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ZAP-2019-24

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Rechtsprechung Fach 22 R, Seite 1145<br />

Verfahrenstipps/Hinweise für Strafverteidiger<br />

chender Vorfall nicht bekannt. Der zum Sachverhalt vernommene Zeuge L. erklärte, er schließe aus,<br />

dass kanzleifremde Personen das Büro unbeobachtet betreten könnten. Laut Verfügung der StA vom<br />

1.2.2018 bestand zwar ein Anfangsverdacht gegen die Beschuldigte, es sollten aber vor Beantragung<br />

eines Durchsuchungsbeschlusses zunächst die Details der Auseinandersetzung der Partnerschaftsgesellschaft<br />

weiter aufgeklärt werden. Eine Verzögerung der Durchsuchung wurde als unproblematisch<br />

angesehen, weil die Beschuldigte ohnehin bereits von der Anzeige gewusst habe. Im weiteren Verlauf<br />

der Ermittlungen wurden u.a. der Mitarbeiter R. der Kanzlei sowie die ehemalige Partnerin W. zum<br />

Sachverhalt befragt und eine Auflistung fehlender Unterlagen sowie vorhandener Vollmachten<br />

eingeholt.<br />

Auf Antrag der StA erließ das AG dann am 3.5.2018 einen Durchsuchungsbeschluss betreffend u.a.<br />

die Wohnung und Geschäftsräume der Beschuldigten. Gesucht werden sollte nach Jahresabschlussund<br />

Arbeitsordnern sowie weiteren Unterlagen für verschiedene namentlich genannte Mandanten.<br />

Die Durchsuchung fand am <strong>24</strong>.5.2018 statt. Die beschuldigte Rechtsanwältin hat sich dann noch<br />

beim VerfGH Sachsen (a.a.O.) gegen die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung gewendet, nachdem<br />

ihre Rechtsmittel beim LG Leipzig keinen Erfolg hatten. Der VerfGH (a.a.O.) hat die Verfassungsbeschwerde<br />

teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet angesehen. Hier die Ausführungen<br />

zur Begründetheit (zur Zulässigkeit bitte im Volltext selbst nachlesen [Anm. des VERF.]):<br />

Der VerfGH (a.a.O.) hat in der Anordnung der Durchsuchung keine Verletzung von Art. 30 Abs. 1<br />

SächsVerf gesehen. Art. 30 Abs. 1 SächsVerf schütze die Unverletzlichkeit der Wohnung, wozu auch<br />

Arbeits- und Geschäftsräume wie Anwaltskanzleien gehören können. Eine Durchsuchung, die in diese<br />

grundrechtlich geschützte Sphäre eingreift, sei nur unter den Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 2<br />

SächsVerf und – wie alle Maßnahmen im Strafverfahren – unter Beachtung des Grundsatzes der<br />

Verhältnismäßigkeit zulässig. Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit<br />

der Wohnung sei jedenfalls der Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sei. Das Gewicht des<br />

Eingriffs verlange dabei Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen<br />

hinausreichen (vgl. auch BURHOFF, EV, Rn 1580 ff. m.w.N.). Den Anforderungen sei – so der VerfGH –<br />

der angefochtene Durchsuchungsbeschluss gerecht geworden. Insbesondere genüge auch die<br />

Bezeichnung der Gegenstände, nach denen gesucht werden sollte, in dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss<br />

den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie seien (noch) so konkret bezeichnet,<br />

dass die mit dem Vollzug des Beschlusses betrauten Beamten ohne Weiteres in die Lage versetzt<br />

wurden, die Gegenstände in den Durchsuchungsobjekten aufzufinden, so dass der Eingriff messbar<br />

und kontrollierbar geblieben sei.<br />

Hinweis:<br />

Von Bedeutung ist bei der Anordnung einer Durchsuchung, einem Grundrechtseingriff, immer auch<br />

die Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahme ist dann unverhältnismäßig, wenn naheliegende<br />

grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt<br />

werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt<br />

vorliegenden Tatverdachts steht. Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden<br />

Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie die<br />

Vagheit des Auffindeverdachts der Durchsuchung entgegenstehen (vgl. dazu VerfGH Sachsen, a.a.O.;<br />

BURHOFF, EV, Rn 1630 ff.).<br />

2. Pflichtverteidigungsfragen<br />

a) Umsetzung/Anwendung der RiLi 2016/1919<br />

aa) Unmittelbare Anwendung im nationalen Recht?<br />

Die PKH-Richtlinie EU 2016/1919 vom 26.10.2016 war bis zum 5.5.<strong>2019</strong> in nationales Recht umzusetzen<br />

(s. oben I). Nachdem das nicht geschehen ist, stellte sich in der Praxis zunächst vor allem die Frage, ob<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>24</strong> 18.12.<strong>2019</strong> 1303

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