Osnabrücker Wissen Ausgabe 26

Nr. 26 (III-2019) - Osnabrücker Wissen Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de Nr. 26 (III-2019) - Osnabrücker Wissen

Wir beantworten Fragen rund um die Osnabrücker Region. Alle drei Monate als Printausgabe. Kostenlos! Und online unter www.osnabruecker-wissen.de

12.12.2019 Aufrufe

Stadt und LandgeschichtenStadt und LandgeschichtenWESHALB LAG DAS RULLERSTEINKISTENGRAB IMWALLENHORSTER RATHAUS?Jahrelang lagerten im Wallenhorster Rathaus in schwarzen, eher unscheinbaren Wannen zahlreicheSteine, beschriftet mit kryptischen Markierungen. Dass es sich dabei um die Originalsteine eines5.500 Jahre alten Grabes handelte, wussten nur wenige Eingeweihte. Bevor diese bei einer Aufräumaktionfast entsorgt worden wären, wurden sie im April 2019 dank einer gemeinschaftlichen Aktion inRulle wiederaufgebaut.Mit Hilfe der Skizzen und Dokumentationsfotos konnte dieFeldsteinkiste originalgetreu wiederaufgebaut werden.In unmittelbarer Umgebungsind weitere archäologischeFundstellen bekannt: Dasbereits erwähnte Großsteingrab„Helmichsteine“ und einjungbronze- bis früheisenzeitlicherBrandgräberfriedhofauf dem „Haupthügel“ in Rulle(ca. 1200–570 v. Chr.). Dortwurden in den 1920er / 1930erund in den 1970er Jahren beimHausbau mehrere Urnen mitverbrannten menschlichenKnochen entdeckt.Das Steinpflaster vom „Ruller Esch“ während derarchäologischen Ausgrabung im Jahr 2000.Dort, wo heute eine ausgedehnte Wohnsiedlungliegt, untersuchte die OsnabrückerStadt- und Kreisarchäologie bereitsim Jahr 2000 vor den Bauarbeiten dasGebiet nördlich der Straße „Im Esch“. DieGeduld der Ausgräber lohnte sich, wurdensie am Ende eines 200 Meter langenSuchabschnittes doch endlich fündig.Unter dem hier bis zu 1,5 Meter mächtigenPlaggeneschauftrag kam ein 3,5 x 1,8Meter großes Steinpflaster zutage.Das neu errichtete Ruller SteinkistengrabWARUM IST DASSTEINPFLASTER SO BESONDERS?Es diente als Unterbau einer aufwendigenGrabanlage, einer sogenannten Feldsteinkiste,die wahrscheinlich ebenso wie dasbenachbarte Großsteingrab „Helmichsteine“in den jüngeren Abschnitt derjungsteinzeitlichenTrichterbecherkultur(ca. 3500–2800 v. Chr.) datiert. Gleichzeitigist es ein im Osnabrücker Land bislangsinguläres Beispiel dafür, dass manSchaufel © kolesnikovserg; Adobe Stock / Steinkistengrab & Hellmichsteine © Paul StegemannSteinpflaster vom „Ruller Esch“ ; einzelnen Steine des Pflaster © Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrückdamals auch einzelne Verstorbenein Erdgräbern bestattete und nichtausschließlich Großsteingräber fürzahlreiche Tote aus mehreren Generationenerrichtete. Das Steinpflasterbesteht aus lokal vorkommendenrötlich-grauen, plattenartigen Sandsteinen.Die kaum noch erkennbarerhöhten Randbereiche sind letzteReste der kistenartigen Einfassungaus Feldsteinen, in die der Leichnamursprünglich gelegt worden war. Vonden sterblichen Überresten selbstwaren jedoch keine sichtbaren Spurenmehr vorhanden.Als einzige Grabbeigabe wurde einsorgfältig gearbeitetes Feuersteinbeilgefunden, ein sogenanntes dünnblattigesFlint-Ovalbeil. Es datiert dieAnlage in die jüngere Trichterbecherkultur(ca. 3500–2800 v. Chr.). DerartigeBeile lebten allerdings in dernachfolgenden Einzelgrabkultur (ca.2800–2000 v. Chr.), dem letztenAbschnitt der Jungsteinzeit, noch fort.Spuren eines Grabhügels zeichnetensich während der Grabung nichtab. Ob es sich also ursprünglich umein Flachgrab handelte oder ob einDeckhügel vorhanden war, dessenoberirdische Spuren durch Erosionund Eschwirtschaft im Laufe der Zeiteingeebnet worden sind, ließ sichnicht mehr erschließen. Wie kamendie Steine in den Keller?Im Rahmen der Grabungsarbeiten imJahr 2000 wurde das Steinpflastergenauestens vermessen, also die exaktePosition jedes einzelnen Steinesverzeichnet und anschließend für dieDokumentation durchnummeriert.Danach gelangten Steine zunächstzur Aufbewahrung ins Rathaus inWallenhorst, ehe die Feldsteinkiste,dank der peniblen Vorarbeiten, 2019originalgetreu wieder zusammengepuzzeltwerden konnte.Nur wenige hundert Meter südwestlichder eigentlichen Fundstelle wurdedas Steinpflaster in einer gemeinschaftlichenAktion von GemeindeWallenhorst, Stadt- und KreisarchäologieOsnabrück, ArchäologischemArbeitskreis für Stadt und LandkreisOsnabrück, den Garten- und LandschaftsbauunternehmenClaus StisserGmbH, Garten Brauers und Dukatsowie der Berufsbildenden SchuleHaste neu errichtet. Die fast 5.500Jahre alte Feldsteinkiste von Rulle befindetsich nun auf dem Gelände, woauch die Helmichsteine liegen.Autoren: Judith Franzen, Axel Friederichs14 Osnabrücker Wissen | Ausgabe III 2019Das Großsteingrab Helmichsteine liegt nur wenigeSchritte von dem Ruller Steinkistengrab entfernt

