Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

noam.uni.muenster.de
von noam.uni.muenster.de Mehr von diesem Publisher
18.12.2012 Aufrufe

eine Vorablegitimation dafür, die Beratung des Moderators bzw. der Rundfunk- anstalt in Anspruch zu nehmen (Fischer 1992: 8). In Z. 6 spricht der Anrufer sogleich den Zeitaspekt an. Er will sofort mit der Problemdarstellung beginnen, da ihm bewusst ist, dass Kurzberatungen unter einem gewissen Zeitdruck stehen. 49 Wie Willmann für die Problemanamnese beschrieben hat, verwendet der Rats- uchende das Personal- oder Possessivpronomen der 1. Person Singular in seiner Problemschilderung und nennt die Personen und Umstände, die mit dem Problem in Zusammenhang stehen. Die Problemaspekte werden wie in einer Liste aneinandergereiht und mit der Konjunktion „und“ verbunden. Zuerst thematisiert der Anrufer die Schwangerschaft seiner Freundin. Dem folgt in Z. 25 und 28 der Bericht des konfliktauslösenden Ereignisses durch den Konfliktindikator „jetzt“. Der Ratsuchende verwendet ihn zwei Mal, als er berichtet, dass seine Geliebte auch ein Kind von ihm erwartet. 50 Während der Problemschilderung verhält sich Domian so, wie es in der Literatur 51 häufig konstatiert wurde: Der Berater beschränkt sich auf Aktivitäten, welche die Darstellung des Problems ermutigen und vorantreiben. Dazu zählen Rezeptionssig- nale und verständnissichernde Nachfragen. Mit Rezeptionssignalen bestätigt Domian den Anrufer in seinem Rederecht und signalisiert, den Turn nicht übernehmen zu wollen. 52 Knauth (1984: 97) ist der Ansicht, das Ausbleiben dieses so genannten „support work“ würde den aktuellen Sprecher verunsichern, da er sich an den Rezeptionssignalen orientiere. Ihre einzige Funktion bestehe darin, die Aufrechterhaltung des Rederechts des Interaktionspartners zu unterstützen. In Z. 32-42 spezifiziert der Anrufer sein Problem noch einmal. Der kritische Punkt ist für ihn die Möglichkeit, dass seine Freundin von der Schwangerschaft seiner Geliebten erfahren und ihn deshalb verlassen könnte, und nicht etwa die Tatsache selbst. Der Anrufer formuliert sein Problem nicht, wie es Willmann beschrieben hat, 49 Vgl. dazu auch Schank (1981: 187). Burger (2000: 1502) meint, schon das Bewusstsein einer Zeit-Grenze erzeuge Zeitdruck, was dieses Beispiel eindrücklich zeigt. 50 Hier verwendet der Ratsuchende das „Stück“ „Geschehen“, das denjenigen Veränderungsprozess innerhalb eines Sachverhalts-Komplexes darstellt, aus dem sich die spezielle Problem-Stellung entwickelt (Nothdurft 1984: 29). 51 So etwa in Nothdurft et al. (1994), Schank (1981) und Koster (2000). 52 Vgl. dazu auch Weinrich (1993: 834), der dieses Phänomen „Stützungssignal“ nennt. 41

mit einer direkten oder indirekten Frage oder der „ich weiß nicht“- Form oder fragt Domian beispielsweise: Was soll ich jetzt bloß tun? 53 Nothdurft (1984: 34) nennt Äußerungen wie diese die Problem-Stellung. Der Ratsuchende nennt den Sachverhalt, welcher den für ihn problematischen Aspekt enthält und damit den „eigentlichen“ Gegenstand der Beratung darstellt. 54 Hier drückt der Ratsuchende vielmehr sein Problem aus, indem er zweimal auf seine Angst verweist, von der Freundin möglicherweise verlassen zu werden. Allein seine Gefühlsbekundungen dienen hier als Problemformulierung und machen seinen Beratungsbedarf deutlich. Der Moderator hat daraufhin genügend Informationen über das Ratsucherproblem zur Verfügung und leitet mit einer Frage in die nächste Phase des Beratungsgespräches über. Anrufer können zu Beginn des Beratungsgespräches in der Tat ihr Problem relativ ausführlich schildern und als Erzählende gegenüber dem Moderator ein bevorzugtes Rederecht haben (Schank 1981: 235). Der Moderator schaltet sich nur selten ein, wenn er verständnissichernde Nachfragen stellt, und versichert den Anrufer mit Rezeptionssignalen in seinem Rederecht. 5.3.2. Abkürzung der Problemschilderung durch den Moderator In mehreren Gesprächen des Korpus wird die Problemschilderung der Anrufer vom Moderator abgekürzt. Wie das folgende Beispiel zeigt, hat die Anruferin keine Gelegenheit dazu, ihr Problem eigenständig zu formulieren, da sie vom Moderator in dieser Absicht behindert wird. Der Moderator leitet das Gespräch sehr schnell in die nächste Phase über, in der er mit Fragen zu problemrelevanten Aspekten den „dominant speaker locus“ (Hutchby 1991: 123) und somit die Gesprächsführung übernimmt. Gespräch (1) Fremdgehen 17 D: .h um was gehts bei dir, 18 I: und zwar ich schlafe mit dem besten freund meines freundes. 19 (1.5) 53 Diese Aufforderung an den Berater kann auch Schank (1981:231) in seinen Daten nur äußerst selten festmachen. 54 In der Problem-Stellung wird die Frage beantwortet: „Wo liegt denn jetzt in all dem Deine Schwierigkeit?“ (Nothdurft 1984: 34). 42

