ZAP-2019-24
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Fach 22 R, Seite 1152<br />
Verfahrenstipps/Hinweise für Strafverteidiger<br />
Rechtsprechung<br />
Zusammenhang nicht gerügt werden, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und<br />
dem Pflichtverteidiger nicht entstehen konnte, da für die Bestellung eines Pflichtverteidigers ein<br />
solches keine Voraussetzung ist. Erst das Vorliegen von Gründen, die ein Vertrauensverhältnis<br />
ausschließen oder es endgültig und nachhaltig erschüttern, kann die Entbindung rechtfertigen (OLG<br />
Koblenz, Beschl. v. 10.12.2018 – 2 Ws 698/18). Der erste Besuch eines inhaftierten Beschuldigten nach<br />
über sieben Wochen U-Haft rechtfertigt das fehlende Vertrauen zu seinem Pflichtverteidiger (AG<br />
Frankfurt a.M. StraFo <strong>2019</strong>, 378).<br />
• Entpflichtung/Umbeiordnung<br />
Der Wechsel des Pflichtverteidigers ist gesetzlich derzeit nicht geregelt. Es ist jedoch in der<br />
Rechtsprechung anerkannt, dass bei schwerer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen<br />
dem Mandanten und dem Pflichtverteidiger ein solcher Wechsel vorzunehmen ist. Dieses fehlende<br />
Vertrauensverhältnis ist jedoch substanziiert darzulegen (vgl. LG Stendal, Beschl. v. 13.3.<strong>2019</strong> –<br />
501 Qs [172 Js 13906/15] 16/19). Einer Darlegung des besonderen Grunds für einen Wechsel bedarf<br />
es jedoch dann nicht, wenn beide Verteidiger mit dem Wechsel einverstanden sind, eine Verfahrensverzögerung<br />
nicht stattfindet und durch den Wechsel keine Mehrkosten entstehen<br />
(vgl. MEYER-GOßNER/SCHMITT, StPO, 62. Aufl. <strong>2019</strong>, § 143 Rn 5a m.w.N. [im Folgenden kurz: MEYER-<br />
GOßNER/SCHMITT]). Soweit die Umbestellung nicht kostenfrei erfolgen kann, wird es in der Rechtsprechung<br />
teilweise als zulässig erachtet, dass der Verteidiger auf die entstehenden Mehrkosten<br />
verzichten kann, um so eine Umbestellung zu erreichen. Für eine einseitige Bestimmung der<br />
Kostenneutralität durch das umbeiordnende Gericht gibt es jedoch keine gesetzliche Grundlage (LG<br />
Stendal, a.a.O.). Allein der Umstand, dass der Angeklagte nun einem anderen (Pflicht-)Verteidiger<br />
sein Vertrauen schenkt, reicht für die Umbeiordnung aber nicht aus (BGH, Beschl. v. 16.8.<strong>2019</strong> –<br />
3 StR 149719).<br />
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 463 Abs. 8 StPO gilt auch für jedes weitere<br />
Verfahren, solange sie nicht aufgehoben wird. Die Zulässigkeit eines Pflichtverteidigerwechsels im<br />
Rahmen des § 463 Abs. 8 StPO ist außerhalb der Fallgestaltungen der Rücknahme der Bestellung<br />
nach § 143 StPO nicht allein daran zu messen, ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt oder nicht. Für einen<br />
neuen Vollstreckungsabschnitt rechtfertigen – anders als in einem laufenden Abschnitt – weder<br />
Kostengesichtspunkte noch Gründe der Prozessökonomie die Ablehnung eines Beiordnungsantrags<br />
eines neuen Verteidigers (KG, Beschl. v. 27.8.<strong>2019</strong> – 2 Ws 135/19).<br />
• Mehrere Pflichtverteidiger<br />
Die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers kommt nur ausnahmsweise in Betracht (KG, Beschl.<br />
v. 28.6.<strong>2019</strong> – 2 Ws 102/19).<br />
• PKH-Richtlinie<br />
Unter anderem das LG Chemnitz (vgl. Beschl. v. 30.7.<strong>2019</strong> – 5 Qs 295/19, StRR 8/<strong>2019</strong>, 18) und das AG<br />
Freiburg (Beschl. v. 5.8.<strong>2019</strong> – JSch 19 Ge 64/19 jug, StRR 9/<strong>2019</strong>, 13) haben die Grundsätze der sog.<br />
PKH-Richtlinie 2106/1919, die an sich bis zum 25.5.<strong>2019</strong> in nationales Recht hätte umgesetzt sein<br />
müssen (vgl. dazu auch BURHOFF StRR 7/2018, 5) bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers herangezogen<br />
(vgl. dazu auch III. 2. a). Nach Auffassung des LG Chemnitz (a.a.O.) sind die Regelungen aus<br />
Art. 4 Abs. 4 S. 2 i.V.m. Art. 3 der EU PKH-Richtlinie 2016/<strong>2019</strong> nach Ablauf der Umsetzungsfrist bei<br />
der Entscheidung über eine Pflichtverteidigerbestellung angemessen zu würdigen und haben in die<br />
Bestellungsentscheidung mit einzufließen.<br />
• Rechtsmittel, Allgemeines<br />
Einem Pflichtverteidiger steht gegen die Ablehnung seiner Entpflichtung kein eigenes Beschwerderecht<br />
zu (KG, Beschl. v. 22.5.2018 – 4 Ws 62/18).<br />
• Vergütungsvereinbarung<br />
Ein zum Pflichtverteidiger bestellter Anwalt muss vor Abschluss einer Vergütungsvereinbarung dem<br />
Beschuldigten einen eindeutigen Hinweis erteilen, dass er auch ohne den Abschluss der Honorarvereinbarung<br />
zu weiterer Verteidigung verpflichtet ist (BGH, Urt. v. 13.12.2018 – IX ZR 216/17, NJW<br />
<strong>2019</strong>, 676 = RVGreport <strong>2019</strong>, 130).<br />
1310 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>24</strong> 18.12.<strong>2019</strong>