Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

Zusammenfassungen der problematischen Aspekte implizit an das Publikum
adressiert, das mit Hilfe dieser eigentlich redundanten Angaben über das Thema
informiert wird, selbst wenn einige Hörer erst später zugeschaltet oder nicht jedes
Detail des Gespräches auf Anhieb verstanden haben. Der Moderator orientiert somit
seine Beiträge an den spezifischen Bedürfnissen beider Adressaten. Die Äußerungen
des Moderators richten sich vordergründig an die Anruferinnen, die er in allen drei
Fällen direkt mit ihrem Vornamen adressiert. Allerdings zielen die Problemdeutungen
noch auf das Publikum als weiteren Adressaten. Wie es auch Kühn (1995: 14) für
die inszenierte Mehrfachadressierung herausgestellt hat, sind die verschiedenen
Adressierungen für beide Adressaten nicht immer eindeutig und durchsichtig. 107
5.5.2. Formulierung des Ratschlages
Als konstitutives Strukturelement von Beratungsgesprächen hat Willmann den
Ratschlag aufgeführt. In der Tat wird er außer in Gespräch (8) in allen
Beratungsinteraktionen vom Moderator formuliert. In besagtem Gespräch möchte
der Ratsuchende einen Erklärungsversuch dafür, warum seine Schwägerin ihr Kind
getötet hat. Diese kann der Moderator nicht liefern und gibt explizit zu, durch die
Bitte des Anrufers überfordert zu sein. 108 Stattdessen leitet er den Betroffenen an
die Psychologin der Sendung weiter. Willmann wertet dies als konkretes Hilfe-
angebot und erklärt, dass es manchmal eine Kapitulation des Beraters vor dem
Problem des Ratsuchenden sei. Alle anderen Gespräche des Korpus weisen direkte
Ratschläge seitens des Moderators auf. Sie sind jeweils zu Beginn der Beratungs-
phase und am Ende der Interaktion platziert. 109 Darüber hinaus werden sie vom
Moderator nach Einwänden der Anrufer nochmals wiederholt. In einem Gespräch
äußert Domian somit häufig mehr als ein Ratschlag. Allerdings variiert er nicht
inhaltlich, sondern lediglich seiner grammatikalischen Form nach. Die direkten
Handlungsanweisungen haben, wie Willmann (1998: 94) dargelegt hat, immer
Zukunftsbezug.
107 Vgl. Petter-Zimmer (1991: 280 f.): „Verdeckte Mehrfachadressierung liegt vor, wenn zwar
ein Adressat durch Kontaktsignale angesprochen wird, sich der Beitrag des Sprechers aber
an den Wissens- und Handlungsvoraussetzungen eines anderen (impliziten) Adressaten
orientiert.“
108 Vgl. Z. 318 f. des Gespräches (8).
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