Innovatives Sachsen
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innovatiVes<br />
<strong>Sachsen</strong><br />
Herausgegeben vom Freistaat <strong>Sachsen</strong><br />
ab in die Zukunft!<br />
Ein Magazin über besondere Ideen<br />
und wertvolle Netzwerke
4<br />
DREH- UND ANGELPUNKT<br />
Leipzig und Dresden sind Teil einer bundesweiten<br />
Hub-Initiative. Was heißt das eigentlich?<br />
21 STARTSCHUSS<br />
Forschen, gründen und investieren in <strong>Sachsen</strong>:<br />
Wie geht das?<br />
6<br />
WIR HABEN VERSTANDEN<br />
Digitalisierung und Industrie 4.0: Eine Reise zu drei<br />
besonderen Orten<br />
22<br />
SCHAU GENAU!<br />
Ganz nah dran an sächsischen Produkten.<br />
Ein Bilderrätsel<br />
11<br />
»NAHE DER LICHT-<br />
GESCHWINDIGKEIT«<br />
Kommunikationstechnik wird immer schneller.<br />
Aber wie funktioniert das? Der Wissenschaftler<br />
Frank Fitzek im Interview<br />
26<br />
VORTEILE EINER<br />
PAUSENKULTUR<br />
Jung und Alt, Arbeit und Leben – wie bringt<br />
man das zusammen? Der Arbeits- und Organisationspsychologe<br />
Jürgen Wegge im Interview<br />
12<br />
15<br />
RETTUNG NAHT<br />
Zwölf sächsische Ideen für eine bessere Zukunft<br />
BALD MÖGLICH: THERAPIE<br />
VON ERBKRANKHEITEN<br />
Der Wissenschaftler Frank Buchholz forscht an<br />
der Gen-Schere. Wem hilft das? Ein Interview<br />
28<br />
UMGEBUNG FÜR<br />
EINGEBUNG<br />
Forscher, Gründer und Erfinder verraten ihre<br />
Orte der Inspiration. Wo fallen die Ideen in<br />
<strong>Sachsen</strong> vom Himmel?<br />
16<br />
UNTER STROM<br />
Bei der E-Mobilität fährt <strong>Sachsen</strong> ganz<br />
vorn mit. Wohin führt die Reise?<br />
INHALT<br />
Den Inhalt dieses Hefts und viele weitere spannende<br />
Infos zu den Protagonisten, Innovatoren und Projekten<br />
finden Sie multimedial aufbereitet in unserem<br />
Online-Special www.so-geht-sächsisch.de/zukunft<br />
Schauen Sie mal vorbei!<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
Sie kennen das vielleicht. Man hat eine<br />
Idee oder sogar einen ungewöhnlichen<br />
Einfall, denkt ein bisschen darüber nach,<br />
doch die Idee bleibt nur ein guter Gedanke.<br />
Die Ideen, die wir für dieses Heft<br />
gesammelt haben, sind Gedanken, die gewachsen<br />
und lebendig geworden sind<br />
und sich nun Innovationen nennen dürfen.<br />
Was sie auszeichnet: Sie alle sind in<br />
<strong>Sachsen</strong> entstanden. Mit diesem Heft<br />
wollen wir Sie einladen, einen Blick auf<br />
die sächsische Innovationskraft zu werfen.<br />
Wir haben Menschen getroffen, die<br />
besonders viele Einfälle haben – Wissenschaftler,<br />
Unternehmer und Gründer. Auf<br />
den folgenden Seiten zeigen wir, was in<br />
den Fachbereichen der Universitäten und<br />
in den Entwicklungsabteilungen der Unternehmen<br />
passiert, woran in den Laboren<br />
getüftelt und was in den Gründerzentren<br />
umgesetzt wird. Besonderes<br />
Augenmerk richten wir auf das wertvolle<br />
Miteinander in <strong>Sachsen</strong>. Welche Netzwerke<br />
wirken unterstützend und fördernd?<br />
Wo arbeiten Unternehmer und<br />
Entwickler zusammen? Welche Forschungsgruppen<br />
sind entstanden? Denn<br />
mindestens so wichtig wie die Idee sind<br />
die Bedingungen, die sie groß werden<br />
lassen. Schauen Sie sich um, und lassen<br />
Sie sich inspirieren! Falls Sie selbst eine<br />
Idee brauchen – gute Vorschläge für<br />
beflügelnde Orte in <strong>Sachsen</strong> finden Sie<br />
ganz hinten im Heft.<br />
Ihre Redaktion<br />
IMPRESSUM<br />
INNOVATIVES SACHSEN Ein Magazin des Freistaates <strong>Sachsen</strong> Herausgeber Freistaat <strong>Sachsen</strong>, Ralph Schreiber, Regierungssprecher (V.i.S.d.P.), Archivstraße 1, 01095 Dresden,<br />
www.sk.sachsen.de Verlag SZ Scala GmbH Geschäftsleitung Angela Kesselring Redaktionsleitung Julia Decker Artdirection Marina Widmann Bildredaktion Eva Fischer Schlussredaktion Julei M.<br />
Habisreutinger, Christine Uschold-Schlör, Gerlinde Wronski Chefin vom Dienst Ann-Kathrin Ntokalou Gesamtkoordination Ketchum Pleon GmbH, Käthe-Kollwitz-Ufer 79, 01309 Dresden, Druck Firmengruppe<br />
APPL, PRINT.Forum, Industriestraße 48, 74912 Kirchardt Repro Compumedia GmbH. Bei Nichterscheinen durch höhere Gewalt oder Streik kein Entschädigungsanspruch. Eine Verwertung der urheberrechtlich<br />
geschützten Zeitschrift und aller in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen, insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar,<br />
soweit sich aus dem Urheberrechtsgesetz nichts anderes ergibt. Diese Drucksache wird auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes zur Verfügung gestellt.<br />
2 INNOVATIVES SACHSEN
4<br />
6<br />
16<br />
Cover: Martin Meiners. Fotos Inhalt S. 2: Illustration: Anton Hallmann / Sepia, S. 3: Fotos und Illustrationen: Lêmrich, Leander Aßmann, Stephan Floss, André Mühling<br />
21 22<br />
26<br />
Wir zeigen, wie man Unternehmern Sinn und Zweck der Digitalisierung nahebringt (S. 6), lassen uns die inspirierendsten Orte im<br />
Freistaat zeigen (S. 28) und beleuchten, was es mit den Hubs in Leipzig und Dresden auf sich hat (S. 4). Außerdem werfen wir einen<br />
Blick in die Zukunft der Mobilität (S. 16) und unters Mikroskop (S. 22). Wer in <strong>Sachsen</strong> investieren, gründen oder forschen möchte,<br />
findet dazu eine Anleitung (S. 21). Und Prof. Wegge erklärt, wie man Leben und Arbeiten in ein gutes Gleichgewicht bringt (S. 26).<br />
28<br />
VORSCHAU<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
3
Die Städte Leipzig und Dresden sind Teil einer deutschlandweiten<br />
Hub-Initiative. Wir erklären, was das bedeutet, und zeigen,<br />
wie durch das neue Miteinander wertvolle Synergien entstehen<br />
DREH- UND ANGELPUNKT<br />
BEWORBEN, GEWONNEN: <strong>Sachsen</strong><br />
ist gleich zweimal dabei in der Digital-<br />
Hub-Initiative, die vom Bundeswirtschaftsministerium<br />
und dem Digitalverband Bitkom<br />
ins Leben gerufen wurde. Sie soll helfen, in ganz<br />
Deutschland Knotenpunkte zu schaffen, in denen<br />
sich Start-ups, Mittelständler, große Firmen und<br />
Wissenschaft miteinander vernetzen. Dresden und<br />
Leipzig sind in den Kreis der zwölf Hub-Standorte aufgenommen<br />
worden: »Smart Systems Hub – Enabling IoT«<br />
mit dem Schwerpunkt Mikroelektronik in Dresden, wo viele<br />
Firmen und Forschungseinrichtungen aus diesem Bereich<br />
beheimatet sind und auf dem Campus der TU Dresden ein<br />
neues Kompetenzzentrum gebaut wird. Hier verschmelzen<br />
die Disziplinen Hardware, Software und Connectivity,<br />
und es werden maßgebliche Technologien für das<br />
Internet der Dinge entwickelt. Und »Smart Infrastructure<br />
Hub« in Leipzig mit dem Schwerpunkt Energie,<br />
Gesundheit und Smart City. Letzteres umfasst<br />
die E-Mobilität, Logis tik, intelligente Gebäudetechnik<br />
und digitale Stadtinfrastruktur. Hier<br />
ist geplant, ein bestehendes Gründerzentrum<br />
in der Baumwollspinnerei<br />
auszubauen und ein hochschulübergreifendes<br />
Kompetenzzentrum<br />
zur Energiewirtschaft<br />
zu schaffen.<br />
»Risikokapitalgeber nach <strong>Sachsen</strong> locken«<br />
Was macht die Gründerszene in <strong>Sachsen</strong> aus?<br />
Sie ist sehr vielfältig, die Start-ups stammen aus der<br />
Mikroelektronik, aber auch aus anderen Bereichen<br />
wie Materialforschung oder Life Sciences. Oft handelt<br />
es sich um Ausgründungen von Universitäten.<br />
Start-ups tun sich in Deutschland schwer damit, Risikokapitalgeber<br />
zu finden. Wie sieht die Lage in Dresden aus?<br />
Geschichtsbedingt gibt es in den neuen Bundesländern wenige<br />
Erben und Hauptsitze großer Unternehmen. Die Lücke füllen<br />
staatliche Fonds. Außerdem haben wir 2013 die Hightech Venture<br />
Days in Dresden ins Leben gerufen. Hier kommen Firmengründer<br />
mit Investoren zusammen. Das klappt erstaunlich gut: Wir<br />
konnten Start-ups aus Europa und Risikokapitalgeber aus der ganzen<br />
Welt gewinnen. Das kommt auch sächsischen Firmen zugute.<br />
Bei der Digital-Hub-Initiative erhielt Dresden den Zuschlag<br />
zum »Smart Systems Hub – Enabling IoT«. Was erhoffen<br />
Sie sich davon?<br />
Dresden spielt vor allem bei Basistechnologien für die Industrie<br />
vorn mit. Gründer tun sich oft schwer, Großunternehmen mit komplexen<br />
Hierarchien und Fertigungsketten zu durchschauen. Eine<br />
Aufgabe des Hub ist es, diese Zusammenarbeit zu ermöglichen.<br />
ZUR PERSON<br />
Bettina Voßberg leitet das HighTech Startbahn Netzwerk, das<br />
Start-ups aus dem Hochtechnologieumfeld unterstützt. Die HighTech<br />
Venture Days finden vom 18. bis 19.10.2017 statt. hightechstartbahn.de<br />
und hightech-venture-days.com<br />
4 INNOVATIVES SACHSEN
Internet der Dinge =<br />
Hardware + Software + Konnektivität<br />
Das Internet der Dinge ist ein Modebegriff, den man in den Nachrichten oft hört. Was damit gemeint<br />
ist, verstehen aber nur wenige. Kurz gesagt: Durch integrierte Chips sind Gegenstände oder Geräte in<br />
der Lage, miteinander zu kommunizieren. Autos werden ohne Fahrer durch die Innenstadt fahren,<br />
Roboter in Fabriken selbstständig Produkte herstellen, und der Kühlschrank wird automatisch die Milch<br />
bestellen, wenn die Packung leer ist. Das Dresdner Hochtechnologie-Cluster mit seinem Geflecht aus<br />
Chip-Herstellern, Software-Entwicklern und Telekommunikationsfirmen bietet ideale Voraussetzungen,<br />
um gemeinsam mit Forschungseinrichtungen vor Ort die Schlüsseltechnologien für das Internet der<br />
Dinge zu erarbeiten.<br />
Text: Serge Debrebant; Illustration: Carolin Eitel<br />
ZUM BEISPIEL<br />
FÜNF START-UPS AUS DEN HUBS<br />
E2M<br />
Das Stromhandelshaus aus Leipzig<br />
vermarktet Strom aus dezentralen<br />
Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen.<br />
www.energy2market.de<br />
RHEBO<br />
Die Firma in Leibzig hat eine Software zur<br />
Überwachung aller Kommunikationsflüsse<br />
im Datenverkehr entwickelt, z. B. für<br />
die Abwehr von Hackerangriffen in der<br />
Industrie 4.0. www.rhebo.com<br />
KIWIGRID<br />
Die Dresdner Plattform zeigt Lösungen<br />
für Energie-Management im Internet der<br />
Dinge, z. B. für das Monitoring und die<br />
Optimierung des gesamten Haushaltsstromverbrauchs.<br />
www.kiwigrid.com<br />
MONKEY WORKS<br />
Das Dresdner Unternehmen bietet<br />
eine HMI-Softwarelösung zur Entwicklung<br />
mobiler Apps an, mit denen sich<br />
Maschinen und Anlagen überwachen<br />
lassen. www.monkey-works.de<br />
SONOVUM<br />
Das Leipziger Unternehmen hat ein<br />
Gerät zur Diagnose von Erkrankungen<br />
des Gehirns entwickelt, das nichtinvasiv<br />
eine kontinuierliche Kontrolle möglich<br />
macht. www.sonovum.de<br />
»Bleibende Strukturen für Start-ups schaffen«<br />
Herr Weber, Leipzig gilt<br />
als jung und hip. Hilft<br />
Ihnen dieses Image,<br />
Start-ups anzuziehen?<br />
Ja, das ist ein Standortvorteil.<br />
Wir tun hier viel, um Start-ups zu fördern.<br />
Es gibt Inkubatoren, Coworking Spaces,<br />
Veranstaltungen. Hinzu kommt die Nähe<br />
zu Berlin. Die Szene wächst mittlerweile<br />
sehr schnell. Das überrascht mich manchmal<br />
selbst.<br />
Was zeichnet diese Szene aus?<br />
Die spannendsten Firmen siedeln sich an<br />
den Schnittstellen an. Zum Beispiel entwickelt<br />
das Start-up Rhebo intelligente<br />
Sicherheitslösungen für die Kommunikation<br />
zwischen Maschinen, die sowohl in<br />
kritischen Infrastrukturen der Stadtwerke<br />
Leipzig als auch in Industrieanlagen von<br />
Porsche ausprobiert wurden. Bei branchenübergreifenden<br />
Lösungen ist Leipzig stark.<br />
Bei der Digitalinitiative erhielt<br />
Leipzig den Zuschlag zum »Smart<br />
Infrastructure Hub«. Was planen<br />
Sie im Rahmen des Hub?<br />
Wir wollen neue Start-ups unterstützen,<br />
aber auch bleibende Strukturen wie ein universitäres<br />
Kompetenzzentrum zur Energiewirtschaft<br />
schaffen. Das braucht Zeit, aber<br />
wir haben einen langen Atem.<br />
ZUR PERSON<br />
Eric Weber leitet »SpinLab – The HHL<br />
Accelerator«, den Start-up-Inkubator der<br />
»HHL Leipzig Graduate School of<br />
Management«, und koordiniert den »Smart<br />
Infrastructure Hub«. www.spinlab.co<br />
Hamburg<br />
Berlin<br />
Dortmund<br />
Leipzig<br />
Köln<br />
Dresden<br />
Frankfurt/<br />
Darmstadt<br />
Mannheim<br />
Karlsruhe Nürnberg<br />
Stuttgart<br />
München<br />
Potsdam<br />
An 13 Standorten in Deutschland vernetzen sich<br />
Start-ups, Mittelständler und große Firmen zu Hubs.<br />
DURCHBLICK<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
5
Erklärt Fertigungsleitern<br />
und Unternehmenschefs<br />
in der Lernfabrik die<br />
Vorteile der Industrie 4.0:<br />
Nicole Jäpel, Mitarbeiterin<br />
am Lehrstuhl von<br />
Professor Dirk Reichelt.<br />
Im Bild prüft sie das<br />
Werkzeugwechselsystem<br />
der Roboterzelle.