Stadt und Landgeschichten

Stadt und Landgeschichten

WESHALB LAG DAS RULLER

STEINKISTENGRAB IM

WALLENHORSTER RATHAUS?

Jahrelang lagerten im Wallenhorster Rathaus in schwarzen, eher unscheinbaren Wannen zahlreiche

Steine, beschriftet mit kryptischen Markierungen. Dass es sich dabei um die Originalsteine eines

5.500 Jahre alten Grabes handelte, wussten nur wenige Eingeweihte. Bevor diese bei einer Aufräumaktion

fast entsorgt worden wären, wurden sie im April 2019 dank einer gemeinschaftlichen Aktion in

Rulle wiederaufgebaut.

Mit Hilfe der Skizzen und Dokumentationsfotos konnte die

Feldsteinkiste originalgetreu wiederaufgebaut werden.

In unmittelbarer Umgebung

sind weitere archäologische

Fundstellen bekannt: Das

bereits erwähnte Großsteingrab

„Helmichsteine“ und ein

jungbronze- bis früheisenzeitlicher

Brandgräberfriedhof

auf dem „Haupthügel“ in Rulle

(ca. 1200–570 v. Chr.). Dort

wurden in den 1920er / 1930er

und in den 1970er Jahren beim

Hausbau mehrere Urnen mit

verbrannten menschlichen

Knochen entdeckt.

Das Steinpflaster vom „Ruller Esch“ während der

archäologischen Ausgrabung im Jahr 2000.

Dort, wo heute eine ausgedehnte Wohnsiedlung

liegt, untersuchte die Osnabrücker

Stadt- und Kreisarchäologie bereits

im Jahr 2000 vor den Bauarbeiten das

Gebiet nördlich der Straße „Im Esch“. Die

Geduld der Ausgräber lohnte sich, wurden

sie am Ende eines 200 Meter langen

Suchabschnittes doch endlich fündig.

