AJOURE´ Magazin Januar 2020
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AJOURE / LIFESTYLE<br />
niger bestimmend sind. Der Ablauf der<br />
Handlung rückt die weiblichen Stars in<br />
den Vordergrund. Auch wenn die eigenen<br />
Freiheitsbestrebungen noch hauptsächlich<br />
im Finden eines Mannes enden, die Bestrebung<br />
dahin zu gelangen, geht von den<br />
Frauen selbst aus.<br />
kämpferische Disney-Prinzessinnen<br />
Disney entwickelt dieses Bild in der zweiten<br />
Hälfte der 1990er Jahre konsequent<br />
weiter. In den Filmen Pocahontas (1995)<br />
und Mulan (1998) werden die beiden namensgebenden<br />
Hauptfiguren nicht nur zu<br />
selbstbestimmteren Charakteren, sondern<br />
zu den absoluten Helden ihrer Geschichten.<br />
Beide Figuren kämpfen für sich und für<br />
andere, retten ganze Völker und Königreiche<br />
und zum Schluss der Geschichte<br />
entscheiden sie sich für etwas Größeres als<br />
persönliches Familienglück. Zwar spielen<br />
auch hier Liebesgeschichten eine Rolle,<br />
aber zu den männlichen Figuren entwickeln<br />
Pocahontas und Mulan eine gewisse<br />
Distanz, die zu dem Zeitpunkt in Disney-Filmen<br />
einzigartig war.<br />
Vielfalt und Vielschichtigkeit prägt die<br />
neuen Disney-Prinzessinnen<br />
In diesem Jahrzehnt ist Disney allerdings<br />
noch einen Schritt weitergegangen. In Die<br />
Eiskönigin (2013) sind die Charaktere<br />
Anna und Elsa nicht entweder schüchtern<br />
und häuslich, oder freiheitsstrebend aber<br />
nach Liebe suchend, oder Kämpferinnen,<br />
die Männer nicht mehr unbedingt brauchen.<br />
Stattdessen bilden sie die volle Bandbreite<br />
aller vorherigen Figuren ab. Anna wünscht<br />
sich zu Beginn des Films die große Liebe,<br />
stellt aber im weiteren Verlauf fest, dass<br />
es viele andere Dinge im Leben gibt, die<br />
wichtiger sind. Und mit der Figur Elsa<br />
thematisiert Disney nicht spezifisch weibliche<br />
Themen in einem weiblichen Charakter,<br />
sondern bearbeitet ganz universelle<br />
menschliche Probleme wie Einsamkeit,<br />
Makel, Stärke im Angesicht von Gefahr<br />
und die Überwindung der eigenen Furcht.<br />
Elsa wächst im Verlaufe des Films wie kein<br />
anderer Disney-Charakter überhaupt.<br />
Mit dem Film Vaiana schloss Disney dann<br />
2016 den Kreis. Denn in Vaiana gibt es<br />
überhaupt gar keine Liebesgeschichte. Als<br />
Prinzessin eines Stammes auf der Insel<br />
Motonui in Polynesien erlebt Vaiana ein<br />
Abenteuer, bei dem es nicht um Liebe geht.<br />
Anders als in Die Eiskönigin, in dem die<br />
Rolle des klassischen Prinzen noch vorkam,<br />
kann Vaiana sich völlig auf die weibliche<br />
Hauptfigur als Person und nicht spezifisch<br />
als Frau konzentrieren.<br />
Das ist ein bemerkenswerter Schritt hin<br />
zu einer wirklichen Gleichbehandlung<br />
von Charakteren in Disneyfilmen. Denn<br />
es geht bei dem Versuch, Charaktere sensibel<br />
zu behandeln, nicht nur darum, aus<br />
Frauen Kämpferinnen werden zu lassen<br />
und Männern Emotionen zuzugestehen.<br />
Im Kern steht vielmehr der Gedanke, dass<br />
jeder Mensch ein Individuum ist, dass<br />
nicht in erster Linie von seinem oder ihrem<br />
Geschlecht bestimmt wird. Mit Vaiana<br />
ist Disney das zum großen Teil gelungen.<br />
Disney-Prinzessinnen sind auch heute<br />
nicht unproblematisch<br />
Trotz der positiven Entwicklungen und<br />
Veränderungen der letzten Jahrzehnte, sollen<br />
die weiter bestehenden Probleme auch<br />
Erwähnung finden. Zum einen haben alle<br />
Disney-Prinzessinnen immer noch eines<br />
gemeinsam: Sie verkörpern alle ein westliches<br />
Schönheitsideal. Von Schneewittchen,<br />
über Belle, bis hin zu Anna und Elsa sind<br />
alle Disney-Prinzessinnen schlank, haben<br />
wunderschönes Haar, weiche Gesichtszüge<br />
und große, runde Augen. So sehr sich ihr<br />
Wesen auch verändert haben mag, so sehr<br />
ist ihr Aussehen immer gleichgeblieben.<br />
Darüber hinaus sind die überwältigende<br />
Mehrzahl der Disney-Prinzessinnen weiß<br />
und heterosexuell. Körperliche Einschränkungen<br />
werden in Disneyfilmen bisher<br />
ebenfalls fast völlig ausgeblendet. Eine<br />
gewisse Fantasiewelt kann einem Animationsfilm,<br />
der reinen Unterhaltungsanspruch<br />
hat, aber wiederum natürlich auch<br />
zugestanden werden.<br />
Disney ist sich dieser Kritiken allerdings<br />
durchaus bewusst. Nehmen wir einmal die<br />
bisherige Entwicklung als Beispiel, dann<br />
lässt sich darauf hoffen, dass Disney weiterhin<br />
an der Entwicklung ihrer weiblichen<br />
Protagonistinnen arbeiten wird. Wir freuen<br />
uns darauf.<br />
Fotos: Walt Disney<br />
AJOURE MAGAZIN SEITE: 110 | JANUAR <strong>2020</strong>