Wir haben<br />
verstanden<br />
Wie bringt man Unternehmern Sinn und Zweck der Digitalisierung<br />
oder der Industrie 4.0 so richtig nah? Wie zeigt man das<br />
Wesen von Innovation? In Dresden gibt es auf diese Fragen sehr<br />
plastische Antworten. Eine Reise zu drei besonderen Orten<br />
Text Peter Wagner Fotos Lêmrich<br />
FRIEDRICH-LIST-PLATZ 1. Was gibt es<br />
Schöneres als einen begeisterten Professor?<br />
Dirk Reichelt, Professor für Informationsmanagement,<br />
fängt seinen Besuch gleich am<br />
Aufzug im neunten Stock des Zentralgebäudes<br />
der Dresdner Hochschule für Technik<br />
und Wirtschaft ab. In den Augen des großen<br />
Mannes im weinroten Hemd ist so etwas<br />
wie Vorfreude zu entdecken, ganz, als habe<br />
er ein besonderes Geschenk vorbereitet.<br />
Reichelt geht wenige Schritte einen breiten<br />
Gang entlang und öffnet die Tür zu einem<br />
klimatisierten Raum, in dem eine kleine<br />
Fertigungsstraße zu sehen ist, die sogenannte<br />
Lernfabrik. Eine Presse zum Beispiel<br />
bringt schwarzen Kunststoff in die Form<br />
eines Handygehäuses und versieht es nebenbei<br />
mit einem Chip. Eine Kamera fotografiert<br />
das Gehäuse und prüft es auf Risse. Ein<br />
Roboter nimmt das Gehäuse auf und fährt<br />
es zu einer Fräse, die das Werkstück von<br />
Neuem bearbeitet. Und so geht es weiter.<br />
Eine beispielhafte Fertigung, die ihren<br />
Charme im Detail entfaltet. Dirk Reichelt<br />
führt an die Presse und hebt eines der<br />
schwarzen Gehäuse an. Mehrmals wendet<br />
er es vor seinen Augen. »Der Chip im<br />
Kunststoff macht das Handygehäuse unverwechselbar«,<br />
sagt Dirk Reichelt. »Der Roboter<br />
erkennt den Chip und registriert sofort,<br />
um welches Produkt es sich handelt. Er<br />
kommuniziert sozusagen mit dem Gehäuse.«<br />
Die Kamera wiederum fotografiert die<br />
MÜSSTE FUNKTIONIEREN: Nicole Jäpel mit ihrem Kollegen Robert Ringel<br />
in der Lernfabrik.<br />
Schale und schickt das Foto in die Cloud.<br />
Dirk Reichelt deutet nach oben: In der imaginären<br />
Datenwolke prüft eine Software das<br />
Bild, sucht nach Rissen und meldet mögliche<br />
Fehler zurück. Und dann die Fräse.<br />
Dirk Reichelt geht weiter die Lernfabrik entlang.<br />
Er kniet sich hin und zeigt eine kleine<br />
Digitalanzeige in Bodennähe. Dort steht,<br />
wie viel Luftdruck die Fräse im Einsatz benötigt,<br />
wie viel Energie sie verbraucht. Das<br />
alles zusammen ist das Internet der Dinge:<br />
Werkstücke teilen Robotern ihre Identität<br />
mit, Cloudprogramme prüfen Livebilder auf<br />
Macken, Sensoren vermerken den energetischen<br />
Aufwand. Mit all diesem Wissen, so<br />
Dirk Reichelt, können Unternehmer ihre<br />
Produktionen fehlerfreier und effizienter<br />
gestalten. Der Professor führt mit Schwung<br />
und manchmal fast atemlos an den Modulen<br />
entlang. Man kann die Begeisterung<br />
verstehen. In Deutschland gibt es bislang<br />
nur wenige Orte, an denen sich Unterneh-<br />
INDUSTRIE 4.0<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
7
INDUSTRIE 4.0<br />
mer derart verständlich dem Wesen und<br />
Nutzen der Industrie 4.0 nähern können.<br />
»Wir wollen Berührungsängste abbauen«,<br />
sagt Dirk Reichelt. »Wir zeigen hier die<br />
Basistechnologie des Internets der Dinge. So<br />
können wir allen Interessierten einen Einblick<br />
in die Praxis geben.« Im guten Fall<br />
gewinnt ein Fertigungsleiter hier Ideen für<br />
Die Lernfabrik soll<br />
Berührungsängste<br />
mit der Industrie<br />
4.0 abbauen<br />
seine eigene Arbeit. Im besten Fall geht er<br />
mit der Inspiration für ein neues Produkt<br />
nach Hause. Die Führung durch die Lernfabrik<br />
kann man übrigens buchen, fast wie<br />
eine Reise. Als das Bundeswirtschaftsministerium<br />
im Frühjahr die Namen von zwölf<br />
Digital-Hubs bekannt gab, fielen nämlich<br />
auch die Namen Dresden und Leipzig (siehe<br />
Seite 4). In Dresden setzen sich so viele Einrichtungen<br />
mit dem Internet der Dinge auseinander,<br />
dass man die Stadt zum »Smart<br />
Systems Hub« adelte. Die Verantwortlichen<br />
freuten sich und entwickelten in Windeseile<br />
sogenannte Trails, entlang derer Besucher<br />
das Standortwissen erkunden können. So<br />
landet man zum Beispiel bei Dirk Reichelt<br />
im 9. Stock und sammelt Inspirationen dafür,<br />
wie das Internet der Dinge die eigene<br />
Produktion verbessern könnte. So landet<br />
man aber auch am Lehrstuhl für Softwaretechnologie<br />
von Uwe Aßmann, TU<br />
Dresden, Fakultät für Informatik.<br />
NÖTHNITZER STRASSE 46. Zu Fuß<br />
sind es gerade mal 20 Minuten Fußmarsch<br />
von Herrn Reichelt zu den Informatikern.<br />
Ein erfrischend heller Neubau ist hier zu<br />
bestaunen, die bodentiefen Fenster wurden<br />
von den Architekten mit grünen Sichtblenden<br />
versehen, darauf ein Muster, das an<br />
Lochkarten erinnert. Oben, im zweiten<br />
Stock, neben grasgrün gestrichenen Wänden,<br />
bauen die Doktoranden Christian<br />
Piechnick und Georg Püschel ihre aufsehenerregende<br />
Erfindung auf. Sie schieben einen<br />
mannshohen Roboterarm auf den Gang vor<br />
ihrem Büro. Mächtig steht er auf vier Rollen,<br />
ein Greifarm ragt in die Luft. Und dann<br />
kommt der Kniff: Christian Piechnick zieht<br />
sich eine einfache Trainingsjacke mit eingenähten<br />
Platinen an und streift verdrahtete<br />
und mit Chips versehene Handschuhe über.<br />
Er bewegt seinen rechten Arm und löst das<br />
Entscheidende aus: Der Roboterarm vollzieht<br />
die Bewegung nach. »Die Software<br />
zeichnet die exakte Position meines Armes<br />
auf und gibt sie an den Roboter weiter« sagt<br />
Christian Piechnick. Was wie ein nettes<br />
Spielchen aussieht, ist der Kern einer kleinen<br />
Revolution: Piechnick und Püschel<br />
sprechen von »Demonstration Based<br />
Teaching«. Als die beiden jungen Informatiker<br />
und ihr Team die Entwicklung auf der<br />
Hannovermesse präsentierten, ernteten sie<br />
Staunen. »Das Programmieren eines Industrieroboters<br />
dauert für gewöhnlich mehrere<br />
Wochen und kostet Zehntausende von<br />
Euro«, sagt Christian Piechnick. Die Sensorenjacke<br />
und die Handschuhe verkürzen<br />
diesen Prozess: Jacke anziehen, bewegen,<br />
Daten an den Roboter geben. Eine Sache<br />
von Minuten. Menschen können künftig auf<br />
Georg Püschel und Christian Piechnick haben in den letzten beiden Jahren eine neue Form der Roboterprogrammierung<br />
entwickelt: Die beiden Forscher vom Lehrstuhl Prof. Uwe Aßmann zeigen, wie »Demonstration Based Teaching«<br />
funktioniert. Gemeinsam mit Maria Piechnick, Jan Falkenberg und Sebastian Werner arbeiten sie an dieser Lösung.<br />
8 INNOVATIVES SACHSEN
diese Weise »in einen Roboter schlüpfen«<br />
und die Maschine an ihrer statt arbeiten lassen<br />
– etwa in einem Reinraum eines sächsischen<br />
Chipherstellers wie Infineon oder<br />
künftig Bosch. Das ist ohnehin ein entscheidender<br />
Punkt. Weder die Lernfabrik noch<br />
die Sensorenjacke sind isolierte Entwicklungen<br />
einzelner Genies, sie sind Gemeinschaftsprojekte<br />
und beziehen sich fast immer<br />
auf mögliche Anwendungen. Dirk<br />
Reichelt zum Beispiel arbeitet eng mit einem<br />
Fraunhofer-Institut zusammen. In seiner<br />
Lernfabrik werden unter anderem Fallbeispiele<br />
örtlicher Großunternehmen wie Infineon<br />
oder VW bearbeitet; die Dresdner<br />
Entwickler von ZIGPOS liefern Sensornetzwerke<br />
und Ortungssysteme; die Leipziger<br />
Firma ccc installierte Industriesoftware zur<br />
Energieverbrauchsmessung; die Dresdner<br />
Datenbankspezialisten von Robotron kümmern<br />
sich um die Cloudlösungen. Und das<br />
ist nur der Beginn einer langen Liste von<br />
Kooperationspartnern. Der »Smart Systems<br />
Hub« in Dresden bildet den Rahmen für ein<br />
neuartiges Maker-Zentrum, in dem Entwickler<br />
das Wissen einer Region zu Innovationen<br />
formen. Christian Piechnick von der<br />
TU Dresden hat die Wirkweise des Hub bereits<br />
am eigenen Leib erfahren. Die Treffen<br />
im Rahmen der Initiative gaben der Idee<br />
vom »Demonstration Based Teaching« kräftigen<br />
Schub: Für eine Präsentation des Telekom-Vorstandes<br />
Tim Höttges arbeitete man<br />
mit dem 5G-Projekt von Professor Frank<br />
Fitzek zusammen (siehe Seite 11). Im Internet<br />
findet sich ein Film, in dem Höttges einen<br />
Roboter so bewegt, wie es Christian<br />
Piechnick eben vorgemacht hat. Diese Erfahrung<br />
hat Piechnick zu einer entscheidenden<br />
Einsicht verholfen. »Man braucht immer<br />
einen Ort und einen Rahmen, in dem<br />
man mit anderen ins Gespräch kommen<br />
kann«, sagt der junge Informatiker. »Sonst<br />
entwickelt man sich nicht weiter.«<br />
WETTINER PLATZ 7. Der letzte Satz aus<br />
der Nöthnitzer Straße steckt dem Besuch<br />
noch im Kopf, als auf dem Gelände des<br />
Kraftwerk Mitte die Kette fällt: Frank Neuber<br />
von der DREWAG, den Dresdner Stadtwerken,<br />
entfernt das schwere Schloss zu<br />
Halle 9. Er stößt eine Tür auf, die in Vergangenheit<br />
und Zukunft zugleich führt. Altes<br />
Ziegelmauerwerk erhebt sich vor den Augen,<br />
3000 Quadratmeter Fläche, vier Stockwerke.<br />
Die Besucher nehmen den kühlen<br />
HERZLICH WILLKOMMEN IN DER ZUKUNFT: Georg Püschel (links) und Christian<br />
Piechnick im Foyer der Fakultät für Informatik an der Nöthnitzer Straße.<br />
Hauch einer verlassenen Schaltzentrale<br />
wahr, in der einst Transformator neben<br />
Transformator stand. Die DREWAG hat das<br />
40 000 Quadratmeter große Innenstadtgelände<br />
neu belebt. Bis 1994 qualmte hier<br />
ein Kohlekraftwerk, jetzt sind Staatsoperette<br />
Dresden und das theater junge generation<br />
eingezogen. Das Heinrich-Schütz-Konservatorium<br />
lehrt in neuen Räumen, es gibt ein<br />
Energiemuseum, eine Diskothek, Cafés. Ein<br />
kreativer, interdisziplinärer Ort, ganz nach<br />
Ronald Scholz’ Geschmack. Gemeinsam mit<br />
Nico Herzberg folgt er Frank Neuber durch<br />
den noch ungenutzten Bau. Die Farbe im<br />
Treppenhaus blättert von der Wand, aber<br />
Scholz’ Vision tut das keinen Abbruch. Er<br />
sieht hier 3-D-Drucker und Rapid-Prototyping-Workshops,<br />
in denen Unternehmer<br />
Produkte entwickeln. Er sieht hier Virtual<br />
Reality zum Testen und Design Sprints, in<br />
denen Entwickler das Mögliche wagen.<br />
»Ich fuhr mit der Bahn vorbei und sah das<br />
Plakat ›Wir haben noch Flächen‹ «, erinnert<br />
sich Scholz. Er gründete mehrmals selbst,<br />
führte ein Softwareunternehmen an die<br />
Börse und greift heute Start-ups unter die<br />
Arme. In der Halle 9 sollen Unternehmer<br />
die Digitale Transformation verstehen.<br />
»Das werden Räume, in denen der Erzgebirgische<br />
Räuchermännchenhersteller mit<br />
den IT-Spezialisten von SAP in Kontakt<br />
kommt«, sagt Ronald Scholz. Er will all das<br />
Wissen der Start-up-Industrie jenen vermitteln,<br />
die es dringend brauchen können.<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
