AJOURE / INTERVIEW Ein ebenfalls tolles und gleichzeitig trauriges Lied auf „Schritte“ ist der Song „In meiner Erinnerung“. Eine Story, die dir 2003 passierte und die wir 16 Jahre später hören dürfen. Warum jetzt und worum geht es? Auch eine gute Frage (grinst)! Es gibt ein paar Sachen, für die man versucht, einen guten Platz zu finden, weil man vielleicht hofft, dass sie nicht in Vergessenheit geraten, aber dennoch kurz ausruhen können. Dann hast du zwar gedacht, dass sie an diesem Platz gut aufgehoben sind und nicht hochkommen und auf einmal, sozusagen 16 Jahre später, stellst du fest, dass sie dich noch immer beschäftigen und lebendiger sind, als du vermutet hättest. Ich habe 2003 sehr früh meinen Vater verloren und habe festgestellt, dass ich zum damaligen Zeitpunkt sehr viel schneller erwachsen werden musste, als mir recht war. Es geht in dem Lied nicht nur über den Verlust an sich und was es mit dir macht und wie du daran wächst, sondern auch um diese Frage, ob du an diesem Erlebnis des Lebens zerbrichst oder nicht, oder ob du vielleicht eine gewisse Stärke daraus ziehst, so schwer es womöglich auch sein mag. Für mich geht es in dem Lied auch mehr um die Frage, was wir den Menschen zur Lebenszeit geben und warum wir manchmal so lange damit warten. Warum fällt es uns schwer zu teilen und weshalb sind wir so knausrig mit unserer Zuwendung? Manchmal glaubt man, man habe für einige Dinge mehr Zeit, als es eigentlich der Fall ist. Das ist wiederum das Positive, das dieses Lied eben auch hat. Neben dieser traurigen Seite und dem Zurückschauen, hat es für mich auch etwas, was dich nach vorne schauen lässt. Du hast jetzt die Chance, etwas zu entscheiden, etwas zu hinterlassen, was den Menschen, wenn du selbst einmal nicht mehr da bist, helfen wird, mit dieser Situation umzugehen und eventuell den Schmerz lindern kann. Gibt es auf „Schritte“ einen Song, der dir persönlich sehr am Herzen liegt? tun. Man selbst schaut ja immer mal gerne nach nebenan und denkt sich, dass dort das Gras grüner ist als bei einem selbst. Dabei könnte man aber für einen kurzen Moment auch sagen: Es ist gut so wie es ist! Seit eineinhalb Jahren bist du Mutter, doch von einer klassischen Mutterschutz-Pause ist nichts zu sehen. Im Gegenteil, zwischen <strong>Januar</strong> und Februar und von Mai bis September steht eure neue Tour an, mit 25 Auftritten beinahe deutschlandweit. Wie schaffst du diesen Spagat zwischen Arbeit und Kind? Der Sommer ist noch weiterhin in Planung und es heißt nicht, dass wir nicht auch <strong>2020</strong> noch ins Saarland kommen. Ich kann zwar nichts versprechen, doch aktuell ist alles noch in Bewegung. Witzigerweise habe ich vor drei Tagen einen guten Kommentar von einer Frau gelesen, die auch berufstätig ist und gefragt wurde, wie sie das mit dem Kind schafft. Ihre Antwort lautete: „Würde man das Männer eigentlich auch fragen?“ Ganz viele Frauen schaffen das, selbst dann, wenn sie vielleicht keine Familie haben, die sie unterstützen oder gar alleinerziehend sind. Wir selbst haben das Glück, viel Unterstützung seitens der Familie und der Band zu bekommen. Es ist, und das wird jeder mit Kind bestätigen können, eine Herausforderung. Die Nächte sind kürzer und man genießt jede Sekunde Schlaf, die man bekommen kann, doch auf der anderen Seite ist ein Kind auch eine unfassbare Bereicherung. Auch als Band ist das eine Herausforderung, denn einiges ist etwas chaotischer als vorher und anderes wiederum ist geordneter. Es ist also verrückt, chaotisch und alles total machbar! Was hat sich denn alles verändert, seitdem du Mutter bist? Haben diese Veränderungen Platz im neuen Album gefunden? Dadurch, dass ja die Hälfte der Band Eltern wurde, also Thomas und ich, hat es natürlich Einfluss genommen. Einen Song wie „Hand aufs Herz“ hätte es wohl vor eineinhalb Jahren noch nicht gegeben und es macht viele Gedanken auf. Man denkt darüber nach, wie die eigene Kindheit war, wie waren deine Eltern zu dir, bist du so wie deine Mutter und findest du das selbst gut? Hier entstehen natürlich einige neue Gedanken, die vorher so noch nicht da gewesen sind. Silbermond hat ja noch nie Einschlaflieder gesungen. Jetzt als Mutter wirst du aber diese Lieder brauchen. Singst du deinem Sohn einen eurer Songs vor oder wie dürfen wir uns das vorstellen? (lacht)! Man muss sagen, dass der Kleine schon sehr seinen eigenen Kopf hat und ein Lied immer wieder hören will. Ganz aktuell ist es „Der Mond“, was sehr kitschig klingt. Doch vor einigen Wochen war Vollmond und dadurch hat er sich an diesem Mond gerade etwas festgebissen. Ich beschäftige mich zurzeit also intensiv mit diesem Text, da ich nicht so ganz textsicher war (lacht). Vielen Dank Steffi und Andreas, dass ihr euch die Zeit für uns genommen habt. Wir wünschen euch schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr, viel Erfolg weiterhin und eine tolle Tour <strong>2020</strong>. Ich glaube, wir mögen einfach jeden Song. Jeder hat etwas Tolles auf seine eigene Weise und wir haben versucht, die Lieder sehr abwechslungsreich zu gestalten. Ich persönlich mag sehr gerne „Ein schöner Schluss“, denn es hat eine sehr schöne Aussage und ist kräftig und stark. Dieser Song rundet das Album irgendwie ab und hat etwas mit dankbar sein zu Fotos: Jens Koch; <strong>AJOURE´</strong> Redaktion AJOURE MAGAZIN SEITE: 22 | JANUAR <strong>2020</strong>
AJOURE / INTERVIEW AJOURE MAGAZIN SEITE: 23 | JANUAR <strong>2020</strong>