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ZAP-2019-24

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Fach 22 R, Seite 1148<br />

Verfahrenstipps/Hinweise für Strafverteidiger<br />

Rechtsprechung<br />

ger mit den Kosten in entsprechender Anwendung des § 145 Abs. 4 StPO zu prüfen (OLG Bremen,<br />

Beschl. v. <strong>24</strong>.9.2018 – 1 Ws 59/18 u.a.).<br />

• Auswahlkriterien, Allgemeines<br />

Dem Angeklagten soll grds. der Rechtsanwalt seines Vertrauens bestellt werden, da der verfassungsrechtliche<br />

Rang der Verteidigung durch den Anwalt des Vertrauens der entscheidende Maßstab<br />

für die Auswahl des Pflichtverteidigers ist, dem sich das Auswahlrecht des Vorsitzenden unterzuordnen<br />

hat. Macht der Angeklagte daher von seinem Bezeichnungsrecht Gebrauch und benennt<br />

einen Anwalt seines Vertrauens, so ist dieser ihm grds. als Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn dem<br />

nicht wichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG StV 2001, 601, 602; LG Stendal, Beschl. v. 25.7.<strong>2019</strong> –<br />

501 Qs [115 Js 4858/19] 37/19). Die Verhinderung eines Pflichtverteidigers ist prinzipiell ein wichtiger<br />

Grund i.S.d. § 142 Abs. 1 S. 2 StPO, der einer Beiordnung entgegenstehen kann (LG Stendal, a.a.O. –<br />

zugleich zur Terminierung in einer Nichthaftsache). Ein wichtiger Grund, der der Bestellung eines<br />

Pflichtverteidigers entgegensteht, kann das Beschleunigungsgebot sein, das grds. bei allen Verfahren<br />

gilt. Bei Haftsachen ist es jedoch von erheblich stärkerer Bedeutung (LG Dessau-Roßlau, Beschl. v.<br />

7.3.<strong>2019</strong> – 6 Qs 36/19).<br />

• Bestellung: Schwere der Tat<br />

Nach gefestigter Rechtsprechung ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers i.d.R. geboten, wenn<br />

dem Angeklagten die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe droht, die mindestens im Bereich von<br />

einem Jahr liegt. Neben der dem Angeklagten hier drohenden Strafe sind wegen der bei § 140 Abs. 2<br />

StPO stets erforderlichen Gesamtbewertung aber auch sonstige schwerwiegenden Nachteile zu<br />

berücksichtigen, die er infolge der drohenden Verurteilung zu gewärtigen hat (vgl. OLG Hamm StV<br />

2004, 586). Die Grenze der Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe ist deshalb auch dann zu<br />

beachten, wenn ihr Erreichen erst infolge einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung in Betracht<br />

kommt (vgl. u.a. KG StV <strong>2019</strong>, 175 = StRR 2/<strong>2019</strong> 2 [Ls.] m.w.N.; LG Halle, Beschl. v. 23.11.2018 – 10a<br />

Qs 132/18, StraFo <strong>2019</strong>, 380; zur Führungsaufsicht s.a. LG Braunschweig, Beschl. v. 30.9<strong>2019</strong> – 51 BRs<br />

5/19).<br />

Steht für den Angeklagten als Konsequenz aus einer Verurteilung die Ausschließung aus der<br />

Rechtsanwaltschaft im Raum, ist ihm ein Pflichtverteidiger beizuordnen; und zwar vor allem auch,<br />

weil für die Entscheidungen im anwaltsgerichtlichen Verfahren die tatsächlichen Feststellungen im<br />

strafrechtlichen Urteil bindend sind (LG Essen, Beschl. v. 3.4.<strong>2019</strong> – 67 Ns 65/19; zur Bindungswirkung<br />

§ 118 Abs. 3 BRAO; OLG Hamm StraFo 2004, 170).<br />

• Bestellung: Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage<br />

Unterschiedliche Rechtsauffassungen der am Strafverfahren beteiligten Justizorgane (hier: Staatsanwaltschaft,<br />

Tatgericht und Berufungsgericht) bei der rechtlichen Einordnung des angeklagten<br />

bzw. sodann festgestellten Tatgeschehens begründen aus der Sicht des juristisch ungebildeten<br />

Angeklagten eine schwierige Rechtslage i.S.v. § 140 Abs. 2 S. 1 StPO (OLG Celle, Beschl. v. 9.7.2018 –<br />

2 Ss 79/18, StV <strong>2019</strong>, 175 [Ls.]; a.A. KG, Beschl. v. 4.7.<strong>2019</strong> – 4 Ws 62/19, StRR 10/<strong>2019</strong>, 17 [Gesamtwürdigung]).<br />

Eine schwierige Rechtslage i.S.d. § 140 Abs. 2 StPO ist dann anzunehmen, wenn es bei der Anwendung<br />

des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen<br />

ankommt oder wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten<br />

bereiten wird. Hiervon umfasst sind auch Fälle, in denen sich die Fragestellung aufdrängt, ob<br />

ein Beweisergebnis einem Verwertungsverbot unterliegt (LG Münster, Beschl. v. 5.8.<strong>2019</strong> – 10 Qs<br />

23719, m.w.N.). Dem Angeklagten ist i.d.R. ein Verteidiger beizuordnen, wenn die Staatsanwaltschaft<br />

gegen ein freisprechendes Urteil Berufung mit dem Ziel der Verurteilung des Angeklagten<br />

eingelegt hat. Davon kann jedoch abgesehen werden, wenn das Verfahren vorläufig nach § 153a<br />

StPO eingestellt worden ist (OLG Naumburg, Beschl. v. 23.5.<strong>2019</strong> – 1 Ws [s] 173/19). Im Bußgeldverfahren<br />

ist dem Betroffenen auch dann kein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn ein Sachverständigengutachten<br />

zur Fahreridentität eingeholt werden soll (LG Münster, Beschl. v. <strong>24</strong>.4.<strong>2019</strong><br />

– 2 Qs 14/19).<br />

1306 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>24</strong> 18.12.<strong>2019</strong>

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