9
will in der Halle 9 nach dem Umbau ein Innovations-<br />
und Ausbildungszentrum unterbringen.<br />
»Wir wollen hier überlegen und<br />
zeigen, wie die Arbeit der Zukunft aussieht«,<br />
sagt Herzberg. Das große Softwarehaus<br />
möchte sich einer breiteren Masse öffnen.<br />
Die Halle 9 soll zum Schaufenster werden,<br />
Unternehmer<br />
brauchen Orte, an<br />
denen sie die<br />
Digitalisierung<br />
anfassen können<br />
WOLLEN UNTERNEHMERN DIE VORTEILE DER DIGITALISIERUNG NOCH VIEL<br />
PLASTISCHER MACHEN: Ronald Scholz vom Inkubator Sherpa.Dresden (links)<br />
und Nico Herzberg, Ausbildungsleiter bei SAP Dresden.<br />
»Das Angebot muss niedrigschwellig sein«,<br />
sagt Scholz. »Die Unternehmer sollen hier<br />
erleben, was die Digitalisierung kann. Sie<br />
sollen diese Entwicklung anfassen.« An der<br />
Stelle beschreibt Ronald Scholz einen wunden<br />
Punkt der Digitalisierung. Alle lesen<br />
von dieser einschneidenden Transformation,<br />
doch die Botschaft kommt zu selten an.<br />
»Viele brauchen ein Erlebnis, eine Begegnung,<br />
einen Impuls, ehe sie das Thema angehen«,<br />
sagt Ronald Scholz. Neben ihm<br />
nickt Nico Herzberg. Er verantwortet die<br />
Ausbildung bei SAP Dresden und war einer<br />
der Ersten, die Scholz’ Vision teilten: SAP<br />
zur Kontaktbörse, in der man mit der sächsischen<br />
Wirtschaft ins Gespräch kommt.<br />
Herzberg und Scholz folgen Frank Neuber<br />
in den vierten Stock, wo ein Oberlicht den<br />
Raum erhellt. Hier wird ein Konferenzraum<br />
entstehen, hier sollen in drei Jahren Ideen<br />
zum Leben erwachen. Die beiden stecken<br />
ihre Köpfe zusammen und diskutieren den<br />
anstehenden Umbau. Sie sind mit ihrem<br />
Vorhaben nicht allein, weitere Partner<br />
haben dem Projekt ihre Partnerschaft<br />
versichert, darunter eine Bank und eine<br />
Krankenkasse. Der Bedarf ist einfach zu<br />
groß. »Wir haben in unserem Land viele<br />
100-Mann-Firmen, die sich endlich der<br />
Digitalisierung widmen müssen«, setzt<br />
Ronald Scholz zu einem Plädoyer an.<br />
»Diese Unternehmen brauchen einen Ort,<br />
an dem sie sich möglichen Fachkräften<br />
vorstellen können. Diese Unternehmen<br />
brauchen einen Ort, an dem sie sich weiterentwickeln<br />
können.« Man darf annehmen,<br />
dass Christian Piechnick und Dirk Reichelt<br />
diesen Satz unterschreiben würden. •<br />
Mehr Informationen zum Smart Systems<br />
Hub Dresden und zu den angebotenen Trails<br />
auf www.smart-systems-hub.de<br />
DAS SÄCHSISCHE HIGH-TECH-ÖKOSYSTEM<br />
Dresden ist heute der größte Halbleiterstandort in Europa. Die Basis<br />
dafür legten Wirtschaftspolitiker in den Neunzigerjahren: Damals siedelten<br />
sich Chipproduzenten wie AMD oder Infineon in der sächsischen<br />
Hauptstadt an. Die großen Namen erzeugten einen Sog und<br />
zogen weitere Unternehmen an. Bald war die Rede vom »Leuchtturm«<br />
<strong>Sachsen</strong>, weil nirgendwo sonst so viel Wissen rund um Halbleiter-<br />
und Hochtechnologie versammelt ist. Heute produzieren Unternehmen<br />
wie Globalfoundries, X-Fab oder Infineon hier Prozessoren<br />
für die weltweite Digitalisierung. Zählt man alle Unternehmen der<br />
Hochtechnologie zusammen, kommt man in <strong>Sachsen</strong> auf 2300 Firmen<br />
mit 60 000 Mitarbeitern und 14 Milliarden Euro Jahresumsatz.<br />
Nicht in der Rechnung sind die vier Universitäten und fünf Fachhochschulen.<br />
Hinzu kommen neun Fraunhofer-, drei Leibniz-, ein Helmholtzund<br />
zwei Max-Planck-Institute. Und dieses High-Tech-Ökosystem<br />
wächst und gedeiht weiter. Globalfoundries, der Hersteller mit<br />
den meisten Mitarbeitern vor Ort, will in den nächsten Jahren<br />
1,7 Milliarden Euro in sein sächsisches Werk investieren. Infineon<br />
beabsichtigt, weitere 100 Millionen Euro auszugeben. Bosch, der<br />
größte Autozulieferer der Welt, kündigte im Sommer an, in <strong>Sachsen</strong><br />
eine neue Halbleiterfabrik für eine Milliarde Euro zu bauen. Das ist die<br />
größte Einzelinvestition in der Geschichte des Unternehmens.<br />
Noch mehr Geschichten zur Halbleiterbranche in <strong>Sachsen</strong> finden Sie<br />
in unserem Online-Special: www.so-geht-sächsisch.de/zukunft<br />
10 INNOVATIVES SACHSEN
Wie kommunizieren wir in Zukunft miteinander?<br />
Prof. Dr. Frank Fitzek beschäftigt sich mit elektronischer Kommunikation<br />
und der Frage, wie schnell Daten übertragen werden können<br />
» Nahe der Lichtgeschwindigkeit «<br />
Interview Serge Debrebant<br />
Foto: Stephan Floss<br />
Herr Prof. Fitzek, Sie forschen am<br />
5G Lab an der Technischen Universität<br />
Dresden an der nächsten Generation<br />
des Mobilfunks. Was haben wir uns<br />
darunter vorzustellen?<br />
5G wird ganz Neues ermöglichen, nämlich das<br />
Internet der Dinge. Das heißt: Es wird nicht<br />
nur zehn Milliarden Menschen miteinander<br />
verbinden wie die alten Standards, sondern zusätzlich<br />
500 Milliarden Maschinen. Vom 1G<br />
über 2G und 3G bis zu 4G – also LTE – gab es<br />
eine Evolution. 5G bedeutet eine Revolution.<br />
Sie befassen sich mit ferngesteuerten<br />
Chirurgie-Robotern und selbstfahrenden<br />
Autos. Wann werden diese Dinge zu<br />
unserem Alltag gehören?<br />
In unseren Tests funktioniert die Technik<br />
schon sehr gut. Das Besondere an den Medizinrobotern<br />
ist aber nicht, dass man sie fernsteuern<br />
kann, diese Technik gibt es heute<br />
schon. Aber viele Ärzte scheuen sich davor,<br />
sie zu benutzen, weil ihnen das haptische<br />
Feedback fehlt, das sie von herkömmlichen<br />
Eingriffen kennen. Genau das wird aber<br />
durch 5G möglich, weil das neue Netz die Daten<br />
in Echtzeit überträgt. Zum Hören und<br />
Sehen kommt jetzt auch der Tastsinn. Deswegen<br />
sprechen wir auch vom taktilen Internet.<br />
ZUR PERSON<br />
Sie sagen, dass das 5G-Netz die Daten in Echtzeit<br />
übertragen kann. Wie ist das möglich?<br />
Dafür braucht man eine sehr geringe Reaktionszeit, in der Fachsprache<br />
sagen wir »Latenz«. Wenn Daten heute mit LTE übertragen<br />
werden, dauert das mindestens 30 Millisekunden. Im 5G-Netz<br />
wollen wir die Reaktionszeit auf eine Millisekunde verringern. Wir<br />
bewegen uns dann nahe der Lichtgeschwindigkeit.<br />
Welche anderen Eigenschaften zeichnen das 5G-Netz aus?<br />
Es kann 1000-mal mehr Daten transportieren, es kann 100-mal<br />
mehr Endgeräte vernetzen, es ist 1000-mal stabiler. Aber die<br />
schnelle Reaktionszeit ist das Entscheidende. Sie wird es ermöglichen,<br />
auf eine völlig neue Art Maschinen zu steuern und Systeme<br />
zu regeln.<br />
Frank Fitzek lehrt als Professor am<br />
Institut für Nachrichtentechnik an der<br />
TU Dresden und steht als Koordinator<br />
dem 5G Lab Germany vor. Hier<br />
arbeiten 500 Wissenschaftler an den<br />
Grundlagen für die fünfte Generation<br />
des Mobilfunks. Fitzek ist auch als<br />
akademischer Sprecher des Smart<br />
Systems Hub tätig, eines Innovationszentrums,<br />
das sich mit dem Internet<br />
der Dinge beschäftigt (mehr dazu<br />
auf Seite 5). www.5glab.de<br />
Wenn jemand die Kontrolle über<br />
selbstfahrende Autos gewinnt, könnte<br />
er viel Schaden anrichten. Wie sicher<br />
ist ein solches Netzwerk?<br />
Extrem sicher. Das hängt mit dem Aufbau<br />
des 5G-Netzes zusammen. Heute werden<br />
Daten in Paketen versandt und über zentrale<br />
Knotenpunkte weitergeleitet. Man muss sie<br />
verschlüsseln, damit Kriminelle sie nicht lesen<br />
können. In Zukunft wird es Tausende<br />
kleinerer Knotenpunkte geben, dadurch<br />
wird es schwieriger, den genauen Übertragungsweg<br />
vorherzusagen. Daten werden<br />
auch nicht mehr als Pakete verschickt, sondern<br />
als mathematische Formeln, die man<br />
am Ziel wieder zusammenfügt. Ein Datendieb<br />
müsste alle Formeln abgreifen können,<br />
um die Daten zu entschlüsseln – das ist so<br />
gut wie unmöglich.<br />
Welche Rolle spielt das 5G Lab<br />
dabei, den neuen Mobilfunk-Standard<br />
zu definieren?<br />
Wir haben mehrere Jahre Vorsprung vor anderen<br />
Einrichtungen und bauen ihn immer<br />
weiter aus. Das Besondere an unserem Ansatz<br />
ist, dass Forscher, Unternehmen und<br />
Verbände von Anfang an zusammensitzen.<br />
Wir tauschen uns regelmäßig mit Unternehmen<br />
wie BMW, Vodafone oder der Deutschen<br />
Telekom aus. Dadurch kennen wir die Probleme, die im<br />
Alltag auftreten – und können mit unseren Neuerungen die<br />
Netze schon heute verbessern.<br />
Automatische Sämaschinen, selbstfahrende<br />
Autos, Industrieroboter – machen wir uns durch den<br />
technischen Fortschritt selbst überflüssig?<br />
Gut ausgebildete Fachkräfte werden in Zukunft von noch größerer<br />
Bedeutung sein. Aber die Arbeit verändert sich. Mensch und<br />
Maschine werden immer enger zusammenarbeiten. Stellen Sie<br />
sich vor, Sie müssten eine Kiste mit Schrauben sortieren. Sie führen<br />
dem Roboter vor, wie man das macht, und er erledigt dann<br />
den Rest. Roboter sind für Routineaufgaben geeignet, der Mensch<br />
bleibt aber die Quelle für Innovation und Neues. •<br />
SCHNELLE VERBINDUNG<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
11
1<br />
RETTUNG<br />
NAHT<br />
Entlegene Mineralquellen<br />
werden zugänglich<br />
Metalle und Industrieminerale lagern<br />
oft in schwer erreichbaren Regionen.<br />
Dr. Richard Gloaguen, Abteilungsleiter<br />
des Bereiches Erkundung vom Helmholtz-Zentrum<br />
Dresden-Rossendorf, geht<br />
daher mit Drohnen auf die Suche nach<br />
den wichtigen Rohstoffen. Mithilfe hyperspektraler<br />
Kameras, die Mineralien aus<br />
weiter Ferne erkennen, erkundet er auf<br />
der ganzen Welt mögliche Lagerstätten,<br />
bisher unter anderem in Grönland,<br />
Finnland und Südafrika. www.hzdr.de<br />
Text Kathrin Hollmer Illustration Leander Aßmann<br />
Künstliche Ohren, grüner Versand<br />
und Viagra für Pflanzen: Nachhaltige Ideen<br />
aus <strong>Sachsen</strong>, die die Welt verbessern<br />
2<br />
Bestrahlung<br />
wird<br />
schonender<br />
und effektiver<br />
Am OncoRay Center der Medizinischen<br />
Fakultät an der TU Dresden wird an<br />
der Optimierung der Protonentherapie<br />
im Kampf gegen Krebs geforscht. Die<br />
Proto nentherapie ist ein neues, höchst<br />
präzises Strahlenverfahren: Kranke Zellen<br />
werden effektiv zerstört, und gesundes<br />
Gewebe wird geschont. Um die Behandlung<br />
weiter zu verbessern, arbeitet<br />
die Physikerin Theresa Werner aktuell<br />
an einem Echtzeit-Detektorsystem<br />
zur Reichweitenkontrolle des Protonenstrahls<br />
im menschlichen Körper.<br />
www.oncoray.de<br />
12 INNOVATIVES SACHSEN
3<br />
Elektro-Recycling<br />
wird attraktiver<br />
Allein in Deutschland liegen ungefähr<br />
100 Millionen Alt-Handys ungenutzt<br />
im Schrank. Nun macht Binee Box aus<br />
Leipzig das Recycling von Elektrokleingeräten<br />
attraktiver: An 14 Standorten in<br />
Leipzig kann man bereits alte Geräte<br />
