AJOURE´ Magazin Januar 2020
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AJOURE AJOURE / INTERVIEW / PEOPLE<br />
INTERVIEW<br />
es ein sehr kurzes Konzert, spielten wir<br />
nur die neuen Songs. Jetzt sind wir aber<br />
dafür bekannt, dass wir gerne spielen und<br />
den Leuten auch gerne etwas mitgeben,<br />
denn sie haben sich die Zeit genommen<br />
uns zuzuhören und uns zu sehen. Es wird<br />
eine schöne Zusammenstellung aus vielen<br />
unserer Lieder geben. Wenn man so viele<br />
Platten herausgebracht hat wie wir, dann<br />
hat man einfach den Luxus, aus dem Vollen<br />
schöpfen zu dürfen und schauen zu<br />
können, wie sich die Dynamik der Setlist<br />
am besten ergibt. Das Schöne an den neuen<br />
Songs ist tatsächlich, dass sie im Proberaum<br />
sofort funktionieren. Dadurch,<br />
dass wir sie so organisch haben entstehen<br />
lassen, funktionieren sie total und fühlen<br />
sich gut an. Ich glaube, dass sie sich sehr<br />
gut mit den bekannten Songs wie „Symphonie“<br />
oder „Leichtes Gepäck“ vertragen.<br />
Von daher ist die Vorfreude auf die Tour<br />
jetzt schon sehr groß!<br />
Der Name des Albums ist gleichzeitig der<br />
Name des ersten Tracks „Schritte“. Ein<br />
biografischer Bogen von deiner Ost-Biografie<br />
bis hin zu deiner Mutterschaft. Wie<br />
kam es zu dem Song und weshalb läutet<br />
gerade dieser das neue Album ein?<br />
Es ist natürlich auf der einen Seite der erste<br />
Song, da das Album auch so heißt und<br />
da der Song im Großen und Ganzen sehr<br />
gut die Platte an sich widerspiegelt. Es ist<br />
meine Geschichte und die Schritte, die ich<br />
in meinem Leben gegangen bin. Aber ein<br />
großer Teil davon ist ja auch die Band. Ein<br />
Circle-Of-Life sozusagen. Es geht los mit<br />
meiner Kindheit, schlägt den Bogen dann<br />
zum Jetzt und dass ich Mutter geworden<br />
bin. Doch so ist es auch für uns als Band.<br />
Jeder Schritt bedeutet lebendig-sein und<br />
lebendig-bleiben. Dass wir als Band noch<br />
immer existieren, ist schon eine große<br />
Leistung an sich, worauf wir zurecht stolz<br />
sind. Es ist immer wieder ein Kämpfen,<br />
denn nicht jeder Schritt ist immer leicht<br />
zu gehen. Wir sind auch schon hin und<br />
wieder einen vor und zwei zurück, wir gingen<br />
Schritte, die uns schwerfielen, wir sind<br />
Schritte gegangen, die mit Erfolg zu tun<br />
haben, mit Niederlagen und Hürden, doch<br />
all das ist das, was das Leben eben so ausmacht.<br />
Deshalb bietet der erste Song auf<br />
dem Album den perfekten Rahmen, um<br />
die Leute in die neue Silbermond-Welt<br />
2019 eintauchen zu lassen.<br />
„Wir sollten<br />
die Zeit, die<br />
uns bleibt,<br />
nutzen, um<br />
Gefühle zu<br />
teilen!“<br />
Bei euren neuen Songs äußert und positioniert<br />
ihr euch zu persönlichen, wie auch<br />
zu gesellschaftlichen Themen, ohne dabei<br />
textlich oder musikalisch „abzuheben“<br />
oder zu pompös zu werden. Wie wichtig<br />
ist genau diese Kombination, um eure<br />
Message passend zu transportieren und<br />
ans Ziel zu bringen?<br />
Das ist total wichtig, denn es ist nicht<br />
einfach, den Ton bei politischen oder gesellschaftlichen<br />
