Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

noam.uni.muenster.de
von noam.uni.muenster.de Mehr von diesem Publisher
18.12.2012 Aufrufe

12 ERste anruferin heute nacht und in dieser woche ist INDRA: 13 und indra ist sechszehn jahre alt; 14 guten MORgen, 15 I: ja guten morgen domian 16 D: =hallo indra; Der Moderator macht in seinem ersten Beitrag auf den institutionellen Kontext der Radiosendung und deren Übertragung aufmerksam. Zwar nennt er dabei seinen Nachnamen Domian, dieser steht hier aber für den Namen der Sendung und nicht für den Moderator selbst, womit er seine Rolle als Vertreter der Institution demonstriert. Domian spricht seine Hörer direkt mit einer für ihn üblichen Bezeichnung, mit „meine Lieben“, an. Durch diese Anrede signalisiert er zugleich, dass das Gespräch in ungezwungenem Kontext stattfindet, und suggeriert eine geringe Distanz zu seinem Publikum. Mit dem wiederholten Gebrauch des Personalpronomens der 2. Person Plural „ihr“ (Z. 1, 6, 10, 11) richtet er sich an einen großen Kreis von Zuhörern. Er stellt sich als persönlicher Gesprächspartner dar und bietet ihnen an, anzurufen und ebenfalls ein Gespräch mit ihm zu führen. Alle Zuhörer sind somit potentielle nächste Anrufer. Domian stuft Zuhörer und Anrufer als Mitglieder ein und derselben Gruppe ein. 46 Beim tatsächlichen Anrufer handelt es sich sozusagen um einen „Menschen wie du und ich“. Auf diese Weise schafft der Moderator die Voraussetzung dafür, dass das besprochene Thema für alle Zuhörer interessant ist und sie sich angesprochen fühlen (Knauth 1984: 71). In Z. 12 f. leitet der Moderator zum ersten Gespräch mit der Anruferin über und nennt ihren Vornamen. Der Adressat dieser Beiträge ist aber noch immer das Publikum, denn die Anruferin weiß von der Regie, dass sie gleich auf Sendung gehen wird, weshalb die Ankündigung des Moderators für sie an dieser Stelle keinen Sinn macht (Willmann 1998: 82; Knauth 1984: 58). Dies gilt auch für die Altersangabe, die speziell für das Publikum bestimmt ist. Darüber hinaus spricht der Moderator die Anruferin mit der Äußerung „Indra ist sechszehn Jahre alt“ in der dritten Person Singular an, was als ein weiterer Indikator gelten kann, dass sie nur die indirekte Adressatin dieses Gesprächsbeitrages ist. Erst mit der Begrüßung in Z. 14 adressiert der Moderator die Anruferin direkt. Dies wird aus ihrer Reaktion, 35

einem Gegengruß, ersichtlich. So schneidet er seine Äußerung bis zur Begrüßung der Anruferin ausschließlich auf das Publikum zu und realisiert ein „recipient design“ im Hinblick auf die „overhearers“. 5.2.2. Der Auftritt des Anrufers Die Aufgabe der Einleitungsphase besteht laut Leitner (1983: 144) in der Herstellung des Kontaktes und der Vorstellung und Begrüßung des Anrufers. Außerdem dient sie den Sprechern zur Fokussierung ihrer Aufmerksamkeit auf- einander, was mittels einer Begrüßung und gegenseitigen Identifizierung geschieht (Fischer 1992: 6). Knauth (1984: 90) konstatiert, dass es sich bei der Eröffnungsphase zwar um eine notwendige, thematisch aber eher uninteressante Gesprächsphase handelt. Daher sei der Moderator bemüht, schnell zum eigentlichen Anliegen des Anrufers zu kommen, welches in der Vorsortierung bereits als interessant eingestuft wurde. Gleiches ist auch bei Domian zu beobachten: Gespräch (4) Fernbeziehung 22 hh’ 23 stefanie is zweiundzwanzig jahre alt. 24 S: ja: hallo → 25 D: hallo stefanie um was gehts. 26 S: hhh’ ja und zwar man aufgeregt n bisschen jetzt hh’ 27 D: 28 S: ähm und zwar geht es darum- 29 ich hab seit seit einem jahr eine beziehung? Der erste Turn der Eröffnungsphase wird in Beratungsgesprächen im Rundfunk obligatorisch vom Moderator besetzt (Fischer 1992: 6). Er begrüßt die Anruferin mit einer explizit performativen Formel und nennt daraufhin ihr Alter. Sie reagiert im nächsten Turn mit einem Gegengruß. So entgegnet sie dem „first-pair-part“ des „adjacency pairs” mit dem konditionell relevanten „second-pair-part“. Domian macht durch die Begrüßung der Anruferin das Gespräch öffentlich und stellt sie dem Publikum vor. Erst in Z. 25 adressiert er die Anruferin direkt. 46 Vgl. dazu Knauth ( 1984: 71 f.) und vgl. auch Gespräch (3) und (4). Diese Beobachtung wird dadurch gestützt, dass der Moderator dieselbe Bezeichnung für eine Anruferin wählt („Meine Liebe“, Gespräch (4), Z. 245), die er auch für das Publikum gebraucht. 36