Unter dem hier bis zu 1,5 Meter mächtigen

Plaggeneschauftrag kam ein 3,5 x 1,8

Meter großes Steinpflaster zutage.

Das neu errichtete Ruller Steinkistengrab

WARUM IST DAS

STEINPFLASTER SO BESONDERS?

Es diente als Unterbau einer aufwendigen

Grabanlage, einer sogenannten Feldsteinkiste,

die wahrscheinlich ebenso wie das

benachbarte Großsteingrab „Helmichsteine“

in den jüngeren Abschnitt der

jungsteinzeitlichen

Trichterbecherkultur

(ca. 3500–2800 v. Chr.) datiert. Gleichzeitig

ist es ein im Osnabrücker Land bislang

singuläres Beispiel dafür, dass man

Schaufel © kolesnikovserg; Adobe Stock / Steinkistengrab & Hellmichsteine © Paul Stegemann

Steinpflaster vom „Ruller Esch“ ; einzelnen Steine des Pflaster © Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück

damals auch einzelne Verstorbene

in Erdgräbern bestattete und nicht

ausschließlich Großsteingräber für

zahlreiche Tote aus mehreren Generationen

errichtete. Das Steinpflaster

besteht aus lokal vorkommenden

rötlich-grauen, plattenartigen Sandsteinen.

Die kaum noch erkennbar

erhöhten Randbereiche sind letzte

Reste der kistenartigen Einfassung

aus Feldsteinen, in die der Leichnam

ursprünglich gelegt worden war. Von

den sterblichen Überresten selbst

waren jedoch keine sichtbaren Spuren

mehr vorhanden.

Als einzige Grabbeigabe wurde ein

sorgfältig gearbeitetes Feuersteinbeil

gefunden, ein sogenanntes dünnblattiges

Flint-Ovalbeil. Es datiert die

Anlage in die jüngere Trichterbecherkultur

(ca. 3500–2800 v. Chr.). Derartige

Beile lebten allerdings in der

nachfolgenden Einzelgrabkultur (ca.

2800–2000 v. Chr.), dem letzten

Abschnitt der Jungsteinzeit, noch fort.

Spuren eines Grabhügels zeichneten

sich während der Grabung nicht

ab. Ob es sich also ursprünglich um

ein Flachgrab handelte oder ob ein

Deckhügel vorhanden war, dessen

oberirdische Spuren durch Erosion

und Eschwirtschaft im Laufe der Zeit

eingeebnet worden sind, ließ sich

nicht mehr erschließen. Wie kamen

die Steine in den Keller?

Im Rahmen der Grabungsarbeiten im

Jahr 2000 wurde das Steinpflaster

genauestens vermessen, also die exakte

Position jedes einzelnen Steines

verzeichnet und anschließend für die

Dokumentation durchnummeriert.

Danach gelangten Steine zunächst

zur Aufbewahrung ins Rathaus in

Wallenhorst, ehe die Feldsteinkiste,

dank der peniblen Vorarbeiten, 2019

originalgetreu wieder zusammengepuzzelt

werden konnte.

Nur wenige hundert Meter südwestlich

der eigentlichen Fundstelle wurde

das Steinpflaster in einer gemeinschaftlichen

Aktion von Gemeinde

Wallenhorst, Stadt- und Kreisarchäologie

Osnabrück, Archäologischem

Arbeitskreis für Stadt und Landkreis

Osnabrück, den Garten- und Landschaftsbauunternehmen

Claus Stisser

GmbH, Garten Brauers und Dukat

sowie der Berufsbildenden Schule

Haste neu errichtet. Die fast 5.500

Jahre alte Feldsteinkiste von Rulle befindet

sich nun auf dem Gelände, wo

auch die Helmichsteine liegen.

Autoren: Judith Franzen, Axel Friederichs

14 Osnabrücker Wissen | Ausgabe III 2019

Das Großsteingrab Helmichsteine liegt nur wenige

Schritte von dem Ruller Steinkistengrab entfernt

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