Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

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18.12.2012 Aufrufe

3. Stellungnahmen zu bzw. Ratifizierungen von lösungsrelevantem Wissen Für den „Ratgebenden“ stellt Fischer ebenfalls kategorienspezifische Aktivitäten auf: 1. Elizitation von Problemdarstellungen bzw. Problemstücken durch Aufforderungen, falls der „Ratsuchende“ die Problemdarstellung nicht selbst einleitet 2. Präzisierungsfragen 3. Problemdefinitionen, die meist im Frageformat realisiert werden 4. Präsentation von lösungsrelevantem Wissen durch Argumentationsmuster Reitemeier (1994: 235) zufolge vollzieht eine Person kategorienspezifische Aktivitäten als „Berater“, wenn sie den „Ratsuchenden“ zur Präsentation seines Anliegens auffordert, und Handlungen ausführt, die das situative Arrangement betreffen. Im Gegenzug wird der andere Sprecher mit der Formulierung des Anliegens als „Ratsuchender“ kategorisiert. Die beiden letztgenannten Punkte stimmen mit Fischers Überlegungen überein. Darüber hinaus vertritt Reitemeier (1994: 237) die These, dass mit den vorgegebenen Beziehungspaaren eine ungleiche Verteilung der Initiativ- und Kontrollkompetenz über das interaktive Geschehen einhergeht. Der Institutionsvertreter hat die Aufgabe, das Gespräch zu initiieren, zu steuern und zu kontrollieren, was ihm eine bevorrechtigte Position gegenüber dem „Ratsuchenden“ einräumt. Diese „Kontrollkompetenz“ (Reitemeier 1994: 238) sichert sich der Berater, da er die Sprecher- und Hörerrolle, beispielsweise durch eine Initiierung von Frage-Antwort-Sequenzen, bestimmt oder seinem Gegenüber auch ein expandiertes Rederecht zuweisen kann. Zudem markiert der Berater den offiziellen Beginn des Gespräches und entscheidet, wie lange es dauern soll. Reitemeier geht entsprechend von einer relativ festen Rollenverteilung aus, die das Beratungsgespräch der Tendenz nach dem Interview annähert, in welchem der Interviewer eine starke Kontrollkompetenz ausübt und als Fragender die Gesprächsführung übernimmt. Auch Fischer meint, „Ratgebende“ steuerten in der Regel das Beratungsgespräch. Sie nennt als mögliche Erklärung dafür, dass „BeraterInnen ihre Aktivitäten oft in Form sequenzinitiierenden ’first- pair-parts’ realisieren, was ihnen eine - wenn auch lokal begrenzte - Steuerung von 27

Aktivitäten ermöglicht [...]“. (Fischer 1992: 13). Sie fügt dem noch hinzu, dass ihnen der dritte Zug, der so genannte „post-answer slot“, zufällt, welcher zur erneuten Sequenzinitiierung genutzt werden kann. Fischer geht jedoch nicht soweit zu sagen, der „Ratgebende“ habe eine Kontrollkompetenz über die Interaktion inne. In dieser Arbeit wird die von Reitemeier aufgestellte These vertreten, dass der Berater eine Kontrollkompetenz über das Gespräch ausübt. Besonders durch das medial vermittelte Beratungsgespräch hat der Berater gleichzeitig auch die Aufgabe als Moderator durch das Geschehen zu führen. Er setzt verschiedene interaktive Mittel der Gesprächssteuerung ein, um die Sendung auch für das Publikum interessant zu gestalten. 37 Da ein Gespräch nur in dem Maße zu einem Beratungsgespräch wird, wie es den Handelnden gelingt, sich diesen Kontext gegenseitig anzuzeigen und interpretierbar zu machen (Uhmann 1989: 126), soll in der Untersuchung gezeigt werden, wie die Teilnehmer den Interaktionstyp Beratungsgespräch interaktiv herstellen. 5. Empirische Untersuchung zur Organisation von Beratungsgesprächen im Radio Im Radio-Phone-In verfolgen die Interagierenden verschiedene kommunikative Ziele. Der Anrufer erwartet sich von dem Beratungsgespräch mit dem Moderator Hilfe und Unterstützung bei seiner Problemlösung und entsprechend eine auf seine spezifischen Bedürfnisse angepasste Handlungsanweisung. Auch der Moderator ist an einer zufrieden stellenden Beratung des Anrufers interessiert, obgleich dies für ihn eine schwierige Aufgabe darstellt, weil der Ratsuchende ihm völlig unbekannt ist. Außerdem steht der Moderator in der Sendung unter Zeitdruck und kann oft nicht auf alle Aspekte des Problems eingehen, was eine Beratung zusätzlich erschwert. 38 Auf der anderen Seite ist der Moderator seiner Institution verpflichtet, was bedeutet, dass er versucht, für das Publikum eine möglichst interessante Sendung zu gestalten (Koster 2000: 44). Die Zuhörer sollen sich angesprochen und 37 Vgl. dazu auch Naumann (1989: 415) und Mühlen (1985: 36). 38 Domian behauptet zwar das Gegenteil, aber in der Tat sind sehr lange Gespräche eine Seltenheit. In einem Interview mit der Unicum gibt er zu, dass er während der Gespräche 28

