebende Wirkung, wenn<br />
• sie sich gegen isolierte Kostenentscheidungen richten, die ohne materielle Entscheidung in der<br />
Hauptsache ergehen,<br />
• sie die Kostenentscheidung isoliert anfechten und der Verwaltungsakt in der Hauptsache bereits<br />
bestandskräftig ist<br />
• oder der Verwaltungsakt in der Hauptsache selbst eine Abgaben- oder Kostenstreitigkeit i.S.d. § 80<br />
Abs. 2 Nr. 1 VwGO darstellt.<br />
2. Aussetzung der Vollziehung gem. § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO<br />
In den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 soll die Aussetzung der Vollziehung gem. § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO durch die<br />
Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des<br />
angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen<br />
eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge<br />
hätte. § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO findet bei der gerichtlichen Anordnung des Suspensiveffekts in den Fällen<br />
des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO entsprechende Anwendung (BVerwG BayVBl. 1982, 442; OVG Hamburg<br />
NVwZ-RR 1992, 318, 319; OVG Schleswig NVwZ-RR 1992, 106, 107).<br />
Praxishinweis:<br />
§ 80 Abs. 4 VwGO findet seine Entsprechung in § 86a Abs. 3 SGG. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung<br />
zu dieser Norm kann deshalb grds. auch für die Lösung rein verwaltungsrechtlicher Fälle herangezogen<br />
werden.<br />
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts<br />
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen immer dann,<br />
wenn der Erfolg des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie<br />
sein Misserfolg (vgl. REDEKER/VON OERTZEN, a.a.O., § 80 Rn 36). Die Rechtsprechung ist aber in diesem<br />
Punkt uneinheitlich: Nach Auffassung des OVG Hamburg (a.a.O.), des OVG Koblenz (DVBl. 1984, 1134,<br />
1135), des VGH Mannheim (VBlBW 1983, 246), des OVG Münster (NVwZ-RR 1994, 617) und des OVG<br />
Saarlouis (DÖV 1987, 1115) ist die Rechtmäßigkeit eines Heranziehungsbescheids ernstlich zweifelhaft,<br />
wenn der Erfolg des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als der Misserfolg.<br />
Demgegenüber halten es das BVerwG (a.a.O.), das OVG Lüneburg (NVwZ-RR 1989, 328) und das OVG<br />
Schleswig (a.a.O.) für ausreichend, wenn der Erfolg ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl.<br />
GATZ, a.a.O., S. 911). Der Regelung des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO ist nach der Rechtsprechung des OVG<br />
Münster demgegenüber die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass er für diesen Bereich das<br />
öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug generell höher bewertet als das private Interesse an einer<br />
vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht. Dieser Wertung entspricht es, für die der gesetzgeberischen<br />
Grundentscheidung im Einzelfall gegenläufige Anordnung der aufschiebenden Wirkung<br />
eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren zu<br />
fordern. Dass der Bundesfinanzhof den Begriff der ernstlichen Zweifel in § 69 Abs. 3 S. 1 FGO i.V.m. § 69<br />
Abs. 2 S. 2 FGO in ständiger Rechtsprechung anders auslegt, ändert daran nach dieser Rechtsprechung<br />
nichts. Der Maßstab überwiegender Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Rechtsbehelfs in der<br />
Hauptsache ist danach auch nicht zu unbestimmt (OVG Münster, Beschl. v. 14.9.2<strong>01</strong>7 – 14 B 939/17).<br />
Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verlange nicht, die aufschiebende Wirkung schon bei einem nur möglichen Erfolg<br />
des Rechtsbehelfs in der Hauptsache anzuordnen. Die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen<br />
gegen Verwaltungsakte sei durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht schlechthin und ausnahmslos garantiert.<br />
Überwiegende öffentliche Belange könnten es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Einzelnen<br />
einstweilen zurückzustellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.4.1992 – 2 BvR 283/92, BB 1992, 1772).<br />
Im Ergebnis ist diese Rechtsprechung vor allem unter Beachtung des Grundsatzes der Waffengleichheit<br />
zwischen Behörde und Bürger abzulehnen; eine gleiche Wahrscheinlichkeit für Erfolg oder<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. 1 6.1.<strong>2020</strong> 59