12 ERste anruferin heute nacht <strong>und</strong> in dieser woche ist<br />

INDRA:<br />

13 <strong>und</strong> indra ist sechszehn jahre alt;<br />

14 guten MORgen,<br />

15 I: ja guten morgen domian<br />

16 D: =hallo indra;<br />

Der Moderator macht in seinem ersten Beitrag auf den institutionellen Kontext der<br />

<strong>Radio</strong>sendung <strong>und</strong> deren Übertragung aufmerksam. Zwar nennt er dabei seinen<br />

Nachnamen Domian, dieser steht hier aber für den Namen der Sendung <strong>und</strong> nicht<br />

für den Moderator selbst, womit er seine Rolle als Vertreter der <strong>Ins</strong>titution<br />

demonstriert. Domian spricht seine Hörer direkt mit einer für ihn üblichen<br />

Bezeichnung, mit „meine Lieben“, an. Durch diese Anrede signalisiert er zugleich,<br />

dass das Gespräch in ungezwungenem Kontext stattfindet, <strong>und</strong> suggeriert eine<br />

geringe Distanz zu seinem Publikum. Mit dem wiederholten Gebrauch des<br />

Personalpronomens der 2. Person Plural „ihr“ (Z. 1, 6, 10, 11) richtet er sich an<br />

einen großen Kreis von Zuhörern. Er stellt sich als persönlicher Gesprächspartner<br />

dar <strong>und</strong> bietet ihnen an, anzurufen <strong>und</strong> ebenfalls ein Gespräch mit ihm zu führen.<br />

Alle Zuhörer sind somit potentielle nächste Anrufer. Domian stuft Zuhörer <strong>und</strong><br />

Anrufer als Mitglieder ein <strong>und</strong> derselben Gruppe ein. 46 Beim tatsächlichen Anrufer<br />

handelt es sich sozusagen um einen „Menschen wie du <strong>und</strong> ich“. Auf diese Weise<br />

schafft der Moderator die Voraussetzung dafür, dass das besprochene Thema für<br />

alle Zuhörer interessant ist <strong>und</strong> sie sich angesprochen fühlen (Knauth 1984: 71).<br />

In Z. 12 f. leitet der Moderator zum ersten Gespräch mit der Anruferin über <strong>und</strong><br />

nennt ihren Vornamen. Der Adressat dieser Beiträge ist aber noch immer das<br />

Publikum, denn die Anruferin weiß von der Regie, dass sie gleich auf Sendung<br />

gehen wird, weshalb die Ankündigung des Moderators für sie an dieser Stelle keinen<br />

Sinn macht (Willmann 1998: 82; Knauth 1984: 58). Dies gilt auch für die<br />

Altersangabe, die speziell für das Publikum bestimmt ist. Darüber hinaus spricht der<br />

Moderator die Anruferin mit der Äußerung „Indra ist sechszehn Jahre alt“ in der<br />

dritten Person Singular an, was als ein weiterer Indikator gelten kann, dass sie nur<br />

die indirekte Adressatin dieses Gesprächsbeitrages ist. Erst mit der Begrüßung in Z.<br />

14 adressiert der Moderator die Anruferin direkt. Dies wird aus ihrer Reaktion,<br />

35

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!