Aktivitäten ermöglicht [...]“. (Fischer 1992: 13). Sie fügt dem noch hinzu, dass<br />

ihnen der dritte Zug, der so genannte „post-answer slot“, zufällt, welcher zur<br />

erneuten Sequenzinitiierung genutzt werden kann. Fischer geht jedoch nicht soweit<br />

zu sagen, der „Ratgebende“ habe eine Kontrollkompetenz über die Interaktion inne.<br />

In dieser Arbeit wird die von Reitemeier aufgestellte These vertreten, dass der<br />

Berater eine Kontrollkompetenz über das Gespräch ausübt. Besonders durch das<br />

medial vermittelte <strong>Beratung</strong>sgespräch hat der Berater gleichzeitig auch die Aufgabe<br />

als Moderator durch das Geschehen zu führen. Er setzt verschiedene interaktive<br />

Mittel der Gesprächssteuerung ein, um die Sendung auch für das Publikum<br />

interessant zu gestalten. 37 Da ein Gespräch nur in dem Maße zu einem<br />

<strong>Beratung</strong>sgespräch wird, wie es den Handelnden gelingt, sich diesen Kontext<br />

gegenseitig anzuzeigen <strong>und</strong> interpretierbar zu machen (Uhmann 1989: 126), soll in<br />

der Untersuchung gezeigt werden, wie die Teilnehmer den Interaktionstyp<br />

<strong>Beratung</strong>sgespräch interaktiv herstellen.<br />

5. Empirische Untersuchung zur Organisation von<br />

<strong>Beratung</strong>sgesprächen im <strong>Radio</strong><br />

Im <strong>Radio</strong>-<strong>Phone</strong>-In verfolgen die Interagierenden verschiedene kommunikative<br />

Ziele. Der Anrufer erwartet sich von dem <strong>Beratung</strong>sgespräch mit dem Moderator<br />

Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung bei seiner Problemlösung <strong>und</strong> entsprechend eine auf seine<br />

spezifischen Bedürfnisse angepasste Handlungsanweisung. Auch der Moderator ist<br />

an einer zufrieden stellenden <strong>Beratung</strong> des Anrufers interessiert, obgleich dies für<br />

ihn eine schwierige Aufgabe darstellt, weil der Ratsuchende ihm völlig unbekannt<br />

ist. Außerdem steht der Moderator in der Sendung unter Zeitdruck <strong>und</strong> kann oft<br />

nicht auf alle Aspekte des Problems eingehen, was eine <strong>Beratung</strong> zusätzlich<br />

erschwert. 38 Auf der anderen Seite ist der Moderator seiner <strong>Ins</strong>titution verpflichtet,<br />

was bedeutet, dass er versucht, für das Publikum eine möglichst interessante<br />

Sendung zu gestalten (Koster 2000: 44). Die Zuhörer sollen sich angesprochen <strong>und</strong><br />

37 Vgl. dazu auch Naumann (1989: 415) <strong>und</strong> Mühlen (1985: 36).<br />

38 Domian behauptet zwar das Gegenteil, aber in der Tat sind sehr lange Gespräche eine<br />

Seltenheit. In einem Interview mit der Unicum gibt er zu, dass er während der Gespräche<br />

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