ZAP-2020-01
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Fach 19, Seite 956<br />
Verfassungsrecht/Verwaltungsrecht<br />
Rechtsschutz im Kommunalabgabenrecht<br />
Die aufschiebende Wirkung entfällt nur unter zwei Voraussetzungen:<br />
1. Es muss sich um eine öffentliche Abgabe oder um öffentliche Kosten handeln und<br />
2. diese müssen nicht nur festgesetzt, sondern auch in einer spezifischen Weise angefordert worden<br />
sein (vgl. QUAAS u.a., Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2<strong>01</strong>8, § 4 Rn 126), z.B. durch<br />
Heranziehungsbescheid, Steuerbescheid, Gebührenbescheid oder Beitragsbescheid (s. FINKELNBURG<br />
u.a., Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2<strong>01</strong>7, Rn 691).<br />
Unter öffentlichen Abgaben sind zunächst Steuern, Gebühren und Beiträge im klassischen Sinn zu<br />
verstehen. Darüber hinaus sieht ein großer Teil der Rechtsprechung jegliche öffentlich-rechtliche<br />
Geldleistungspflicht mit Finanzierungsfunktion für einen öffentlichen Haushalt, die nicht gänzlich<br />
untergeordneter Zweck ist, als eine Abgabe i.S.d. Nr. 1 an (vgl. REDEKER/VON OERTZEN, Kommentar zur<br />
VwGO, 16. Aufl. 2<strong>01</strong>4, § 80 Rn 15 m.w.N.). Die Abgabe muss aber nicht primär auf die staatliche<br />
Einnahmeerzielung ausgerichtet sein. Es reicht aus, wenn die öffentliche Geldlast neben anderen<br />
Funktionen – etwa einer Lenkungs-, Antriebs-, Zwangs- oder Straffunktion – auch die der Deckung<br />
des öffentlichen Finanzbedarfs besitzt (vgl. SODAN/ZIEKOW, Kommentar zur VwGO, 5. Aufl. 2<strong>01</strong>8, § 80<br />
Rn 58 m.w.N.). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit<br />
öffentlich-rechtlicher Abgaben sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt<br />
(vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.7.2003 – 2 BvL 1/99, BVerfGE 108, 186, 235 f).<br />
Beispiel:<br />
Eine Steuer ist beispielsweise auch die vielfach angefochtene „neue“ Rundfunkabgabe (vgl. HUFEN,<br />
Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl. 2<strong>01</strong>6, § 32 Rn 10 m.w.N.). Der mit der Erhebung des Rundfunkbeitrags<br />
ausgeglichene Vorteil soll in der Möglichkeit liegen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu<br />
können (BVerfG, Urt. v. 18.7.2<strong>01</strong>8 – 1 BvR 1675/16).<br />
§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO erfasst auch den Fall der Geltendmachung von Steuerrückständen mittels<br />
Haftungsbescheids. Denn der Haftungsbescheid nach § 191 AO erfüllt ebenso wie der Steuerbescheid<br />
den Zweck, die Erfüllung der finanziellen Verpflichtungen der öffentlichen Hand zu sichern (VG<br />
Gelsenkirchen, Beschl. v. 13.12.2<strong>01</strong>2 – 5 L 1218/12).<br />
Keine Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sind die i.V.m. einer Sachentscheidung in einem<br />
Verwaltungsakt oder Widerspruchsbescheid aufgrund einer Kostenentscheidung anfallenden unselbstständigen<br />
Kosten. Auch von einer Gemeinde aufgewandte Bestattungskosten sind keine<br />
solchen Kosten (vgl. SCHENKE, Kommentar zur VwGO, 24. Aufl. 2<strong>01</strong>8, § 80 Rn 63 m.w.N.). Soweit nach<br />
der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung die Kosten einer Ersatzvornahme keine<br />
öffentlichen Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind und deren Geltendmachung auch keine<br />
Vollstreckungsmaßnahme i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO ist (vgl. u.a. OVG Koblenz, Beschl. v. 28.7.1998 –<br />
1 B 11553/98; OVG Berlin, Beschl. v. 13.4.1995 – 2 S 3.95), bezieht sich dies ausschließlich auf die bei der<br />
Ersatzvornahme anfallenden Auslagen und Kosten der Vollstreckungsbehörde, nicht dagegen auf eine<br />
in Zusammenhang mit der Vollstreckung zusätzlich anfallende Verwaltungsgebühr (VG Köln, Beschl.<br />
v. 20.07. 2<strong>01</strong>2 – 25 L 152/10).<br />
Praxishinweis:<br />
Rechtsbehelfen gegen Sachentscheidungen kommt in keinem Fall eine aufschiebende Wirkung (auch)<br />
im Hinblick auf damit zusammenhängende (Verwaltungs-)Kostenentscheidungen zu. Diese sind<br />
vielmehr stets nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbar, unabhängig davon, ob sie mit<br />
anfechtbaren Sachentscheidungen verbunden oder aber „selbstständig“ ergangen sind, ob ein Rechtsbehelf<br />
gegen die Sachentscheidung aufschiebende Wirkung hat und ob die Kostenentscheidungen<br />
vom rechtlichen Schicksal der jeweiligen Sachentscheidungen abhängig sind.<br />
58 <strong>ZAP</strong> Nr. 1 6.1.<strong>2020</strong>