abgeben und wird dafür belohnt, etwa<br />
mit einem Gutschein für eine Kugel Eis<br />
oder mit 50 Euro Rabatt für den Kauf<br />
eines neuen Rads. Mehr Standorte und<br />
ein Konzept für Medikamentenentsorgung<br />
sind geplant. www.binee.com<br />
4<br />
Verhütung und<br />
Empfängnisoptimierung<br />
werden hormonfrei<br />
Der OvulaRing der VivoSensMedical<br />
GmbH aus Leipzig kann die fruchtbaren<br />
Tage präzise bestimmen – für Frauen mit<br />
Kinderwunsch oder zur natürlichen hormonfreien<br />
Verhütung. Der Ring wird fast<br />
ausschließlich in <strong>Sachsen</strong> produziert: Der<br />
Kunststoff kommt aus Leuna, die Ringe<br />
werden in Radeberg gefertigt, die Keramik<br />
für die Sensoren stammt aus Meißen, Sensoren<br />
und Lesegeräte werden in Leipzig<br />
gebaut. www.vivosensmedical.com<br />
5<br />
Windeln werden nachhaltig<br />
Die Dresdnerin Stephanie Oppitz löst mit<br />
ihrer WindelManufaktur gleich zwei Probleme<br />
von Hygieneartikeln auf einmal: Ihre<br />
Stoffwindeln und -binden, Feucht- und<br />
Taschentücher, Abschminkpads, Still- und<br />
Slipeinlagen sind wasch- und wiederverwendbar.<br />
Anders als herkömmliche Produkte<br />
enthalten sie keine chemischen<br />
Zusatzstoffe, die Hautirritationen auslösen<br />
können, und alle werden von Hand u. a. aus<br />
Biobaumwolle, Hanf- und Bambusstoffen<br />
sowie Merinowolle gefertigt – in modernen<br />
Designs. Für den Herbst plant sie eine neue<br />
Marke für nachhaltige Damenhygieneprodukte.<br />
www.windelmanufaktur.com<br />
7<br />
Medizinische Forschung ohne<br />
Tierversuche wird möglich<br />
Tierversuche spielen in der medizinischen Forschung eine wichtige<br />
Rolle. Doch Studien haben gezeigt, dass die Übertragung von<br />
Studienergebnissen auf den Menschen nur bedingt geeignet sind.<br />
Mikrophysiologische Systeme wie sie am Fraunhofer-Institut<br />
für Werkstoff- und Strahltechnik in Dresden entwickelt<br />
werden, können mittelfristig eine signifikante Reduktion der<br />
Tierversuche erreichen: Ein »Nachbau« menschlicher Organe<br />
wird möglich, an denen Medikamente medizinisch effektiver<br />
getestet werden können. www.iws.fraunhofer.de<br />
6<br />
Befunde<br />
werden<br />
verständlich<br />
Die Fachbegriffe in medizinischen Befunden<br />
können Patienten verunsichern. Damit<br />
das nicht passiert, übersetzt das Team von<br />
»Was hab ich?« in Dresden zusammen mit<br />
Ärzten und Medizinstudenten solche<br />
Diagnosen in eine verständliche Sprache –<br />
kostenlos und anonym. Außerdem schulen<br />
sie Mediziner in patientenfreundlicher<br />
Kommunikation. www.washabich.de<br />
GUTE EINFÄLLE<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
13
11<br />
8<br />
Paketversand wird nachhaltig<br />
Etwa drei Milliarden Pakete werden pro Jahr in Deutschland verschickt. Das Start-up<br />
TiMMi Transport aus Leipzig will den Versand umweltfreundlicher machen: Über<br />
ein Netzwerk stellt es Fahrradkuriere und private Mitfahrgelegenheiten zur Verfügung,<br />
die füreinander Pakete, Bestellungen und andere Lieferungen auf ihren Wegen mitnehmen,<br />
die sie ohnehin zurücklegen. Der Rest wird per Radkurier transportiert. Im<br />
Moment ist der Dienst in Leipzig aktiv, ab September sollen mehrere deutsche Städte<br />
folgen. www.timmitransport.de<br />
Organe werden nachrüstbar<br />
Weil es kein passendes Spenderorgan gibt,<br />
sterben allein in Deutschland jeden Tag<br />
etwa drei Menschen. Dr. Ina Prade vom<br />
Forschungsinstitut für Leder und<br />
Kunststoffbahnen in Freiberg hat ein<br />
Verfahren entwickelt, um die Gerüststrukturen<br />
von Organen und Geweben wie z. B.<br />
ein menschliches Ohr durch 3-D-Druckverfahren<br />
herzustellen und diese mit einer<br />
Tinte mit lebenden Zellen zu besiedeln, das<br />
dann als Implantat verwendet werden kann.<br />
Der dafür notwendige 3-D-Drucker wurde<br />
von dem sächsischen Unternehmen GeSIM<br />
mbH entwickelt. www.filkfreiberg.de<br />
9<br />
Schlechte Böden<br />
werden fruchtbar<br />
»Technischer Humus« wird die Erfindung<br />
der Novihum Technologies GmbH gern<br />
genannt. Das Unternehmen aus Dresden<br />
hat in Zusammenarbeit mit der Technischen<br />
Universität vor Ort eine Technologie zur<br />
Humusanreicherung ausgezehrter Böden<br />
entwickelt: Mit einem Granulat, das aus<br />
Braunkohlestaub gewonnen wird, können<br />
Böden ertragreicher gemacht und gegen<br />
Erosion geschützt werden, sogar in Wüstengebieten<br />
und Steppen. www.novihum.com<br />
10<br />
Fahrradfahren<br />
wird<br />
noch leichter<br />
Das Chemnitzer Start-up PI ROPE,<br />
gegründet von einem Forscherteam um<br />
Ingo Berbig von der TU Chemnitz, hat<br />
superleichte Speichen aus hochfestem<br />
Polyester entwickelt, die Fahrräder<br />
zukünftig leichter machen sollen. Die<br />
Hightech-Fasern sind sehr stabil und<br />
zugleich viel leichter als herkömmliche<br />
Speichen aus Stahl und Edelstahl. Das<br />
macht sie vor allem für Rad- und Rollstuhlsportler<br />
interessant. Im Herbst<br />
will PI ROPE mit einer Crowdfunding-<br />
Kampagne die Speichen auf den Markt<br />
bringen. www.pirope.net<br />
12<br />
Autofahren wird<br />
smart<br />
Zu stark zu beschleunigen oder zu spät in<br />
den nächsten Gang zu schalten verbraucht<br />
unnötig viel Kraftstoff beim Autofahren.<br />
Das Telematiksystem von ekoio smart<br />
telematics aus Leipzig analysiert herstellerund<br />
markenübergreifend Fahrzeugdaten<br />
und gibt u. a. Hinweise zu einer nachhaltigen<br />
Fahrweise. Bis zu 15 Prozent Treibstoff<br />
können dadurch in Flotten gespart werden.<br />
Bisher ist das System für Logistik- und<br />
Lieferdienste sowie Autovermietungen<br />
erhältlich, ein Fahrassistent für Privatkunden<br />
wird derzeit in Kooperation mit<br />
dem VW Future Mobility Incubator in<br />
der »Gläsernen Manufaktur« in Dresden<br />
entwickelt. www.ekoio.com<br />
14 INNOVATIVES SACHSEN
Prof. Dr. Frank Buchholz forscht zur Genomchirugie.<br />
Seine Studien und erste Erfolge machen nicht nur Krebspatienten Hoffnung<br />
Interview Kathrin Hollmer<br />
» Alle Erbkrankheiten könnten<br />
therapierbar werden «<br />
Foto: Stephan Floss<br />
»Dresdner Forscher heilen<br />
HIV-Infektion« lautete<br />
im vergangenen Jahr die<br />
Schlagzeile zu Ihrer HIV-<br />
Forschung an der TU Dresden.<br />
Wie ist Ihnen dieser<br />
Durchbruch gelungen?<br />
Diese Schlagzeile ist zu reißerisch.<br />
Man muss da immer noch vorsichtig<br />
sein, wir versuchen, nicht<br />
zu große Hoffnungen zu schüren.<br />
Bisher können wir sagen, dass wir<br />
in Kollaboration mit Prof. Hauber<br />
am HPI in Hamburg einen neuen,<br />
vielversprechenden Ansatz zur<br />
HIV-Therapie entwickelt haben,<br />
der im Labor und in Tierversuchen gut funktioniert hat. Bei den<br />
Tieren konnten wir das Virus danach nicht mehr im Körper nachweisen.<br />
Ob dies auch beim Menschen gelingt, ist noch unklar.<br />
Wie haben Sie es geschafft, die HIV-Infektion praktisch<br />
rückgängig zu machen?<br />
Das HI-Virus ist ein Retrovirus, was bedeutet, dass es sein eigenes<br />
Erbgut in das menschliche Erbgut einschleust. Wenn man<br />
sich einmal mit dem Virus infiziert hat, ist man darum sein Leben<br />
lang infiziert. Bisher gibt es deshalb keine Heilungsmöglichkeiten,<br />
man kann nur mit Medikamenten eine Vermehrung des<br />
Virus im Körper verhindern. Wir verfolgen seit längerer Zeit einen<br />
neuen Ansatz: Mithilfe von Genomchirurgie wollen wir genetische<br />
Erkrankungen therapierbar machen.<br />
Was bedeutet das?<br />
Vereinfacht gesagt, haben wir ein Enzym entwickelt, das in den<br />
menschlichen Zellen nach spezifischen Sequenzen des Virus<br />
sucht und wie eine Art winzige »Gen-Schere« das Virus-Genom<br />
aus dem menschlichen Genom herausschneidet. 2007 ist uns<br />
das als erste Gruppe weltweit gelungen. Im Moment bereiten wir<br />
klinische Studien am Menschen vor, die Finanzierung hierfür<br />
stellt jedoch eine Herausforderung dar. Wir sind aber zuversichtlich.<br />
Daneben arbeiten wir mit Hochdruck an neuen Einsatzmöglichkeiten<br />
für das Verfahren. HIV ist bei Weitem nicht<br />
die einzige Einsatzmöglichkeit.<br />
Welche Krankheiten könnten Sie mit »Gen-Scheren«<br />
noch heilbar machen?<br />
Theoretisch sämtliche Erbkrankheiten, für die es bisher keine<br />
Therapie gibt, könnten durch Genomchirurgie therapierbar<br />
ZUR PERSON<br />
Der Molekularbiologe Prof.<br />
Frank Buchholz ist auf dem<br />
besten Weg, HIV zu heilen.<br />
Seit 2002 ist er Gruppenleiter<br />
am Max-Planck-Institut<br />
für molekulare Zellbiologie<br />
und Genetik und seit 2010<br />
Professor am Universitätsklinikum<br />
der Technischen<br />
Universität Dresden, wo er<br />
sein eigenes Labor im<br />
BIOTEC, dem interdisziplinären<br />
Biotechnologischen<br />
Zentrum der TU, leitet.<br />
www.mpi-cbg.de<br />
www.biotec.tu-dresden.de<br />
werden, etwa Mukoviszidose<br />
oder Hämophilie. Auch der Entstehung<br />
von Krebs liegen Mutationen<br />
im Erbgut zugrunde. Diese<br />
Veränderungen können dazu<br />
führen, dass die Zellen sich nicht<br />
mehr so verhalten, wie sie es sollen.<br />
Wenn man diese Mutationen<br />
mittels »Gen-Schere« inaktivierte<br />
oder sogar reparierte, ergäben<br />
sich völlig neue Therapieansätze.<br />
Auch viele andere Viren, die<br />
Krankheiten wie Leukämie auslösen,<br />
können mit »Gen-Scheren«<br />
hoffentlich bald entfernt<br />
und so die Krankheiten geheilt<br />
werden. Wenn diese Verfahren<br />
beim Menschen funktionieren,<br />
wäre das eine Revolution in der<br />
Medizin. Allerdings müssen sich<br />
alle neuen Technologien und Ansätze<br />
erst einmal beweisen, dafür<br />
sind Studien nötig.<br />
Sie bekommen regelmäßig<br />
Angebote von verschiedenen<br />
Universitäten und<br />
Forschungseinrichtungen,<br />
warum haben Sie sich<br />
entschieden, in Dresden<br />
zu bleiben?<br />
Als ich nach Dresden kam, wurde<br />
gerade das neue Max-Planck-<br />
Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik eröffnet. Damals<br />
entstand ein großes Netzwerk mit Verbindungen auch zur<br />
medizinischen Forschung. Aus der ganzen Welt kamen schlaue<br />
Köpfe zusammen, um hier zu forschen, und nach wie vor ist das<br />
Forschungsumfeld hier sehr international. Die Nähe zum Universitätsklinikum,<br />
zu Institutionen wie Max-Planck- und<br />
Fraunhofer-Institut oder dem Deutschen Konsortium für<br />
Translationale Krebsforschung in Dresden ermöglicht interessante<br />
Kooperationen. <strong>Sachsen</strong> ist außerdem sehr engagiert in<br />
der Förderung, zum Beispiel was die Finanzierung von Geräten<br />
betrifft, und unterstützt im Moment auch unsere Bestrebungen<br />
zur Realisierung der klinischen HIV-Studie. •<br />
INTERVIEW<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
15
BULLI-PARADE<br />
Seit 1950 wird der<br />
VW-Bus in Serie gebaut.<br />
Der I.D. Buzz wird den<br />
herkömmlichen Bulli<br />
2022 ablösen.