Themen zu treffen. Du<br />
kannst diesen komplexen Rahmen nicht<br />
vollständig bedienen, denn es gibt so viele<br />
Unter-Themen, dass nicht alles auf einmal<br />
in einen Song passt. Uns ist wichtig, dass<br />
dennoch der Ton stimmt und niemand<br />
das Gefühl hat, dass wir diejenigen sind,<br />
die mit dem Zeigefinger deuten. Ich persönlich<br />
mag es auch nicht, wenn ich Lieder<br />
höre und es so rüberkommt, als ob die<br />
Sängerin oder der Sänger jetzt die Heiligkeit<br />
höchstpersönlich ist. Wir versuchen<br />
den Ton so zu treffen, dass die Leute das<br />
Thema annehmen, um dann dennoch etwas<br />
Eigenes daraus machen zu können.<br />
Bei unserem Lied „Mein Osten“, welches<br />
wir im Mai veröffentlichten, ist es auch so.<br />
Es geht um unsere Heimat und die Situation<br />
vor Ort und wir haben gesagt, dass<br />
wenn das Lied für uns stimmig ist, wir<br />
dieses einfach rausbringen. Bis jetzt hat<br />
sich unsere Denkweise immer ganz gut<br />
bestätigt, denn die Fans sagen oft, dass<br />
es sich um tolle Themen handelt, die sie<br />
dann tatsächlich auch annehmen. Wir<br />
wollen keine politische Band sein, doch es<br />
wäre auch falsch, jetzt aktuell die Augen<br />
zuzumachen.<br />
Song Nummer sieben heißt „Amy“. Die<br />
Strophe „Schäm dich für nichts“ lässt<br />
natürlich vieles erahnen, aber welche Geschichte<br />
steckt hinter diesem Lied?<br />
Die Amy gibt es tatsächlich, auch wenn<br />
der Name von der Bandredaktion geändert<br />
wurde. Sie kam nach einem Konzert<br />
zu mir und bedankte sich für die Songs<br />
und dass es uns gibt. Sie sagte, dass ihr<br />
unsere Lieder in ihrem Leben sehr helfen<br />
und ihr Kraft geben und dass ich ihr viel<br />
Energie gebe, da sie sieht, wie taff ich auf<br />
der Bühne bin und ebenso im wahren Leben.<br />
Allerdings glaube ich aber auch, dass<br />
ich vor vielen Jahren selbst mal eine Amy<br />
war, die 14 Jahre alt war und Momente<br />
hatte, die ihr wahnsinnig viel Selbstbewusstsein<br />
genommen haben. Ich war eben<br />
keine von den hübschesten Mädels der<br />
Schule, ich war keine von denen, die sich<br />
mit 14 geschminkt haben, ich war keine<br />
der Mädels, die sich die teuren Markenklamotten<br />
leisten konnte und ich habe<br />
auch mitbekommen, wie andere Mädchen<br />
hinter meinem Rücken sagten, ich könne<br />
ruhig auch mal wieder meine Haare<br />
schneiden. Was ich aber hatte, war eine<br />
Band, in der ich singen konnte und das hat<br />
mich glücklich gemacht. Heute lacht man<br />
natürlich darüber, aber Fakt ist, dass mich<br />
das damals so aus der Bahn geworfen hat,<br />
da ich nicht verstehen konnte, wie man so<br />
gemein sein kann.<br />
Ich wünsche mir heute, dass die jungen<br />
Mädels ihre eigene reale Welt schaffen und<br />
nicht Instagram und andere soziale Kanäle<br />
als Maßstab nehmen. Sie sollen nicht<br />
glauben, dass das, was da so den ganzen<br />
Tag gepostet wird, das Non-Plus-Ultra sei,<br />
sondern dass sie es immer wieder schaffen,<br />
sich in ihre Welt zurückzuholen und<br />
zu sagen „das ist meine reale Welt und es<br />
ist okay wie ich bin!“<br />
AJOURE MAGAZIN SEITE: 21 | JANUAR <strong>2020</strong>