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ZAP-2020-01

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Immobiliarsachenrecht/WEG-Recht Fach 7, Seite 555<br />

Rechtsmittelbeschwer<br />

III. Besonderheiten der Beschwer im Wohnungseigentumsrecht<br />

Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde für Wohnungseigentumssachen erst für anzufechtende Entscheidungen<br />

eröffnet, die nach dem 31.12.2<strong>01</strong>5 verkündet worden sind, § 62 Abs. 2 WEG. ZSCHIESCHACK<br />

(NZM 2<strong>01</strong>6, 20, 21) hat bereits zu Beginn des Jahres 2<strong>01</strong>6 darauf hingewiesen, in der Praxis werde sich die<br />

Beschwer als Hauptproblem der seit dem 1.1.2<strong>01</strong>6 geltenden Rechtslage herausstellen. Auf Grund der<br />

„sperrigen und in der Praxis kaum handhabbaren“ Vorschrift des § 49a GKG entspreche der Streitwert nahezu<br />

nie der Beschwer. Dass dem in der Tat so ist, mussten seither viele Beschwerdeführer, deren Beschwerde<br />

von dem V. Zivilsenat als unzulässig verworfen wurde, erfahren. Die nachfolgende Darstellung<br />

berücksichtigt primär die Rechtsprechung des für u.a. für das Wohnungseigentumsrecht zuständigen<br />

V. Zivilsenats des BGH (s. bereits BRÄNDLE, ZfIR 2<strong>01</strong>7, 553 und BRÄNDLE, Kolumne <strong>ZAP</strong> 2<strong>01</strong>7, 1217 f).<br />

Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der<br />

angefochtenen Entscheidung („Angreiferinteresse“; s. schon RG, Urt. v. 27.12.1899 – VI 76/99, RGZ 45, 402,<br />

403-405; im Einzelnen: BRÄNDLE, <strong>ZAP</strong> 2<strong>01</strong>9, 753 = F. 13, S. 2247). Die Parteirolle des Beschwerdeführers ist<br />

unerheblich. Die Beschwer der Parteien ist nicht zwangsläufig identisch. Es ist allein auf die Person des<br />

Rechtsmittelführers, seine Beschwer und sein Änderungsinteresse abzustellen; entscheidend ist der<br />

rechtskraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung (BGH, Beschl. v. 19.6.2<strong>01</strong>3 – V ZB 182/12, juris<br />

Rn 7). Dieses Interesse ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Nichts anderes gilt in<br />

wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren (BGH, Beschl. v. 6.12.2<strong>01</strong>8 – V ZR 63/18, juris Rn 2).<br />

1. Beschwer und Streitwert<br />

Nach § 49a Abs. 1 S. 1 GKG ist der Streitwert in Wohnungseigentumssachen auf 50 % des Interesses der<br />

– also beider – Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Die jeweiligen<br />

Interessen sind, auch soweit sie sich überschneiden, zu addieren und das Ergebnis ist sodann durch zwei<br />

zu teilen. Nach § 49a Abs. 1 S. 2 GKG wird er nach unten auf das Interesse des Klägers und der auf seiner<br />

Seite Beigetretenen und nach oben auf das Fünffache hiervon begrenzt. Nach § 49a Abs. 1 S. 3 GKG stellt<br />

der Verkehrswert des Wohnungseigentums zudem die absolute Obergrenze dar. Eine entsprechende<br />

Obergrenze gibt es in § 49a Abs. 2 GKG für Klagen gegen einzelne Wohnungseigentümer. Das Gericht<br />

muss den gem. § 49a Abs. 1 S. 3 GKG für die Obergrenze maßgeblichen Verkehrswert schätzen. Da eine<br />

sachverständige Begutachtung i.R.d. Streitwertfestsetzung nicht in Betracht kommt, ist es Sache der<br />

Partei, dem Gericht die für die Schätzung erforderliche Tatsachengrundlage zu unterbreiten (BGH,<br />

Beschl. v. 6.12.2<strong>01</strong>8 – V ZR 239/17, juris Rn 5). Die Verkehrswerte mehrerer Wohnungseigentumseinheiten<br />

desselben Klägers sind zusammenzurechnen; maßgeblich ist der Verkehrswert aller Einheiten<br />

eines Klägers, obwohl das Wohnungseigentum des Klägers in der Norm im Singular genannt wird (BGH,<br />

Beschl. v. 6.12.2<strong>01</strong>8 – V ZR 239/17, juris Rn 5).<br />

Die Vorschrift ist zwar vielleicht etwas sperrig, aber durchaus handhabbar, wenn die Parteien zu ihrem<br />

jeweiligen Interesse vortragen. Das Praxisproblem für den in dritter Instanz tätigen Rechtsanwalt beim<br />

BGH liegt eher darin, dass die Parteien gar nicht oder nicht ausreichend vortragen und sich die<br />

Instanzgerichte mit rudimentären Angaben zufriedengeben und froh sind, den Streitwert irgendwie<br />

– und sei es freihändig am Gesetz vorbei – festzusetzen.<br />

Praxistipp:<br />

Das Interesse des Mandanten ist plausibel darzulegen und glaubhaft zu machen. Freihändige Streitwertfestsetzungen<br />

durch die Instanzgerichte sind zu beanstanden.<br />

Selbst einem Kläger, der den Rückbau einer vom Beklagten eigenmächtig vorgenommenen Erneuerung der<br />

Zuwegung verlangt (BGH, Beschl. v. 6.4.2<strong>01</strong>7 – V ZR 254/16, juris Rn 1), wird es von den Instanzgerichten<br />

offenbar durchgelassen, dass er zu seinem eigenen Interesse kein Wort sagt, um den Streitwert dann<br />

kurzerhand und außerhalb des Gesetzes auf die Kosten der Baumaßnahmen festzusetzen (BGH, Beschl.<br />

v. 6.4.2<strong>01</strong>7 – V ZR 254/16, juris Rn 5). Diese Sachbehandlung war jedoch fehlerhaft. Gerade der Kläger muss<br />

– wie immer – primär sein Interesse und nicht das des Gegners darlegen, sonst kann schon nicht überprüft<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. 1 6.1.<strong>2020</strong> 35

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