UNTER STROM<br />
Von ultraleichten Autos über rasend schnelle<br />
Ladetechnologien bis zum E-Bulli: In <strong>Sachsen</strong> entsteht<br />
die Elektromobilität der Zukunft<br />
Text David Mayer<br />
Foto: Martin Meiners<br />
UNTERWEGS<br />
EIN BESUCH IN DER SEMPEROPER, eine Schifffahrt<br />
über die Elbe, eine Übernachtung in einem gehobenen Hotel:<br />
Wer sein Traumauto in der »Gläsernen Manufaktur« in Dresden<br />
abholt, bekommt – gegen einen Aufpreis – einiges geboten.<br />
Im Anschluss folgt die Übergabe in der Fertigungs- und Erlebniswelt<br />
von VW: Mit Musik und Lichtshow öffnet sich wie von<br />
Geisterhand die Tür, und dahinter kommt das neue Auto zum<br />
Vorschein. Diese Inszenierung passt perfekt zur Oberklassen-<br />
Limousine VW Phaeton, die hier 14 Jahre lang gefertigt wurde.<br />
Doch seit dem Frühjahr 2017 taucht hinter dem Milchglas und<br />
zur gleichen Show ein Kompaktwagen auf, der e-Golf, die elektrisch<br />
angetriebene Version des VW Golf. Das ist ein Wechsel<br />
mit gleich zweifacher Symbolik: E-Autos stehlen den konventionellen<br />
Luxuskarossen weltweit die Show. Und wer in<br />
Deutschland die Elektromobilität der Zukunft erleben will,<br />
kommt am besten nach <strong>Sachsen</strong>.<br />
Ob Autobauer, Elektrospezialisten, Verkehrsforscher<br />
oder Transport-Start-ups: Im Freistaat wird an der Elektromobilität<br />
von morgen gearbeitet. »Tatsächlich wächst hier rund<br />
um das Thema Elektromobilität ein echtes Netzwerk zusammen.«<br />
So umschreibt es Prof. Matthias Klingner, er ist Leiter<br />
des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme<br />
in Dresden und kennt die Szene bestens.<br />
Zum Beispiel bei BMW. Seit 2013 baut der Autohersteller aus<br />
Bayern seine weltweit erfolgreichen Elektromodelle in seinem<br />
Leipziger Werk: den i3, ein rein elektrisch angetriebener Kompaktwagen,<br />
dessen ultraleichte Fahrgastzelle aus Carbon für<br />
besonders hohe Effizienz sorgt, und seit 2014 den i8, ein futuristischer<br />
Plug-in-Hybrid-Sportwagen mit einer Gesamtleistung<br />
von 362 PS. »Ab 2018 produzieren wir hier auch den<br />
i8 Roadster«, schaut Hans-Peter Kemser voraus, er ist Leiter<br />
BMW Group Werk Leipzig. Dass sich BMW 2010 ausgerechnet<br />
für Leipzig als Standort für seine Elektrofahrzeuge entschied,<br />
hatte verschiedene Gründe. Besonders wichtig: Die Behörden<br />
erlaubten dem Autobauer, für den eigenen Energiebedarf vier<br />
Windräder aufzustellen. Mit ihren 26 Gigawattstunden liefern<br />
diese rund zwei Drittel des benötigten Stroms für die Fertigung<br />
der i-Modelle. »Gerade auch, weil wir hier Fahrzeuge mit<br />
Elektroantrieb produzieren, sind uns ein ressourcenschonender<br />
Energiebezug und der effiziente Einsatz von Energie wichtig«,<br />
so Hans-Peter Kemser.<br />
Auch was die Produktion selbst betrifft, bietet der<br />
Standort viele Vorteile. So konnte BMW die neuen Montagehallen<br />
direkt neben die bestehende Produktion der 1er- und<br />
2er-Modelle bauen, von denen hier täglich 860 Stück vom<br />
Band laufen. Vorteil der Nachbarschaft: Für das Finish, also<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
17
UNTERWEGS<br />
die letzte Überprüfung von Details wie der Bremseinstellung,<br />
können Benzin- und Elektromodelle auf das gleiche Band.<br />
Und auch mit der Produktion selbst werden Maßstäbe gesetzt.<br />
Das Werk wurde von Star-Architektin Zaha Hadid entworfen,<br />
die Architektur der Hallen gleicht den Fingern einer Hand,<br />
und die Fertigungsbänder verlaufen entlang dieser Finger, so<br />
können LKWs zum Beispiel bestimmte Karosserieteile exakt<br />
dort abliefern, wo sie am Band gebraucht werden. So wird effizient<br />
gearbeitet. Und ressourcenschonend, denn verschiedene<br />
Autohersteller arbeiten inzwischen mit dem Zentrum für<br />
textilen Leichtbau in Chemnitz zusammen, das Carbonfaserabfälle<br />
zu Vliesstoffen verarbeitet.<br />
In <strong>Sachsen</strong> startet auch Volkswagen seine große Elektromobilitäts-Offensive.<br />
Während in Dresden bereits der e-Golf<br />
vom Band läuft, soll das Werk in Zwickau ab 2020 den ersten<br />
Vertreter einer komplett neuen Autogeneration ausliefern. »Für<br />
unsere zukünftigen E-Modelle haben wir eigens eine neue<br />
Plattform entwickelt«, sagt Kai Siedlatzek, Geschäftsführer<br />
Finanz und Controlling Volkswagen <strong>Sachsen</strong>. Auf Basis des<br />
Modularen Elektrifizierungsbaukastens (MEB) sollen nach und<br />
nach mehrere unterschiedliche, rein elektrisch angetriebene<br />
Fahrzeuge auf den Markt kommen. Den Anfang macht 2020<br />
der in Zwickau gefertigte I.D. Neo, ein Kompaktwagen mit<br />
einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Es folgen ein<br />
SUV-Coupé und der I.D. Buzz, ein komplett emissionsfreier<br />
Nachfolger der Bulli-Reihe, der im Jahr 2022 serienmäßig auf<br />
die Straße kommt. Die Batterien der neuen E-Modelle von<br />
Volkswagen liegen im Unterboden, ihr Aufbau ähnelt dem<br />
einer Schokoladentafel. Kunden haben dann die Wahl: je mehr<br />
Riegel, desto mehr Reichweite.<br />
Dass deutsche Autobauer<br />
zum Thema Elektromobilität<br />
<strong>Sachsen</strong> ansteuern, überrascht<br />
nicht. Hier hat der<br />
Fortschritt Tradition<br />
Noch ist die E-Mobilität für viele Menschen ziemlich abstrakt,<br />
sie befürchten Probleme wie permanent rot blinkende Batterieanzeigen<br />
während der Fahrt auf der Autobahn. Damit sie sich<br />
durchsetzt, muss die Technik nicht nur funktionieren, sie muss<br />
den Menschen vor allem nähergebracht werden. Dieser Aufgabe<br />
widmet sich Volkswagen in der »Gläsernen Manufaktur«<br />
im Herzen von Dresden. »Bei uns können Besucher Elektromobilität<br />
hautnah erleben«, sagt Lars Dittert, Standortleiter vor<br />
Ort. »Sie können hier die Fertigung der neuen E-Modelle<br />
erleben, einen e-Golf kostenlos probefahren und vor Ort erfahren,<br />
wie das Laden an einer Ladesäule funktioniert.« Gleich<br />
vier öffentliche Ladestellen stehen daher direkt neben der<br />
Manufaktur. E-Fahrzeuge werden hier in nur 30 bis 45 Minuten<br />
zu 80 Prozent aufgetankt. An herkömmlichen Stationen dauert<br />
das normalerweise mehrere Stunden. Der Service kann von<br />
jedem genutzt werden, der schon heute mit Elektroantrieb<br />
fährt; unabhängig vom Hersteller darf hier ein Jahr lang kostenfrei<br />
getankt werden.<br />
» Ressourcenschonender<br />
Bezug und effizienter Einsatz<br />
von Energie sind wichtig «<br />
Hans-Peter Kemser, Leiter BMW Group Werk Leipzig<br />
Natürlich hilft auch das schnellste Laden nichts, wenn die<br />
Akkus in ähnlichem Rekordtempo wieder leer sind. An der<br />
Autobatterie der Zukunft wird wenige Kilometer weiter in<br />
Kamenz bereits fieberhaft gearbeitet. Daimler fertigt hier mit<br />
seiner Tochter Accumotive hochkomplexe Antriebsbatterien<br />
für Hybrid- und Elektroautos. Auch hier stehen die Zeichen auf<br />
Wachstum: Mitte 2018 eröffnet Accumotive ein zweites Werk,<br />
eine der größten Autobatteriefabriken der Welt. »Die lokale<br />
Fertigung von Batterien ist ein wichtiger Erfolgsfaktor in unserer<br />
Elektro-Offensive und der entscheidende Baustein, um die<br />
Nachfrage nach Elektrofahrzeugen flexibel und effizient zu<br />
bedienen«, erklärt Daimler-Produktionschef Markus Schäfer.<br />
Dass deutsche Autobauer bei der Wachstumsbranche<br />
Elektromobilität <strong>Sachsen</strong> ansteuern, überrascht nicht. Im<br />
Gegenteil: Der Fortschritt hat Tradition. Bereits 1839 spuckte<br />
hier die erste Dampfmaschine ihre Wolken in den Himmel.<br />
Auch der Autobau hat eine lange Tradition. Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
wurden in Zwickau mit »Horch« und in Chemnitz mit<br />
»Wanderer« die Autobauer gegründet, aus denen später Audi<br />
werden sollte. Dass der Erfindergeist den <strong>Sachsen</strong> im Blut<br />
liegt, zeigen auch andere Erfindungen wie der Kaffee filter, der<br />
moderne BH und die Zahnpasta. Kurzum: Während manch<br />
einer <strong>Sachsen</strong> erst jetzt als Land der Innovationen entdeckt, ist<br />
