Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

Für den Beginn von Telefongesprächen hat Schegloff (1979: 354) die Regel
aufgestellt, dass der Anrufer das erste Thema einführt. Hutchby (1991: 120) ist der
Ansicht, die Gesprächspartner orientierten sich an dieser unbewussten Regel.
Demnach würde vom Anrufer erwartet, dass er seine „call validition“, also den
Grund seines Anrufes, im zweiten Turn selbstständig vorträgt. In Beratungs-
gesprächen ist das Problem des Anrufers das einzige Thema, was der Ratsuchende
als „call validition“ dementsprechend einführen sollte. Im vorliegenden Ausschnitt
hat die Anruferin keine Gelegenheit dazu, denn Domian verwendet im gleichen Turn
neben der Grußformel (Z. 25) einen so genannten „topic initial elicitor“
(Button/Casey 1987: 173), um sofort zum Thema des Anrufes zu kommen und die
erste Phase des Gespräches einzuleiten. „Topic initial elicitors“ werden üblicherweise
vom Gesprächspartner artikuliert, wenn der Anrufer den Grund seines Anrufes nicht
selber nennt. Domian wartet in den meisten Fällen die Initiative des Anrufers nicht
ab 47 und beschleunigt so den Übergang zum Gesprächsthema.
In Z. 26 des zitierten Beispiels ist die Anruferin eigenen Angaben zufolge aufgeregt.
Man könnte meinen, die prompte Aufforderung das Thema vorzubringen in Z. 25
führe dazu, dass die Sprecherin sich überrannt fühlt und deshalb nervös reagiert.
Wie aus dem folgenden Ausschnitt ersichtlich wird, orientieren Anrufer sich jedoch
ebenfalls an der Tatsache, zu Beginn des Gespräches eine „call validition“
einzuleiten.
Gespräch (7) Messie
1 D: vaNESsa;
2 NEUNzehn jAhre alt;
3 [M:Orgen;
4 V: [ja hallo DOmian;=
5 D: =hallo vaNESsa;
6 V: .h schön dass ich DURCHgekom[men bin haha
7 D: [schÖn dass du DA bist;
→ 8 V: ja. hh also äh: (-)
9 mEIn thema is ähm
10 na ja ich bin nich Unordentlich,
11 ich würde mich als: (.) MESsie bezeichnen;
Die Sprecherin wirkt mit der Sendung vertraut, zumindest weiß sie, wie schwer es
ist bei Domian durchzukommen. Auch ist ihr bekannt, dass sie den Grund des
47 So in den Gesprächen (1), (2), (4), (8) und (9).
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