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Fachmagazin für den Spielwaren- und Buchhandel
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EDITORIAL
planet toys 3
AUF EMANZI
PATIONSKURS
Mit Trends ist es so eine Sache, die ja
gefühlt in immer kürzeren Intervallen
über uns herfallen, aber oft nur eine
Halbwertszeit aufweisen, dass ich mir
längst angewöhnt habe, vieles auszusitzen,
um Jahre später Avantgarde
zu sein. Der aktuelle Trend heißt
„Neo-Ökologie“, der nun im blauen Gewand
für einen „Big Business Change“
sorgen und uns den „Sinnkapitalismus“
bescheren soll, so das Zukunftsinstitut.
Einen „Change“ braucht wohl auch
die Spielwarenbranche, denken wir an
Wirth in Mainz, wo täglich gegen den
„Verpackungswahnsinn“ angekämpft
wird. Dort vermutet man, dass einige
Logistik-Praktiken ein Beschäftigungsprogramm
für Warenannahme
und Buchhalter sind. Mehr dazu in der
Arena auf Seite 13.
Schenkt man Apple-Chef Tim Cook
Glauben, spielt Deutschland in der „allerobersten
Spitzengruppe“. Sieht man
davon ab, dass Cook vermutlich diese
Auffassung exklusiv hat, wenn ich nur
an das „Bürokratieentlastungsgesetz“
(!) und die marode Infrastruktur denke,
die mehr den Eindruck eines Sanierungsfalls
erweckt als den blühender
Landschaften, muss Cook wohl insgeheim
die deutschen Spielwarenhersteller
vor Augen gehabt haben, die
laut DVSI Index 2019 ein Plus von 5,6
Prozent erzielen wollen. Selbst der Gesamtmarkt
soll es noch auf 3 bis 4 Prozent
bringen. Man könnte den Verdacht
hegen, dass wir zwar seit fast ewigen
Zeiten kein technologisches Consumer-Produkt
von Weltgeltung mehr
hervorgebracht haben, aber dafür top
beim Spielen und dem Export der Marke
„German Games“ sind. Wir rätseln
noch, ob das eine schöne Bescherung
ist oder ob es uns Anlass zur Sorge gibt.
Rund 100 stationäre Spielzeuggeschäfte
streichen pro Jahr die Segel.
Auch diese Botschaft ging anlässlich
der Branchenkonferenz von Nürnberg
aus. Eigentlich ist das keine große
Überraschung, wenn man die Mitgliederentwicklung
einiger Verbundgruppen
sieht. Dennoch fährt es einem
dabei immer noch in Mark und Bein.
Bekanntlich ist dort, wo Schatten ist,
auch Licht. Ein Licht wurde in Peine
angezündet. Das neue Spielwarengeschäft
EULIES wird von zwei Millennials
geführt. Diese Generation steht im
Verdacht, narzisstisch, anspruchsvoll
und vor allem an Selbstverwirklichung
im Rahmen eines gut bezahlten Nineto-
five-Jobs interessiert zu sein. Selbst
verwirklichen wollen sich die beiden
Macher auch, aber sie scheuen sich
nicht, in die Niederungen des Einzelhandels
hinabzusteigen, um auch mal
70 Stunden zu „reißen“. Respekt! Mehr
dazu in unserem Interview des Monats
auf Seite 20.
Der Terminus „Neo-Ökologie“ ließe
sich auch auf „Toys for Future“ anwenden,
einen der aktuellen Spielwarentrends.
Auch hier geht es primär um
Nachhaltigkeit. Nürnberg ist also wieder
dort angekommen, wo es 2011 einmal
war. Der intellektuell aufregendste
Trend heißt allerdings „Be You“, also
Spielzeug für Menschen mit „speziellen
Bedürfnissen“. „Be You“ steht außerdem
für Toleranz, Inklusion und Diversität,
ergo für „Entgrenzung“ klassischer
(Denk-)Strukturen. Es ist kein
Geheimnis, dass die sozioökonomische
und soziokulturelle Liberalisierung der
letzten 30 Jahre mit der Globalisierung
uns von vielem emanzipiert und uns
zu Subjekten unseres Selbst gemacht
hat. Jetzt liegt wohl auch die Spielwarenbranche
auf „Emanzipationskurs“,
um der Vielfalt der Identitäten gerecht
zu werden. Mehr zu den Trends auf den
Seiten 23 bis 30.
Der gesamte mf Verlag wünscht Ihnen
ein schönes Weihnachtsfest und
für 2020 alles Gute. Denken Sie immer
daran, gar nichts zu machen, ist das
Übelste, was man machen kann. Bleiben
Sie also in Bewegung!
Ihr Ulrich Texter