man im Freistaat nicht überrascht, dass der aktuelle Elektroboom<br />
hier so stark ausschlägt.<br />
Für den sorgen aber nicht nur die großen Autobauer, sondern<br />
auch Spezialisten wie zum Beispiel die Firma Mennekes.<br />
Im erzgebirgischen Aue produziert das Unternehmen aus dem<br />
Sauerland seit 2016 sein Amtron-System, eine Ladebox, die<br />
Besitzer von Elektrofahrzeugen platzsparend zu Hause an die<br />
Wand hängen können. Die leistungsstärkste Version versorgt<br />
das Auto in einer Stunde mit einer Reichweite von 120 Kilometern.<br />
»Weil die Mitarbeiter im Erzgebirge vorher viele Jahre lang<br />
Stromverteiler montiert haben, hatten sie bereits das perfekte<br />
18 INNOVATIVES SACHSEN
STARTBEREIT Bislang dauert das Aufladen von E-Fahrzeugen mehrere Stunden. Neben der »Gläsernen Manufaktur« in Dresden<br />
beschleunigen vier öffentliche Ladestellen den Vorgang auf 30 bis 45 Minuten. Getankt werden darf hier ein Jahr lang kostenlos.<br />
Fotos: Martin Meiners, BMW AG<br />
EFFIZIENT Die Herstellung des i8 im Leipziger BMW-Werk braucht im Vergleich zu einem Auto aus der klassischen Produktion<br />
50 Prozent weniger Energie und 70 Prozent weniger Wasser.<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
19
UNTERWEGS<br />
Know-how für das Ladesystem«, erklärt Christopher Mennekes,<br />
der Gesellschafter, die Entscheidung für den Standort.<br />
Neben solchen Ladesystemen werden auch Leichtbauteile<br />
aus Carbon oder Werkzeuge für den Bau von Elektromotoren<br />
für die Automobilindustrie in <strong>Sachsen</strong> gefertigt. Davon<br />
profitieren längst auch Fahrradfahrer. Im Uhren-Mekka<br />
Glashütte, wo die edlen Manufakturen zu Hause sind, bietet<br />
das junge Unternehmen Binova Antriebe zum Umrüsten von<br />
Rädern fast jeder Art an. »Viele unserer Kunden wollen ihr<br />
altes Rad behalten – und trotzdem elektrisch fahren«, sagt<br />
Katja Söhner-Bilo, Geschäftsführerin von Binova. Für einen<br />
Grundpreis zwischen 1850 und 2000 Euro verwandelt ihr<br />
Team normale Fahrräder, aber auch Spezialfälle wie Liegeoder<br />
Lastenräder, in E-Bikes. Mit diesen Antrieben aus der<br />
sächsischen Kleinstadt transportieren inzwischen auch die<br />
Fahrradkuriere von Amazon ihre Pakete in Berlin und München<br />
zu den Kunden. Auf die Idee zu den Umrüstmotoren war<br />
2009 die Entwicklungsabteilung des Elektromotorenspezialisten<br />
Selectrona aus dem benachbarten Dippoldiswalde bei<br />
Dresden gekommen, das 2012 gegründete Unternehmen<br />
Binova bezieht seine Motoren bis heute von dort.<br />
»Es kommt immer wieder vor, dass verschiedene Forschungsinstitute<br />
und Unternehmen ihre Stärken für konkrete<br />
Projekte bündeln«, erklärt Professor Matthias Klingner den<br />
besonderen sächsischen Innovationsgeist. Er leitet das Fraunhofer-Institut<br />
für Verkehrs- und Infrastruktursysteme in Dresden.<br />
Gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft entwickelte<br />
UMBAU Mit den Antrieben von Binova lässt sich das alte Lieblingsrad zum<br />
E-Bike umwandeln. Die Fahrradkuriere von Amazon in Berlin und München<br />
haben bereits umgerüstet.<br />
das Institut so ein Schnellladesystem für E-Busse im öffentlichen<br />
Nahverkehr. Das Prinzip: Ladezeiten von nur fünf Minuten<br />
an den Endhaltestellen gleichen bisherige Reichweitenprobleme<br />
der Batterien aus. Aktuell arbeitet man an einer<br />
entsprechenden Lösung für autonom fahrende Autos.<br />
Wer die Zukunft der Mobilität mitgestalten will, darf<br />
nicht nur neue Antriebe und Technologien entwickeln, sondern<br />
muss eben auch an einem umfassenden Ladenetz arbeiten. In<br />
diesem Sinne hat die »Gläserne Manufaktur« einen sogenannten<br />
Start-up-Inkubator ins Leben gerufen – einen Brutkasten<br />
für junge Unternehmen, die Visionen für die Mobilität von<br />
morgen verfolgen. Sechs Start-ups durften dort im Sommer<br />
» Viele wollen ihr altes<br />
Rad behalten – und trotzdem<br />
elektrisch fahren «<br />
Katja Söhner-Bilo, Geschäftsführerin von Binova<br />
kostenlose Büros beziehen. Überzeugt ihre Arbeit nach drei<br />
Monaten, dürfen sie ihre Ideen innerhalb drei weiterer Monate<br />
zur Marktreife entwickeln. Neben der nötigen Infrastruktur<br />
erhalten sie Unterstützung von Experten, Kontakte zu entscheidenden<br />
Netzwerken und Zugang zu Software-Schnittstellen der<br />
VW-Modelle. »Auf diese Weise können die<br />
Gründer ihre Ideen auch an den Autos testen«,<br />
sagt Kai Siedlatzek, Geschäftsführer Finanz<br />
und Controlling VW <strong>Sachsen</strong>.<br />
Sebastian Schramm und Tarik Mian, die<br />
Gründer des Start-ups LoyalGo, machten sich<br />
dafür von Dortmund auf nach Dresden. Ihr<br />
Konzept für ein von Einzelhändlern betriebenes<br />
Ladesäulensystem hatte die Juroren des<br />
Start-up-Inkubators überzeugt. »Es wäre toll,<br />
wenn wir unser Angebot in Dresden starten<br />
könnten«, sagt Sebastian Schramm. Dafür<br />
wollen sie zwei Fliegen mit einer Klappe<br />
schlagen: Die Säulen vor den Geschäften der<br />
Einzelhändler sollen Lücken in der bisher<br />
noch dünnen Infrastruktur für Ladestationen<br />
schließen. Und auf den in den Säulen integrierten<br />
Bildschirmen können die Händler mit<br />
Rabattaktionen für das Angebot ihrer Geschäfte<br />
werben.<br />
Sollten die Ladesäulen von LoyalGo in<br />
ein paar Jahren tatsächlich in Dresden stehen,<br />
sieht man vielleicht auch den VW Sedric beim Stromtanken.<br />
Der futuristische Van verzichtet nicht nur auf einen Verbrennungsmotor,<br />
sondern auch gleich auf einen Fahrer. Als selbststeuerndes<br />
Taxi soll der Kleinbus in einigen Jahren in Testläufen<br />
Passagiere durch Städte kutschieren. Vorab kann man<br />
ihn in Dresden bestaunen. In <strong>Sachsen</strong>, wo die Elektromobilität<br />
von morgen schon heute zu Hause ist. •<br />
Foto: Binova<br />
20 INNOVATIVES SACHSEN
Startschuss<br />
<strong>Sachsen</strong> bietet hervorragende Voraussetzungen für neue Projekte.<br />
Wir zeigen, wo Gründer und Investoren Unterstützung auf<br />
Ihrem Weg zum Erfolg bekommen.<br />
INVESTOR<br />
GRÜNDER<br />
DER ERSTE KONTAKT<br />
Online, auf Messen, am Telefon<br />
DIE ERSTE IDEE<br />
Diskutieren, weiterentwickeln, präsentieren<br />
EIN PAKET FÜR SIE<br />
Informationen zu Branchen, Standorten und<br />
Förderprogrammen – individuell verpackt<br />
GEMEINSAM IDEEN FLÜGEL VERLEIHEN<br />
Informieren, beraten, unterstützen –<br />
Gründernetzwerke helfen weiter<br />
IHR STANDORT<br />
Suchen und finden – Vorbereitung und<br />
Begleitung von Standortbesichtigungen<br />
DAS LIEBE GELD<br />
Finanzierungsmöglichkeiten und<br />
-partner finden<br />
HEIMAT FÜR IDEEN<br />
Gründerzentren und Coworking Spaces –<br />
Platz für den Schreibtisch & mehr<br />
ANLEITUNG<br />
DIE RICHTIGEN PARTNER<br />
Gemeinsam stärker – Kontakte zu Zulieferern,<br />
Behörden, Netzwerken, Banken<br />
DIE RICHTIGEN PARTNER<br />
Gemeinsam stärker – Kontakte zu FuE-Partnern,<br />
Netzwerken, Behörden<br />
STANDORTENTSCHEIDUNG<br />
ERFOLGREICHE GRÜNDUNG<br />
Illustrationen: Leander Aßmann<br />
KEIN ENDE, SONDERN STETS EIN ANFANG<br />
Technologien weiterentwickeln<br />
Fachkräfte finden<br />
Neue Märkte erschließen<br />
www.standort-sachsen.de/de/investoren<br />
LAUFEN LERNEN<br />
Mehr Platz für Wachstum – Gewerbeflächen /<br />
-immobilien finden<br />
Technologien weiterentwickeln<br />
Märkte erobern – Internationalisierung<br />
www.futuresax.de/partnernetzwerk
1<br />
SCHAU<br />
GENAU!<br />
KORALLE,<br />
ARTERIE ODER<br />
DRACHENKOPF<br />
– was ist auf dieser<br />
Nahaufnahme<br />
wirklich zu sehen?<br />
In sächsischen Laboren sind jede Menge Mikroskope<br />
zu finden. Dort wird geforscht, was das Zeug hält.<br />
Wir haben Gegenstände unter die Linse gelegt, die da<br />
eigentlich nicht hingehören. Ein Bilderrätsel<br />
Text Kathrin Hollmer Fotos André Mühling<br />
INNOVATIVES SACHSEN
2<br />
EIS AM STIEL<br />
ODER MOND<br />
GESTEIN –<br />
was könnte das<br />
wohl sein?<br />
3<br />
GETROCKNETE<br />
SPAGHETTI<br />
ODER VOGEL<br />
NEST – was<br />
ist das nur für<br />
ein Konstrukt?
