AJOURE / LIFESTYLE niger bestimmend sind. Der Ablauf der Handlung rückt die weiblichen Stars in den Vordergrund. Auch wenn die eigenen Freiheitsbestrebungen noch hauptsächlich im Finden eines Mannes enden, die Bestrebung dahin zu gelangen, geht von den Frauen selbst aus. kämpferische Disney-Prinzessinnen Disney entwickelt dieses Bild in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre konsequent weiter. In den Filmen Pocahontas (1995) und Mulan (1998) werden die beiden namensgebenden Hauptfiguren nicht nur zu selbstbestimmteren Charakteren, sondern zu den absoluten Helden ihrer Geschichten. Beide Figuren kämpfen für sich und für andere, retten ganze Völker und Königreiche und zum Schluss der Geschichte entscheiden sie sich für etwas Größeres als persönliches Familienglück. Zwar spielen auch hier Liebesgeschichten eine Rolle, aber zu den männlichen Figuren entwickeln Pocahontas und Mulan eine gewisse Distanz, die zu dem Zeitpunkt in Disney-Filmen einzigartig war. Vielfalt und Vielschichtigkeit prägt die neuen Disney-Prinzessinnen In diesem Jahrzehnt ist Disney allerdings noch einen Schritt weitergegangen. In Die Eiskönigin (2013) sind die Charaktere Anna und Elsa nicht entweder schüchtern und häuslich, oder freiheitsstrebend aber nach Liebe suchend, oder Kämpferinnen, die Männer nicht mehr unbedingt brauchen. Stattdessen bilden sie die volle Bandbreite aller vorherigen Figuren ab. Anna wünscht sich zu Beginn des Films die große Liebe, stellt aber im weiteren Verlauf fest, dass es viele andere Dinge im Leben gibt, die wichtiger sind. Und mit der Figur Elsa thematisiert Disney nicht spezifisch weibliche Themen in einem weiblichen Charakter, sondern bearbeitet ganz universelle menschliche Probleme wie Einsamkeit, Makel, Stärke im Angesicht von Gefahr und die Überwindung der eigenen Furcht. Elsa wächst im Verlaufe des Films wie kein anderer Disney-Charakter überhaupt. Mit dem Film Vaiana schloss Disney dann 2016 den Kreis. Denn in Vaiana gibt es überhaupt gar keine Liebesgeschichte. Als Prinzessin eines Stammes auf der Insel Motonui in Polynesien erlebt Vaiana ein Abenteuer, bei dem es nicht um Liebe geht. Anders als in Die Eiskönigin, in dem die Rolle des klassischen Prinzen noch vorkam, kann Vaiana sich völlig auf die weibliche Hauptfigur als Person und nicht spezifisch als Frau konzentrieren. Das ist ein bemerkenswerter Schritt hin zu einer wirklichen Gleichbehandlung von Charakteren in Disneyfilmen. Denn es geht bei dem Versuch, Charaktere sensibel zu behandeln, nicht nur darum, aus Frauen Kämpferinnen werden zu lassen und Männern Emotionen zuzugestehen. Im Kern steht vielmehr der Gedanke, dass jeder Mensch ein Individuum ist, dass nicht in erster Linie von seinem oder ihrem Geschlecht bestimmt wird. Mit Vaiana ist Disney das zum großen Teil gelungen. Disney-Prinzessinnen sind auch heute nicht unproblematisch Trotz der positiven Entwicklungen und Veränderungen der letzten Jahrzehnte, sollen die weiter bestehenden Probleme auch Erwähnung finden. Zum einen haben alle Disney-Prinzessinnen immer noch eines gemeinsam: Sie verkörpern alle ein westliches Schönheitsideal. Von Schneewittchen, über Belle, bis hin zu Anna und Elsa sind alle Disney-Prinzessinnen schlank, haben wunderschönes Haar, weiche Gesichtszüge und große, runde Augen. So sehr sich ihr Wesen auch verändert haben mag, so sehr ist ihr Aussehen immer gleichgeblieben. Darüber hinaus sind die überwältigende Mehrzahl der Disney-Prinzessinnen weiß und heterosexuell. Körperliche Einschränkungen werden in Disneyfilmen bisher ebenfalls fast völlig ausgeblendet. Eine gewisse Fantasiewelt kann einem Animationsfilm, der reinen Unterhaltungsanspruch hat, aber wiederum natürlich auch zugestanden werden. Disney ist sich dieser Kritiken allerdings durchaus bewusst. Nehmen wir einmal die bisherige Entwicklung als Beispiel, dann lässt sich darauf hoffen, dass Disney weiterhin an der Entwicklung ihrer weiblichen Protagonistinnen arbeiten wird. Wir freuen uns darauf. Fotos: Walt Disney AJOURE MAGAZIN SEITE: 110 | JANUAR <strong>2020</strong>
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