Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

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18.12.2012 Aufrufe

vollzieht. 69 In Z. 38 indiziert Domian mit einer weit gefassten Ergänzungsfrage, dass er einen längeren Beitrag von der Anruferin erwartet. In der Tat verstehen die Anrufer im Radio-Phone-In solche Fragen in diesem Sinne und reagieren meist mit längeren Antworten über mehrere Turneinheiten hinweg. 70 Wie auch im vor- liegenden Fall unterstützt der Moderator die Ausführungen mit Rezeptionssignalen. Der Gesprächsauszug verdeutlicht, dass es dem Moderator mit Fragehandlungen möglich ist, effizient thematische Aspekte abzuarbeiten, die er zur Lösung des Ratsucherproblems benötigt. Neben der Möglichkeit in möglichst kurzer Zeit genügend Informationen zur Lage und Person des Ratsuchenden für die Beratung anzusammeln, dienen Fragen dem Moderator zur Vorbereitung einer Lösungsentwicklung. An späterer Stelle der Phase „ELPR“ testet er mit Fragen, wie die von ihm intendierte Handlungsanweisung vom Ratsuchenden bewertet wird. Gespräch (1) Fremdgehen 131 D: warum warum TRENNST du dich dann nicht von deinem freund; 132 I: mh das möchte ich nicht so gerne

einer klaren Antwort, wobei er das Interrogativpronomen akzentuiert und der Frage dadurch Nachdruck verleiht. Auch die folgende Begründung der Anruferin findet Domian nicht über- zeugend. Daraufhin gibt die Anruferin ihre eigentlichen Beweggründe zu. Sie bleibt nur zur Sicherheit mit dem Partner zusammen, weil der Geliebte sich nicht auf eine Beziehung einlassen will. 72 Der Moderator deutet hier durch seine Fragen die Richtung an, die sein Ratschlag in der Beratungsphase nehmen wird, und bewegt gleichzeitig die Anruferin zu einer klaren Aussage über ihre Motive. Dabei beginnt er mögliche Argumente, welche die Ratsuchende gegen die intendierte Handlungs- anweisung vorbringen könnte, zu entkräften (Z. 135). Die Diskussion dieser Datenausschnitte hat gezeigt, dass Fragen im Radio-Phone-In die Funktion haben, Anrufer zur Schilderung ihrer Problemgeschichte zu bewegen und Details, die in der Problemexplikation nicht oder nur ungenügend benannt wurden, herauszustellen. Dem Moderator obliegt es, durch recht ungebundene Fragen das Gespräch auf neue thematische Aspekte zu lenken oder bereits genannte Details genauer zu hinterfragen. Zur Verständnissicherung stellt er außerdem immer wieder Nachfragen, um seine Interpretationen vom Anrufer bestätigen zu lassen. Indem der Moderator Präzisierungsfragen stellt, führt er zugleich eine kategorienspezifische Aktivität durch, die ihn laut Fischer als „Ratgebenden“ ausweist. Gleichermaßen bestätigt der Ratsuchende seine Identitäts- kategorie, da er Detailinformationen in Form von Antworten auf die Fragen liefert. So etablieren die Interaktionsteilnehmer des Radio-Phone-In auch in der Phase der „ELPR“ ihre Identitätskategorien. Mit Fragen fühlt der Moderator gleichzeitig vor, wie ein möglicher Lösungsvorschlag vom Ratsuchende bewertet wird. Dabei gelingt es ihm häufig, schon Argumente für eine bestimmte Handlungsanweisung vorzubringen oder mögliche Einwände der Ratsuchenden im Voraus zu entkräften. 5.4.1.2. Implizite Themensteuerung durch Antworten Die Ratsuchenden stellen im untersuchten Radio-Phone-In in der Regel keine Fragen, die thematisch neue Aspekte in das Gespräch einbringen. Dennoch haben 72 Diese Intention äußert sie in Z. 163 f. des Transkriptes. 52

einer klaren Antwort, wobei er das Interrogativpronomen akzentuiert <strong>und</strong> der Frage<br />

dadurch Nachdruck<br />

verleiht. Auch die folgende Begründung der Anruferin findet Domian nicht über-<br />

zeugend. Daraufhin gibt die Anruferin ihre eigentlichen Beweggründe zu. Sie bleibt<br />

nur zur Sicherheit mit dem Partner zusammen, weil der Geliebte sich nicht auf eine<br />

Beziehung einlassen will. 72 Der Moderator deutet hier durch seine Fragen die<br />

Richtung an, die sein Ratschlag in der <strong>Beratung</strong>sphase nehmen wird, <strong>und</strong> bewegt<br />

gleichzeitig die Anruferin zu einer klaren Aussage über ihre Motive. Dabei beginnt er<br />

mögliche Argumente, welche die Ratsuchende gegen die intendierte Handlungs-<br />

anweisung vorbringen könnte, zu entkräften (Z. 135).<br />

Die Diskussion dieser Datenausschnitte hat gezeigt, dass Fragen im <strong>Radio</strong>-<strong>Phone</strong>-In<br />

die Funktion haben, Anrufer zur Schilderung ihrer Problemgeschichte zu bewegen<br />

<strong>und</strong> Details, die in der Problemexplikation nicht oder nur ungenügend benannt<br />

wurden, herauszustellen. Dem Moderator obliegt es, durch recht ungeb<strong>und</strong>ene<br />

Fragen das Gespräch auf neue thematische Aspekte zu lenken oder bereits<br />

genannte Details genauer zu hinterfragen. Zur Verständnissicherung stellt er<br />

außerdem immer wieder Nachfragen, um seine Interpretationen vom Anrufer<br />

bestätigen zu lassen. Indem der Moderator Präzisierungsfragen stellt, führt er<br />

zugleich eine kategorienspezifische Aktivität durch, die ihn laut Fischer als<br />

„Ratgebenden“ ausweist. Gleichermaßen bestätigt der Ratsuchende seine Identitäts-<br />

kategorie, da er Detailinformationen in Form von Antworten auf die Fragen liefert.<br />

So etablieren die Interaktionsteilnehmer des <strong>Radio</strong>-<strong>Phone</strong>-In auch in der Phase der<br />

„ELPR“ ihre Identitätskategorien. Mit Fragen fühlt der Moderator gleichzeitig vor,<br />

wie ein möglicher Lösungsvorschlag vom Ratsuchende bewertet wird. Dabei gelingt<br />

es ihm häufig, schon Argumente für eine bestimmte Handlungsanweisung<br />

vorzubringen oder mögliche Einwände der Ratsuchenden im Voraus zu entkräften.<br />

5.4.1.2. Implizite Themensteuerung durch Antworten<br />

Die Ratsuchenden stellen im untersuchten <strong>Radio</strong>-<strong>Phone</strong>-In in der Regel keine<br />

Fragen, die thematisch neue Aspekte in das Gespräch einbringen. Dennoch haben<br />

72 Diese Intention äußert sie in Z. 163 f. des Transkriptes.<br />

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