4<br />
SCHRIFTZUG<br />
ODER HEIZSTAB<br />
– was verbirgt<br />
sich auf diesem<br />
Bild?<br />
5<br />
HAARPRACHT<br />
ODER TEPPICH –<br />
was gibt es hier<br />
zu entdecken?<br />
Mit freundlicher Unterstützung vom Deutschen Museum / München
So sieht’s aus<br />
Diese Produkte liegen unter dem Mikroskop<br />
auf den vorherigen Seiten<br />
1<br />
3<br />
Rotes Gold: Saxen Safran<br />
»Safran wächst doch hier nicht«, hörte<br />
Boris Kunert, als er 2012 von seiner Idee<br />
erzählte, das teuerste Gewürz der Welt in<br />
<strong>Sachsen</strong> anzubauen. Safran wächst vor<br />
allem in Kaschmir, Iran und in Europa in<br />
Spanien – bis ins 16. Jahrhundert aber auch<br />
auf sächsischen Feldern. In Stolpen, östlich<br />
von Dresden, baut der Quereinsteiger entgegen<br />
aller Prognosen nun seit Jahren erfolgreich<br />
Safran an. Seine roten Fäden erzielen<br />
teilweise höhere Grammpreise als Gold.<br />
www.saxen-safran.de<br />
2<br />
Sammlerstück:<br />
Jahresfigur von Meissen<br />
Naturalistische Tierplastiken haben bei<br />
der Porzellan-Manufaktur Meissen seit<br />
Jahrhunderten Tradition. Als Hommage<br />
an den Kurfürsten August den Starken<br />
(1670 –1733), der das Japanische Palais<br />
in Dresden mit einer Galerie von Großtieren<br />
aus Meissener Porzellan ausstatten<br />
ließ, hat die Manufaktur nun sechs Haustiere<br />
als Jahresfiguren geplant. 2017 startete<br />
die Reihe mit einer verträumten Katze.<br />
www.meissen.com<br />
Sauberer Schwimmteich ohne<br />
Chlor: Gewässerreinigung<br />
mit Spinnvliesband<br />
Der Biologe Jens Mählmann vom Sächsischen<br />
Textilforschungsinstitut e. V. in<br />
Chemnitz entwickelt Textilien, die zur Wasser-<br />
und Luftreinigung beitragen. Seine<br />
bepflanzten Inseln aus Spinnvliesstoff (im<br />
Bild) etwa entziehen Gewässern Nährstoffe<br />
und spenden Schatten, was das Algenwachstum<br />
eindämmt. Enthaltene Bakterien<br />
und Bakterienfresser machen unerwünschten<br />
Bakterien im Schwimmteich das Leben<br />
schwer, so bleibt der Schwimmteich hygienisch<br />
sauber, ohne dass man Chlor beigeben<br />
muss. www.stfi.de<br />
HINGUCKER<br />
4<br />
Helfer im Alltag: Universalhalter<br />
»Gnubbel«<br />
Vor allem beim Ein- und Aussteigen aus der Badewanne oder<br />
dem Auto haben ältere und bewegungseingeschränkte Menschen<br />
Probleme, ihre Gehhilfen zu befestigen. Der Universalhalter<br />
»Gnubbel« von mr. flint aus Weißwasser lässt sich an waagerechten<br />
und senkrechten Kanten und Rohren befestigen, etwa am<br />
Tisch, an Autotüren, am Rollstuhl oder Rollator, und gibt dadurch<br />
mehr Sicherheit beim Aufstehen. www.mr-flint.de<br />
5<br />
Hautpflege durch Unterwäsche:<br />
Neues Material von Bruno Banani<br />
Das Chemnitzer Unternehmen Bruno Banani geht einen Schritt<br />
in die ressourcenschonende Zukunft und entwickelt eine Wäscheserie<br />
aus Milchfasern, die Body-Milk-Kollektion. Dank der darin<br />
enthaltenen Proteine ist das innovative Material strapazierfähig<br />
und atmungsaktiv, dabei antiallergen sowie antibakteriell. Das absolut<br />
Neue: Der Stoff pflegt die Haut wie eine Creme (ab Dezember<br />
2017 im Handel erhältlich). www.brunobanani.com<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
25
Prof. Dr. Jürgen Wegge ist Experte für Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
und findet: Wer zufriedene Mitarbeiter möchte, soll<br />
sich auch um deren Lebensumstände kümmern und für Erholung sorgen<br />
» Firmen müssen eine<br />
Pausenkultur etablieren «<br />
Interview Julia Rothhaas<br />
BESSER ARBEITEN<br />
Herr Prof. Wegge, der Begriff<br />
»Work-Life-Balance« wird gern<br />
genutzt und viel zitiert. Aber was<br />
genau ist damit eigentlich gemeint?<br />
Es geht dabei um das Verhältnis von<br />
Arbeits- und Privatleben, aber der Begriff<br />
ist veraltet. Denn man tut so, als gäbe es<br />
einen Widerspruch zwischen Work und<br />
Life. Dabei nimmt die Arbeit einen großen<br />
Teil unseres Lebens ein und meist<br />
sogar einen ganz guten. Nichts macht<br />
der Mensch sonst acht Stunden am Tag,<br />
weder Sex noch essen. Die meisten<br />
schlafen noch nicht mal acht Stunden.<br />
Des wegen spricht man heute eher von<br />
»Life Domain Balance«. Das ist ein ganzheitlicheres<br />
Konzept, in dem es nicht nur<br />
um die Erhaltung und Steigerung der<br />
Lebensqualität im Job geht, sondern auch<br />
um Themen wie Partnerschaft, Familie,<br />
Gesundheit.<br />
Was kann ein Unternehmen tun,<br />
um diese Balance zu unterstützen?<br />
Zum einen muss der Arbeitgeber unterschiedliche<br />
Lebens- und Berufsphasen<br />
berücksichtigen. Da geht es nicht nur um<br />
Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit oder<br />
Heimarbeit, die nötig werden, wenn Kinder<br />
kommen oder Angehörige gepflegt<br />
werden müssen. Sondern eben auch um<br />
Dinge wie Weiterbildung, Übernahme<br />
von Führungsaufgaben, längere Auslandsaufenthalte<br />
oder den Übergang in<br />
den Ruhestand. Zum anderen sollten Firmen<br />
auch die Altersunterschiede ihrer<br />
Mitarbeiter berücksichtigen. Ein Beispiel:<br />
Zwar reagiert jeder Arbeitnehmer positiv<br />
auf gutes Feedback, aber Jüngere brauchen<br />
mehr davon als Ältere. Die benötigen<br />
wiederum mehr Autonomie und<br />
Handlungsspielraum in ihrem Job, damit<br />
sie ihre Leistungsfähigkeit erhalten können.<br />
Diese Angebote sollten aber nicht<br />
nur Führungskräften gemacht werden,<br />
sondern im besten Fall der gesamten Belegschaft.<br />
Wobei ein Auslandsaufenthalt<br />
in China für einen Arbeiter am Fließband<br />
vielleicht nicht so relevant ist wie für<br />
einen höheren Angestellten.<br />
Was ist mit Initiativen wie »Keine<br />
Mails am Wochenende«, bringen<br />
die was?<br />
Nicht jedes gut gemeinte Modell tut auch<br />
jedem gut, das hängt zum Beispiel von<br />
der eigenen Persönlichkeit ab. Ich bin<br />
etwa davon überzeugt, dass ich im Urlaub<br />
auch mal zwei Wochen nicht erreichbar<br />
sein muss. Aber mein Kollege könnte diese<br />
Nicht-Erreichbarkeit vielleicht nicht<br />
ZUR PERSON<br />
Prof. Dr. Jürgen Wegge ist seit 2007<br />
Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie<br />
an der TU Dresden und<br />
Vorsitzender des Centrums für Demografie<br />
und Diversität (CDD). Weitere Infos unter<br />
www.tu-dresden.de/mn/psychologie/wop<br />
gut aushalten. Wichtig ist es, solche Bausteine<br />
partizipativ zu erarbeiten, der Angestellte<br />
bespricht also gemeinsam mit<br />
seinem Chef, was für seine Zufriedenheit<br />
vonnöten ist. Der Arbeitnehmer braucht<br />
dieses Mitspracherecht, zu ihrem Glück<br />
kann man die Leute ja nicht zwingen. Die<br />
Partizipation kann sich sogar positiv auf<br />
die Gesundheit auswirken: Die Forschung<br />
hat gezeigt, dass zum Beispiel Schichtarbeit<br />
weniger gesundheitsbeeinträchtigend<br />
ist, wenn die Menschen ihren<br />
Arbeitsplan mitgestalten dürfen. Entscheidend<br />
ist dabei aber, dass es sich nicht<br />
um Schein-Partizipation handelt, sondern<br />
die Mitarbeiter wirklich in den Planungsprozess<br />
miteinbezogen werden.<br />
Welches Unternehmen in <strong>Sachsen</strong><br />
geht mit gutem Beispiel in Sachen<br />
Life Domain Balance voran?<br />
Es sind meist die größeren Firmen, die<br />
ein weites Spektrum an Möglichkeiten für<br />
ihre Mitarbeiter anbieten. Infineon ist<br />
etwa ein Vorreiter in Sachen Diversität.<br />
Die haben schon lange erkannt, dass sie<br />
nicht nur Betriebskindergärten brauchen<br />
oder Teilzeitmodelle, sondern auch die<br />
bunte Vielfalt an Mitarbeitern. Die Menschen<br />
müssen ja nicht nur nach <strong>Sachsen</strong><br />
kommen, sondern auch dort bleiben. Die<br />
Willkommenskultur in der Firma, aber<br />
auch vor Ort ist also entscheidend dafür,<br />
ob sich jemand wohlfühlt – im neuen Job<br />
und in der neuen Umgebung.<br />
26 INNOVATIVES SACHSEN
denen versucht wird, die Schrumpfungsrate<br />
oder die Überalterung der Gesellschaft<br />
zu bewältigen. Das kann zum Beispiel<br />
eine Studie sein, die untersucht, wie<br />
man junge Frauen halten kann, die ansonsten<br />
häufig aus der Provinz abwandern,<br />
oder ein Projekt, das sich dem<br />
Ärzte mangel auf dem Land widmet. Am<br />
Centrum für Demografie und Diversität,<br />
das ich gemeinsam mit einer Kollegin aus<br />
der Medizin leite, untersuchen wir für<br />
das Land <strong>Sachsen</strong> aktuell, welche Probleme<br />
Kleinstunternehmen mit altersgemischten<br />
Teams haben und wie sie damit<br />
umgehen.<br />
Wenn man sich das Verhältnis<br />
von Arbeit und Privatleben anguckt,<br />
geht es den Deutschen doch<br />
eigentlich recht gut. Jammern wir<br />
zu schnell und zu häufig?<br />
Jein, das ist persönlichkeitsabhängig. Etwa<br />
50 Prozent der eigenen Zufriedenheit ist<br />
Veranlagung. Es gibt diejenigen, die in<br />
jeder Suppe ein Haar finden. Und andere<br />
stehen morgens auf, sind gut gelaunt und<br />
dementsprechend mit Arbeit und Leben<br />
zufriedener. Aber die Stimmung im Büro<br />
oder der eigene Handlungsspielraum im<br />
Job wirkt sich ebenfalls auf die erlebte Zufriedenheit<br />
aus und damit auch auf die Life<br />
Domain Balance. Das geht sogar so weit,<br />
dass man selbst über einen Stellenwechsel<br />
nachdenkt, wenn der Kollege nicht zufrieden<br />
ist. Hier gibt es in vielen Unternehmen<br />
leider sehr oft auch noch deutlichen Optimierungsbedarf<br />
bei der Arbeitsgestaltung<br />
und dem sozialen Miteinander.<br />
Foto: Stephan Floss<br />
PROF. DR. JÜRGEN WEGGE beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Themen wie Arbeit<br />
und Gesundheit, Motivation und Diversität in Organisationen.<br />
Wie sieht es eine Ebene höher aus:<br />
Hat etwa ein Bundesland Einfluss auf<br />
die Zufriedenheit im Job?<br />
Der demografische Wandel ist eng mit<br />
dem Thema Life Domain Balance verknüpft,<br />
alleine deshalb sind die Bundesländer<br />
gefragt. <strong>Sachsen</strong> hat sich als erstes<br />
Bundesland schon früh damit auseinandergesetzt<br />
und die »Förderrichtlinie Demografie«<br />
eingeführt. In dem Programm<br />
werden Projekte in den Kommunen, aber<br />
auch in der Forschung unterstützt, in<br />
Haben Sie noch einen weiteren Tipp<br />
in Sachen »richtige Balance«?<br />
Häufig können Arbeitnehmer die Freiheiten,<br />
die sie haben, nicht klug nutzen, denn<br />
zu viel Autonomie kann auch schiefgehen.<br />
Abgesehen von denjenigen, die Freiheiten<br />
für mehr Freizeit ausnutzen, gibt es genauso<br />
auch Mitarbeiter, die sich selbst ausbeuten.<br />
Die häufen 70, 80 Arbeitsstunden<br />
pro Woche an, weil sie zu Hause arbeiten<br />
dürfen. Dort kann sie der Chef aber nicht<br />
mehr heimschicken. Deswegen sind Schulungen<br />
in Sachen Selbstmanagement wichtig.<br />
Außerdem darf man die Erholung bei<br />
der Arbeit nicht unterschätzen. Firmen<br />
sollten gut gestaltete Ruheräume für ihre<br />
Mitarbeiter anbieten und eine Pausenkultur<br />
etablieren – für die der Chef mit<br />
gutem Beispiel vorangeht. Wir haben dazu<br />
kürzlich eine erste Metaanalyse publiziert,<br />
die zeigt, dass derjenige, der relativ viele<br />
bezahlte Kurzpausen über den Tag verteilt<br />
macht, zwar circa zehn Prozent weniger<br />
arbeitet, dabei aber dennoch zehn Prozent<br />
bessere Leistung erbringt und zudem<br />
deutlich weniger gestresst ist. Pausen<br />
können sich also für Arbeitnehmer und<br />
Arbeitgeber lohnen – und damit auch für<br />
deren Kunden. •<br />
AB IN DIE ZUKUNFT<br />
27
Die Wasserwege in<br />
Leipzig sind für den<br />
Designer Jonathan<br />
Geffen der Weg<br />
zur Arbeit und zu<br />
neuen Einfällen.<br />
28<br />
INNOVATIVES SACHSEN
Umgebung<br />
für Eingebung<br />
WEGWEISER<br />
Tolle Ideen kommen meist nicht einfach so durch die Tür ins<br />
