Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung
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Dennoch schränkt er die Problemexplikation des Anrufers ein und entzieht ihm das ausgedehnte Rederecht, welches Ratsuchende, wie im vorherigen Kapitel geschildert wurde, durchaus innehaben können. Der mediale Kontext und die Tatsache, dass das Gespräch vor einem großen Publikum geführt wird, bedingen somit die Strategie des Moderators, die Problemschilderung des Anrufers abzukürzen. Zu diesem Zeitpunkt hat er manchmal nur ein Minimum an Informationen über das Problem seines Gesprächspartners. 5.4. Erfassung der Lage und Person des Ratsuchenden In der Phase „Erfassung der Lage und Person des Ratsuchenden“ geht die Gesprächsinitiative vom Berater aus. Er leitet mit seinen Fragen diese Phase ein, in der fehlende Informationen zur Person und Lage des Ratsuchenden, die Genese seines Problems und weitere Details zur vorhergehenden Erzählung nachgetragen werden (Schank 1981: 186; Koster 2000: 226). Frage- und Antwort-Sequenzen sind hier vorherrschend, die Schank als „Intervieweinlagen“ im Gespräch wertet. Der Moderator äußert auch Bewertungen und Stellungnahmen zum Berichteten, expliziert und begründet diese aber noch in der Beratungsphase. An die „Erfassung der Lage und Person des Ratsuchenden“ (kurz: „ELPR“) schließt sich die Beratungsphase an, die der Moderator in einigen Fällen mit einer Problemdeutung einführt. Er vollzieht in der Phase „EPLR“ gesprächssteuernde Aktivitäten, um den Gang des Beratungsgespräches in eine von ihm präferierte Richtung zu lenken. Mit Fragen bereitet er außerdem die Lösungsentwicklung vor. Die sprachlichen Mittel zur Gesprächssteuerung sowie die Formen der Publikumsansprache werden im folgenden Abschnitt thematisiert. 5.4.1. Kommunikative Mittel der Gesprächssteuerung Obschon im vorherigen Kapitel die Rede von Gesprächssteuerung war, soll der Begriff hier noch einmal definiert werden: Gesprächssteuernd sind Aktivitäten, mit denen die Interagierenden auf den Verlauf des Gesprächs lenkend einwirken, indem sie z.B. versuchen zu regeln, wer das Rederecht erhält, worüber gesprochen wird und welche Handlungen die Gesprächspartner durchzuführen haben. (Tiittula 2000: 1361) 47
In dieser Beschreibung ist der Aspekt des Sprecherwechsels, der Themenbehandlung und der sequentiellen Organisation angesprochen. 62 Zur Gesprächssteuerung werden meist unauffällige routinemäßige Techniken in diesen gesprächskonstituierenden Bereichen verwendet, die den Interagierenden häufig nicht als solche bewusst sind (Tiittula 2000: 1371). Nach Sacks et al. (1974: 704) gibt es in Alltagsgesprächen Regeln zur Verteilung des Rederechts an einer redeübergaberelevanten Stelle (transition-relevance place, kurz: TRP): 1. durch Fremdwahl und somit die Wahl des nächsten Sprechers durch den momentanen Sprecher, 2. durch die Selbstwahl eines nächsten Sprechers oder 3. durch die Selbstwahl des aktuellen zum nächsten Sprecher. 63 Gesetzt den Fall, dass keine dieser drei Möglichkeiten von den Sprechern wahrgenommen wird, treten die Regeln erneut in Kraft. Gesprächssteuernd sind Aktivitäten dann, wenn ein Sprecher auf die Verteilung des Rederechts Einfluss zu nehmen versucht. Dazu zählt die Selbstwahl eines Sprechers durch Unterbrechungen oder Überlappungen und hörbares Einatmen an einem „possible completion point.“ Zudem kann der aktuelle Sprecher verhindern, dass ein Hörer sich selbst zum nächsten Sprecher wählt, oder aber einen Sprecher für den nächsten Turn bestimmen und so auf das Gespräch lenkend einwirken. 64 Letzteres kann beispielsweise mit der Äußerung des „first-pair-part“ eines „adjacency pairs“ geleistet werden. So macht eine Frage das Auftreten des „second-pair-part“, einer Antwort, konditionell relevant (Sacks et al. 1974: 717). Die Antwort ist erwartbar und ihr Fehlen auffällig, was vom Gesprächspartner demzufolge auch interpretiert wird. 65 Die sequentielle Organisation von Aktivitäten legt den Interagierenden strukturelle Zwänge auf, die als Mittel zur Gesprächssteuerung genutzt werden können (Tiittula 2000: 1366). Der Moderator einer Sendung und auch der Ratgebende im Beratungs- gespräch haben ein institutionell bedingtes und vom Gesprächspartner akzeptiertes Fragevorrecht. Damit können sie auf die thematische Entwicklung der Interaktion 62 Nach Tiittula (2000: 1364) sind es die Ebenen der Gesprächsorganisation, der Sachverhaltsebene und der Handlungskonstitution. 63 Vgl. dazu Tiittula (2000: 1364). 64 Diese Möglichkeiten beschreibt Knauth (1984: 82-87). 48
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In der Phase „Erfassung der Lage <strong>und</strong> Person des Ratsuchenden“ geht die<br />
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werden (Schank 1981: 186; Koster 2000: 226). Frage- <strong>und</strong> Antwort-Sequenzen sind<br />
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expliziert <strong>und</strong> begründet diese aber noch in der <strong>Beratung</strong>sphase. An die „Erfassung<br />
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<strong>Beratung</strong>sphase an, die der Moderator in einigen Fällen mit einer Problemdeutung<br />
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Gang des <strong>Beratung</strong>sgespräches in eine von ihm präferierte Richtung zu lenken. Mit<br />
Fragen bereitet er außerdem die Lösungsentwicklung vor. Die sprachlichen Mittel<br />
zur Gesprächssteuerung sowie die Formen der Publikumsansprache werden im<br />
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Obschon im vorherigen Kapitel die Rede von Gesprächssteuerung war, soll der<br />
Begriff hier noch einmal definiert werden:<br />
Gesprächssteuernd sind Aktivitäten, mit denen die Interagierenden auf den Verlauf<br />
des Gesprächs lenkend einwirken, indem sie z.B. versuchen zu regeln, wer das<br />
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