Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung
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Einfühlungsvermögen zeigte <strong>und</strong> Zuhörer deshalb oft einschalteten. Die Telekom<br />
schätzt, dass pro Sendung um die 40.000-60.000 Anrufer versuchen bei Domian<br />
durchzukommen (Zbikowski 2001: 47).<br />
Die Sendung läuft nach dem folgenden Muster ab: Der Moderator kündigt eine<br />
St<strong>und</strong>e vor Sendebeginn an, dass Eins Live Hörer kostenlos anrufen können. Er<br />
sendet einen so genannten „Teaser“ (Zbikowski 2001: 45), 30 der die Hörer zum<br />
Anruf reizen soll. Die Anrufer werden vorher also nicht recherchiert, sondern melden<br />
sich spontan. Ein Casting wie bei den täglichen Talkshows im Fernsehen findet nicht<br />
statt. Es gibt auch keine feste Zielgruppe von Zuhörern für die Sendung. Die so<br />
genannten Rechercheure übernehmen die Arbeit, um nach einem kurzen<br />
Telefongespräch mit den Anrufern zu entscheiden, ob sie in die Regie weiter-<br />
gegeben werden. Im Gespräch von drei bis fünf Minuten müssen die Rechercheure<br />
herausfinden, welcher Anrufer sich für die Sendung eignet. Personen, die von<br />
Mobiltelefonen aus anrufen, <strong>und</strong> jene, die zu aufgelöst sind oder unter<br />
Drogeneinfluss stehen, werden sofort aussortiert (Huth 1998: 27). Häufig legen<br />
Anrufer sich eine unwahre Geschichte zurecht <strong>und</strong> sollen in einem kurzen<br />
Kreuzverhör auf diese Weise ausfindig gemacht werden. Auf der so genannten<br />
„Fake-List“ sind bereits diejenigen verzeichnet, die immer wieder anrufen <strong>und</strong><br />
erf<strong>und</strong>ene Geschichten erzählen (Schweers 1995: 48). Die Geschichten selbst sind<br />
ein wichtiges Auswahlkriterium, denn nur spannende Berichte eignen sich für<br />
Domian. Der Redakteur beschreibt sein Dramaturgie-Prinzip folgenderweise:<br />
Wie kann man diese Zuschauer wach halten? Man darf sie nicht einschlafen lassen!<br />
Das funktioniert nur, wenn man nach einer guten Geschichte noch eine gute platziert.<br />
(Zbikowski 2001: 71)<br />
Wenn die Geschichte des Anrufers „gut“ ist, füllt der Rechercheur eine Karteikarte<br />
aus, auf der in Stichpunkten Name <strong>und</strong> Alter der Person sowie das Thema stehen,<br />
über das der Anrufer sprechen möchte. Später wird er von der Regie zurückgerufen.<br />
Diese bestimmt auch die Abfolge der Anrufe <strong>und</strong> leitet sie ins Studio weiter, wo<br />
Domian auf seinem Bildschirm nur den Namen <strong>und</strong> das Alter der Person lesen kann,<br />
die gerade „on air“ ist. Diese Vorgehensweise ist Taktik: „Je weniger Jürgen vorher<br />
30<br />
Alle weiteren Informationen zum Sendeablauf stammen, wenn nicht anders angegeben,<br />
von Zbikowski (2001).<br />
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