Büro spaziert. Wir haben uns bei Forschern, Gründern<br />
und Erfindern umgehört, wo sie hingehen, um auf richtig<br />
gute Gedanken zu kommen<br />
Text Yorca Schmidt-Junker Fotos Stephan Floss<br />
AB IN DIE ZUKUNFT 29
» Morgens kann ich ins Kanu steigen<br />
und fast bis zum Atelier fahren «<br />
Jonathan Geffen ist Mitgründer des Designbüros etage8,<br />
das sich u. a. mit der MORMOR-Serie auf barrierefreie Möbel<br />
spezialisiert hat. 2016 erhielt das Unternehmen den Sächsischen<br />
Staatspreis für Design sowie 2017 den German Design<br />
Award und den Red Dot Award. www.etage8.com<br />
JONATHAN GEFFEN – LEIPZIGER WASSERWEGE »Was Leipzig zu<br />
besonderem Charme verhilft, ist (für mich) sein dichtes Netz aus kleinen Wasserwegen.<br />
Knapp 300 km große und kleine Flussläufe durchziehen die Stadt und<br />
geben ihr damit ein fast maritimes Flair. So kann ich morgens unweit meiner<br />
Haustür in ein Kanu steigen und bis zu unserem Atelierkomplex, dem Tapetenwerk<br />
Leipzig, paddeln. Dabei lasse ich die facettenreiche Stadtarchitektur mit ihren<br />
Gründerzeitgebäuden und hypermodernen Lofthäusern auf mich wirken – der<br />
Blick vom Wasser inspiriert mich dazu, auch in unserem Designbüro mal den<br />
Blickwinkel zu ändern. Beeindruckend ist auch eine Wasserfahrt durch den Auwald;<br />
manchmal gekrönt von einem Sonnenuntergang auf dem Cospudener See.«<br />
CARINA RÖLLIG – SÄCHSISCHE SCHWEIZ »Abschalten, den Kopf<br />
für neue Ideen freibekommen: Das gelingt mir am besten beim Wandern im<br />
Elbsandsteingebirge. Schließlich bin ich gebürtige ›Sächsische Schweizerin‹<br />
– und so bieten die Tafelberge Gohrisch und Papststein mir nicht nur<br />
ein Gefühl des Nach-Hause-Kommens, sondern auch eine schöne sportliche<br />
Herausforderung. Abseits der überfüllten Touristenpfade bevorzuge ich den<br />
Aufstieg durch die Falkenschlucht auf den Gohrisch. Über enge Stiegen geht<br />
es steil nach oben. Es gilt: Der Weg ist das Ziel! Und hat man es bis ganz<br />
nach oben geschafft, entschädigt die grandiose Aussicht über diese einzigartige<br />
Landschaft für alle Strapazen.«<br />
W I L H E L M S C H M I D – A L B E RTINUM<br />
DRESDEN »Wenn ich mich inspirieren lassen<br />
will, gehe ich sehr gern in das Albertinum<br />
mit seiner weltberühmten Galerie Neue Meister.<br />
Schon beim Durchschreiten der monumentalen,<br />
lichtdurchfluteten Eingangshalle fühle ich<br />
sofort eine tiefe Verbundenheit zu diesem Ort,<br />
dessen Schätze mich immer wieder aufs Neue<br />
begeistern. Die Sammlung, die einen Bogen<br />
von der Romantik mit Gemälden von Caspar<br />
David Friedrich und Carl Gustav Carus über<br />
den Impressionismus und den Expressionismus<br />
bis zu zeitgenössischer Kunst von Gerhard<br />
Richter, Georg Baselitz und Luc Tuymans<br />
spannt, macht jeden Besuch zu einem anregenden,<br />
nachhaltigen Erlebnis.«<br />
Wilhelm Schmid ist Geschäftsführer der Uhrenmanufaktur<br />
A. Lange & Söhne in Glashütte. Der Erfolg<br />
des Unternehmens wurde in einer Studie der Harvard<br />
Business School als beispielhaft herausgestellt.<br />
www.alange-soehne.com/de/<br />
Carina Röllig ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von Webdata Solutions in Leipzig.<br />
Zusammen mit ihren Co-Gründerinnen Dr. Hanna Köpcke und Sabine Maßmann entwickelte<br />
sie blackbee, eine etablierte Marktanalyse-Software mit einem einzigartigen Matching-<br />
Algorithmus, der den weltweiten Abgleich von Produktdaten aus dem Internet<br />
ermöglicht. webdata-solutions.com<br />
Foto: Stephan Floss / VG Bild-Kunst<br />
30 INNOVATIVES SACHSEN
UDO HEBISCH – THARANDTER WALD<br />
»Es ist so etwas wie ein Ritual geworden: Zweimal<br />
im Jahr durchwandere ich den Tharandter<br />
Wald, der genau vor meiner Haustür liegt.<br />
Mein bevorzugtes Ziel ist dann der in ihm<br />
gelegene Forstbotanische Garten der TU Dresden,<br />
wo ich inmitten der Ruhe und Abgeschiedenheit<br />
meine inneren Akkus auflade.<br />
Besonders inspirierend finde ich es, die jahreszeitlichen<br />
Veränderungen und das prachtvolle<br />
Farbenspiel der Pflanzen zu beobachten.<br />
» Im Labyrinth habe<br />
ich meine Töchter<br />
spielerisch in die Mathematik<br />
eingeweiht «<br />
Mein persönliches Highlight ist das Labyrinth<br />
im Ostteil des Gartens: Dort habe ich meine<br />
Töchter, als sie noch klein waren, mit den<br />
faszinierenden und nützlichen Methoden der<br />
Mathematik bekannt gemacht. Und heute,<br />
wo sie erwachsen sind, begleiten sie mich immer<br />
noch gern zu diesem für uns fast magischen<br />
Ort.«<br />
Prof. Dr. Udo Hebisch ist Direktor des Instituts für<br />
Diskrete Mathematik & Algebra an der TU Bergakademie<br />
Freiberg. Er betreibt ein Mathematisches Café<br />
und <strong>Sachsen</strong>s erstes Virtuelles Museum für Mathematik<br />
& Kunst. tu-freiberg.de<br />
CHRISTIAN FENNER – ELBERADWEG DRESDEN »Die Umgebung<br />
überwältigt mich jeden Tag aufs Neue, wenn ich morgens zur Arbeit radle:<br />
Das ›Blaue Wunder‹, die Grande Dame der Dresdner Brücken, vor Augen,<br />
geht es an den üppigen Elbwiesen vorbei an den Elbschlössern, der Frauenkirche<br />
und der Semperoper. Die Schönheit dieses Panoramas ist fast schon surreal<br />
und versetzt mich häufig in einen regelrechten Kreativitätsrausch. Vielleicht<br />
kann man den Elberadweg um Dresden als schönsten und<br />
eindrucksvollsten Radweg Deutschlands bezeichnen. Hab ich mal mehr Zeit,<br />
steuere ich die Weinberge am Dresdner Elbhang an; von hier hat man den<br />
besten Blick auf die Stadt und den Flusslauf.«<br />
Christian Fenner ist Mitgründer der Nutritious Solutions GmbH, einer Manufaktur für neue<br />
gesunde Schokoriegel aus Hanfsamen und Rohkakao: nucao. Sie wird u. a. vom Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Energie gefördert und in Bioläden vertrieben. www.nucao.de<br />
AB IN DIE ZUKUNFT
Fotos: Stephan Floss, Andrea Flak, Leipzig Tourismus, iStock / TommL<br />
Die Pause zum Mitnehmen *<br />
Platz machen für gute Gedanken und neue Ideen: Wer öfter eine Pause macht, ist entspannter und leistungsfähiger<br />
(siehe Interview Seite 26). Fünf Vorschläge für besonders inspirierende Unterbrechungen des Alltags in <strong>Sachsen</strong>.
Gohrisch –<br />
Sächsische Schweiz<br />
Die Pause zum<br />
Mitnehmen<br />
Wasserwege – Leipzig<br />
Kleine und große Flussläufe verleihen der Wasserstadt<br />
Leipzig ein »Venedig-Gefühl«: Knapp 300 Kilometer natürliche<br />
und künstliche Wasserstraßen durchziehen die Stadt.<br />
Must-Sees Die »Perlen der Gründerzeit«, Industriearchitektur<br />
am Karl-Heine-Kanal; die knorrige Naturlandschaft<br />
des Auwalds; das Leipziger Wasserfest im August<br />
jedes Jahres. www.wasserfest-leipzig.de/start/<br />
Geheimtipps Kanuverleih am Wildpark<br />
mit einem Bootshaus aus den 1920er-Jahren.<br />
www.bootsverleih-am-wildpark.com<br />
Der Sonnenuntergang auf dem Cospudener See;<br />
Stand-up-Paddling am Stadthafen Leipzig (mit Verleih).<br />
www.stadthafen-leipzig.com<br />
GASTRONOMIE Das »Stelzenhaus«-Restaurant<br />
befindet sich in einem bemerkenswerten Denkmal<br />
der industriellen Moderne im Stadtteil Plagwitz.<br />
Weißenfelser Straße 65h, Leipzig, Tel. 0341/492 44 45.<br />
www.stelzenhaus-restaurant.de<br />
Die Pause zum<br />
Mitnehmen<br />
Die Pause zum<br />
Mitnehmen<br />
Der Gohrisch gehört zu den Tafelbergen des Elbsandsteingebirges<br />
in der Sächsischen Schweiz; am Fuße des<br />
Felsens mit seinem stark zerklüfteten Plateau befindet<br />
sich der gleichnamige Kurort Gohrisch.<br />
Must-Sees Der Aufstieg über die Falkenschlucht über Steinstufen, Leitern<br />
und Metallbrücken; die Wetterfahne auf der Nordwestseite des Plateaus.<br />
www.gohrisch.de/tourismus/wandern.html<br />
Geheimtipps Die Schwedenhöhle, links neben dem Zugang zum Aussichtspunkt<br />
auf der Ostseite; das Mundloch, ein am Felsenfuß stillgelegter Specksteinstollen,<br />
der als Zuflucht für Fledermäuse dient.<br />
GASTRONOMIE Wunderschön gelegene Berggaststätten: »Papststein«,<br />
Papststein 1, Gohrisch, Tel. 0350 21/609 56, www.berggast.de, und »Pfaffenstein«,<br />
Fels Pfaffenstein 1, Pfaffendorf, 0350 21/594 10, www.pfaffenstein.com<br />
Albertinum –<br />
Dresden<br />
Das Albertinum mit seiner Galerie Neue Meister<br />
und der Skulpturensammlung ist Teil der Staatlichen<br />
Kunstsammlungen Dresden und gehört zu den<br />
bedeutendsten Museen Deutschlands.<br />
Must-Sees Die Romantik-Abteilung mit weltberühmten Gemälden von Caspar<br />
David Friedrich wie »Kreuz im Gebirge«; die Rodin-Werke sowie »Die Kniende« von<br />
Wilhelm Lehmbruck in der Skulpturensammlung; die Werke des gebürtigen Dresdners<br />
Gerhard Richter. www.skd.museum/de/museen-institutionen/albertinum/<br />
Geheimtipps Parallel zur empfehlenswerten Käthe-Kollwitz-Ausstellung<br />
(ab 19.10.2017–14.1.2018) zeigt das Kupferstich-Kabinett eine Auswahl der<br />
Papierarbeiten von Marlene Dumas.<br />
Illustrationen: Marina Widmann<br />
Die Pause zum<br />
Mitnehmen<br />
Tharandter Wald<br />
Der Tharandter Wald markiert den geografischen<br />
Mittelpunkt <strong>Sachsen</strong>s und liegt zwischen Freiberg<br />
und Dresden bei Tharandt / Wilsdruff. Der Fichten-<br />
/ Mischwald wird von zahlreichen Wanderwegen<br />
durchzogen und zählt zu den bedeutendsten<br />
nationalen Geoparks.<br />
Must-Sees Der im nordöstlichen Zipfel angrenzende<br />
Forstbotanische Garten Tharandt der TU Dresden<br />
mit rund 3200 verschiedenen Baum- und Straucharten;<br />
die Walderlebniswerkstatt Sylvaticon mit diversen<br />
Themen-Exkursionen. https://info.forstpark.de<br />
Geheimtipps Der Indian Summer ab Mitte<br />
September mit dem prächtigen Laubfarbspiel; das<br />
Labyrinth im Ostteil des Forstbotanischen Gartens.<br />
GASTRONOMIE »Zum Rabenauer Grund«,<br />
Somsdorfer Straße 6, Freital, Tel. 0351/644 49 99.<br />
www.rabenauergrund.de<br />
GASTRONOMIE »Alte Meister« im Seitenflügel des Dresdner Zwingers,<br />
Theaterplatz 1a, Dresden, Tel. 0351/481 04 26 www.altemeister.net<br />
Die Pause zum<br />
Mitnehmen<br />
Elberadweg –<br />
Dresden<br />
Der ca. 1200 Kilometer lange Elberadweg gewährt im<br />
Dresdner Abschnitt freien Blick auf eine Landschaft mit<br />
italienischen Momenten: das Blaue Wunder, die Semperoper,<br />
die Frauenkirche und die Elbschlösser, vorbei an<br />
den Elbauen und den Elbhängen mit ihren Weinbergen.<br />
Must-Sees Die Terrasse des Lingnerschlosses, eines der drei Elbschlösser, mit<br />
atemberaubendem Blick über Dresden. Schloss Pillnitz mit dem Kunstgewerbemuseum<br />
im Wasserpalais. Beeindruckend: der chinesische Baustil des 18. Jahrhunderts.<br />
Geheimtipp Eine Fahrt mit einem historischen Schaufelraddampfer im Abschnitt<br />
N und O am linken Elbufer. elberadweg.de/Poi/saechsische-dampfschiffahrt<br />
Gastronomie Die Gaststätten rund um den Körnerplatz. Bei schönem Wetter<br />
der »Elbegarten Demnitz«. www.elbegarten.de<br />
* Karten heraustrennen und anschauen: Allein die Betrachtung von Naturbildern<br />
senkt den Stresslevel. Noch besser natürlich: Auf nach <strong>Sachsen</strong> und inspirieren lassen!
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NEUGIER UND EXPERIMENTIERGEIST LIEGEN DEN SACHSEN IM BLUT.<br />
Aus Träumen werden Ideen, die kreative Köpfe in die Welt tragen. Das beweisen nicht<br />
nur die deutschen Breakdance-Meister von THE SAXONZ mit ihren spektakulären<br />
Performances. Auch die Wissenschaft in <strong>Sachsen</strong> zeichnet sich durch eine besonders<br />
dynamische Szene aus: Mit 14 Hochschulen und rund 50 außeruniversitären<br />
Forschungseinrichtungen steht das traditionelle Erfinderland <strong>Sachsen</strong> heute<br />
mehr denn je für weltbewegende Innovationen und eine lebendige Start-up-Szene.<br />
Wie vielfältig die Perspektiven in <strong>Sachsen</strong> sind, erfahren Sie auf:<br />
www.so-geht-sächsisch.de