eine Vorablegitimation dafür, die <strong>Beratung</strong> des Moderators bzw. der R<strong>und</strong>funk-<br />

anstalt in Anspruch zu nehmen (Fischer 1992: 8). In Z. 6 spricht der Anrufer<br />

sogleich den Zeitaspekt an. Er will sofort mit der Problemdarstellung beginnen, da<br />

ihm bewusst ist, dass Kurzberatungen unter einem gewissen Zeitdruck stehen. 49<br />

Wie Willmann für die Problemanamnese beschrieben hat, verwendet der Rats-<br />

uchende das Personal- oder Possessivpronomen der 1. Person Singular in seiner<br />

Problemschilderung <strong>und</strong> nennt die Personen <strong>und</strong> Umstände, die mit dem Problem in<br />

Zusammenhang stehen. Die Problemaspekte werden wie in einer Liste<br />

aneinandergereiht <strong>und</strong> mit der Konjunktion „<strong>und</strong>“ verb<strong>und</strong>en. Zuerst thematisiert<br />

der Anrufer die Schwangerschaft seiner Fre<strong>und</strong>in. Dem folgt in Z. 25 <strong>und</strong> 28 der<br />

Bericht des konfliktauslösenden Ereignisses durch den Konfliktindikator „jetzt“. Der<br />

Ratsuchende verwendet ihn zwei Mal, als er berichtet, dass seine Geliebte auch ein<br />

Kind von ihm erwartet. 50<br />

Während der Problemschilderung verhält sich Domian so, wie es in der Literatur 51<br />

häufig konstatiert wurde: Der Berater beschränkt sich auf Aktivitäten, welche die<br />

Darstellung des Problems ermutigen <strong>und</strong> vorantreiben. Dazu zählen Rezeptionssig-<br />

nale <strong>und</strong> verständnissichernde Nachfragen. Mit Rezeptionssignalen bestätigt Domian<br />

den Anrufer in seinem Rederecht <strong>und</strong> signalisiert, den Turn nicht übernehmen zu<br />

wollen. 52 Knauth (1984: 97) ist der Ansicht, das Ausbleiben dieses so genannten<br />

„support work“ würde den aktuellen Sprecher verunsichern, da er sich an den<br />

Rezeptionssignalen orientiere. Ihre einzige Funktion bestehe darin, die<br />

Aufrechterhaltung des Rederechts des Interaktionspartners zu unterstützen.<br />

In Z. 32-42 spezifiziert der Anrufer sein Problem noch einmal. Der kritische Punkt ist<br />

für ihn die Möglichkeit, dass seine Fre<strong>und</strong>in von der Schwangerschaft seiner<br />

Geliebten erfahren <strong>und</strong> ihn deshalb verlassen könnte, <strong>und</strong> nicht etwa die Tatsache<br />

selbst. Der Anrufer formuliert sein Problem nicht, wie es Willmann beschrieben hat,<br />

49 Vgl. dazu auch Schank (1981: 187). Burger (2000: 1502) meint, schon das Bewusstsein<br />

einer Zeit-Grenze erzeuge Zeitdruck, was dieses Beispiel eindrücklich zeigt.<br />

50 Hier verwendet der Ratsuchende das „Stück“ „Geschehen“, das denjenigen Veränderungsprozess<br />

innerhalb eines Sachverhalts-Komplexes darstellt, aus dem sich die spezielle<br />

Problem-Stellung entwickelt (Nothdurft 1984: 29).<br />

51 So etwa in Nothdurft et al. (1994), Schank (1981) <strong>und</strong> Koster (2000).<br />

52 Vgl. dazu auch Weinrich (1993: 834), der dieses Phänomen „Stützungssignal“ nennt.<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!