ZAP-2019-24
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Rechtsprechung Fach 22 R, Seite 1157<br />
Verfahrenstipps/Hinweise für Strafverteidiger<br />
V. Rechtsmittelverfahren<br />
1. Konkludenter Wiedereinsetzungsantrag<br />
Ein Wiedereinsetzungsantrag braucht nicht ausdrücklich gestellt zu werden; er kann auch stillschweigend<br />
in einem Schriftsatz enthalten sein, wobei es ausreicht, dass in diesem Schriftsatz<br />
konkludent zum Ausdruck gebracht wird, das Verfahren trotz verspäteter Einreichung der Rechtsmitteleinlegungs-<br />
oder Rechtsmittelbegründungsschrift fortsetzen zu wollen. So hat der BGH in<br />
seinem Beschl. v. 12.6.<strong>2019</strong> (XII ZB 432/18, StRR 11/<strong>2019</strong>, 12) entschieden, der in einem Teilungsversteigerungsverfahren<br />
ergangen ist. Dort hatte das OLG die Begründung einer Rechtsbeschwerde und<br />
einen späteren Wiedereinsetzungsantrag (als verspätet) zurückgewiesen.<br />
Der BGH (a.a.O.) hat das anders gesehen. Er ist davon ausgegangen, dass bereits der ursprüngliche<br />
Beschwerdebegründungsschriftsatz einen konkludent gestellten Wiedereinsetzungsantrag enthalten<br />
hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH müsse ein Wiedereinsetzungsantrag nämlich nicht<br />
ausdrücklich gestellt werden, er könne auch stillschweigend in einem Schriftsatz enthalten sein (vgl.<br />
BGH NJW 2011, 1601; 2018, 1022). Hierzu reiche es aus, dass in diesem Schriftsatz konkludent zum<br />
Ausdruck gebracht werde, das Verfahren trotz verspäteter Einreichung der Rechtsmittel- oder Begründungsschrift<br />
fortsetzen zu wollen. Diese Voraussetzung habe hier der Begründungsschriftsatz<br />
erfüllt. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hätte darin ausgeführt, ihre Mandantin sei<br />
aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen, die Frist zu wahren. Ihr sei also erkennbar bewusst<br />
gewesen, dass die Beschwerdebegründungsfrist bereits abgelaufen war. Gleichwohl erstrebte sie –<br />
was der BGH aus der nachfolgenden Begründung der Beschwerde geschlossen hat – eine Fortsetzung<br />
des Verfahrens mit dem Ziel der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.<br />
Hinweis:<br />
Der BGH (StRR 11/<strong>2019</strong>, 12) setzt mit dieser Entscheidung seine zutreffende Rechtsprechung aus BGHZ<br />
63, 389, 392 f. = NJW 1975, 928 zum konkludenten Wiedereinsetzungsantrag fort. Die Entscheidung ist<br />
zwar in einem Zivilverfahren ergangen. Die Grundsätze sind m.E. aber auch im Straf- oder Bußgeldverfahren<br />
anwendbar.<br />
Es müssen allerdings, wenn man mit dem Vorbringen: Konkludenter Wiedereinsetzungsantrag Erfolg<br />
haben will, die Anforderungen des § 236 Abs. 2 ZPO oder des § 45 StPO erfüllt sein. Es müssen also alle<br />
Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, innerhalb der<br />
Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen worden sein. Die Glaubhaftmachung kann im Verfahren dann<br />
nachgeholt werden.<br />
2. Nutzung des beA und Verschulden des Rechtsanwalts<br />
Versendet ein Rechtsanwalt fristwahrende Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach<br />
(beA) an das Gericht, hat er in seiner Kanzlei das zuständige Personal dahingehend zu belehren,<br />
dass stets der Erhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach § 46c Abs. 5 S. 2 ArbGG<br />
zu kontrollieren ist. Er hat zudem diesbezüglich zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen.<br />
Das fordert das BAG in einem Beschl. v. 7.8.<strong>2019</strong> (5 AZB 16/19, NJW <strong>2019</strong>, 2793).<br />
In dem (arbeitsgerichtlichen) Verfahren wurde noch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand<br />
gestritten. Das ArbG hatte der Klage stattgegeben. Urteilsverkündung war am 19.11.2018. Das Urteil<br />
wurde der Beklagten, die erstinstanzlich anwaltlich nicht vertreten war, am 5.12.2018 zugestellt.<br />
Am 8.1.<strong>2019</strong> ging im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des LAG Hamm<br />
eine aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) übermittelte Berufungsschrift ein.<br />
Nachdem das LAG mit gerichtlichem Schreiben vom 22.1.<strong>2019</strong> den Prozessbevollmächtigten der<br />
Beklagten auf die verspätete Einlegung der Berufung hingewiesen hatte, teilte dieser mit Schriftsatz<br />
vom 26.1.<strong>2019</strong> mit, die Berufungsschrift sei per beA am 28.12.2018 an das LAG übermittelt worden.<br />
Hierzu legte er eine Übermittlungsdatei vor, wonach die Berufungsschrift am angegebenen<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>24</strong> 18.12.<strong>2019</strong> 1315