Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

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steht (Ayaß 2004: 14). Wie die Anzahl der Gespräche bereits suggeriert, ist diese Untersuchung keine quantitative, sondern eine qualitative Studie. 28 Es geht also darum, die systematischen Strukturen der Gespräche und verbalen Strategien der Interagierenden herauszustellen und nicht darum, repräsentative Aussagen über Beratungsgespräche zu machen. Das kann lediglich durch weitere Analysen von Beratungsgesprächen in dieser Richtung geleistet werden. Bei der Materialbasis handelt es sich überwiegend um Gespräche, die in der Datenbank und der Institutsbibliothek des Instituts für Deutsche Philologie I in Münster zu Forschungszwecken gesammelt wurden. Sie liegen in Audio-Version und als Transkript vor. Drei weitere Gespräche wurden von der Autorin selbst transkribiert, die anderen Transkripte wurden überprüft und zum Teil überarbeitet. Alle Dialoge sind nach den Konventionen des gesprächsanalytischen Transkriptionssystems (GAT) transkribiert, welche im Anhang aufgeführt sind. Die Gespräche sind zwischen vier bis zwölf Minuten lang und der Moderator hat immer nur einen Gesprächspartner. 4.3. Geplante Spontaneität: das Radio-Phone-In Domian Die Sendung Domian wird seit April 1995 an fünf Tagen in der Woche zwischen 1:00-2:00 Uhr nachts bimedial ausgestrahlt (Huth 1998: 24). Fernsehzuschauer des WDR und auch Hörer des Radiosenders Eins Live können sich an zwei Tagen in der Woche jeweils zu fest vorgegebenen Themen, wie beispielsweise „Diese Frau ist mein Verderben“, „Ich bin ein Luder“ oder „Sex hat mein Leben zerstört“, äußern oder in der „offenen“ Show drei Mal wöchentlich mit Domian über ihre Probleme und Erlebnisse sprechen. Bei Domian handelt es sich um reines Talk-Radio, das zwischendurch nicht von Musiktiteln unterbrochen wird, und ist somit einmalig im Radio (Huth 1998: 26). Domian entstand aus der Radiosendung Die heiße Nummer, 29 da der Moderator im Gespräch mit seinen Anrufern ein besonderes 27 Es wird ohnehin nur Domian von der Kamera aufgenommen. Der Anrufer tritt lediglich verbal auf, bleibt ansonsten aber anonym. 28 Vgl. dazu Schank und Schoenthal (1983: 168). Ten Haven (1999: 30) charakterisiert die Konversationsanalyse als „qualitative inquiry“. 29 Dabei handelt es sich um eine Talk-Radio-Sendung, die von Oktober 1993 bis März 1995 freitags nachmittags im WDR 1 ausgestrahlt wurde und sich aus gelegentlichen Telefonaktionen zu vorgegebenen Themen entwickelt hatte. In dieser Sendung wurde zwischen den Gesprächen Musik eingespielt (Huth 1998: 22 f.) 21

Einfühlungsvermögen zeigte und Zuhörer deshalb oft einschalteten. Die Telekom schätzt, dass pro Sendung um die 40.000-60.000 Anrufer versuchen bei Domian durchzukommen (Zbikowski 2001: 47). Die Sendung läuft nach dem folgenden Muster ab: Der Moderator kündigt eine Stunde vor Sendebeginn an, dass Eins Live Hörer kostenlos anrufen können. Er sendet einen so genannten „Teaser“ (Zbikowski 2001: 45), 30 der die Hörer zum Anruf reizen soll. Die Anrufer werden vorher also nicht recherchiert, sondern melden sich spontan. Ein Casting wie bei den täglichen Talkshows im Fernsehen findet nicht statt. Es gibt auch keine feste Zielgruppe von Zuhörern für die Sendung. Die so genannten Rechercheure übernehmen die Arbeit, um nach einem kurzen Telefongespräch mit den Anrufern zu entscheiden, ob sie in die Regie weiter- gegeben werden. Im Gespräch von drei bis fünf Minuten müssen die Rechercheure herausfinden, welcher Anrufer sich für die Sendung eignet. Personen, die von Mobiltelefonen aus anrufen, und jene, die zu aufgelöst sind oder unter Drogeneinfluss stehen, werden sofort aussortiert (Huth 1998: 27). Häufig legen Anrufer sich eine unwahre Geschichte zurecht und sollen in einem kurzen Kreuzverhör auf diese Weise ausfindig gemacht werden. Auf der so genannten „Fake-List“ sind bereits diejenigen verzeichnet, die immer wieder anrufen und erfundene Geschichten erzählen (Schweers 1995: 48). Die Geschichten selbst sind ein wichtiges Auswahlkriterium, denn nur spannende Berichte eignen sich für Domian. Der Redakteur beschreibt sein Dramaturgie-Prinzip folgenderweise: Wie kann man diese Zuschauer wach halten? Man darf sie nicht einschlafen lassen! Das funktioniert nur, wenn man nach einer guten Geschichte noch eine gute platziert. (Zbikowski 2001: 71) Wenn die Geschichte des Anrufers „gut“ ist, füllt der Rechercheur eine Karteikarte aus, auf der in Stichpunkten Name und Alter der Person sowie das Thema stehen, über das der Anrufer sprechen möchte. Später wird er von der Regie zurückgerufen. Diese bestimmt auch die Abfolge der Anrufe und leitet sie ins Studio weiter, wo Domian auf seinem Bildschirm nur den Namen und das Alter der Person lesen kann, die gerade „on air“ ist. Diese Vorgehensweise ist Taktik: „Je weniger Jürgen vorher 30 Alle weiteren Informationen zum Sendeablauf stammen, wenn nicht anders angegeben, von Zbikowski (2001). 22

steht (Ayaß 2004: 14). Wie die Anzahl der Gespräche bereits suggeriert, ist diese<br />

Untersuchung keine quantitative, sondern eine qualitative Studie. 28 Es geht also<br />

darum, die systematischen Strukturen der Gespräche <strong>und</strong> verbalen Strategien der<br />

Interagierenden herauszustellen <strong>und</strong> nicht darum, repräsentative Aussagen über<br />

<strong>Beratung</strong>sgespräche zu machen. Das kann lediglich durch weitere Analysen von<br />

<strong>Beratung</strong>sgesprächen in dieser Richtung geleistet werden. Bei der Materialbasis<br />

handelt es sich überwiegend um Gespräche, die in der Datenbank <strong>und</strong> der<br />

<strong>Ins</strong>titutsbibliothek des <strong>Ins</strong>tituts für Deutsche Philologie I in Münster zu<br />

Forschungszwecken gesammelt wurden. Sie liegen in Audio-Version <strong>und</strong> als<br />

Transkript vor. Drei weitere Gespräche wurden von der Autorin selbst transkribiert,<br />

die anderen Transkripte wurden überprüft <strong>und</strong> zum Teil überarbeitet. Alle Dialoge<br />

sind nach den Konventionen des gesprächsanalytischen Transkriptionssystems<br />

(GAT) transkribiert, welche im Anhang aufgeführt sind. Die Gespräche sind <strong>zwischen</strong><br />

vier bis zwölf Minuten lang <strong>und</strong> der Moderator hat immer nur einen<br />

Gesprächspartner.<br />

4.3. Geplante Spontaneität: das <strong>Radio</strong>-<strong>Phone</strong>-In Domian<br />

Die Sendung Domian wird seit April 1995 an fünf Tagen in der Woche <strong>zwischen</strong><br />

1:00-2:00 Uhr nachts bimedial ausgestrahlt (Huth 1998: 24). Fernsehzuschauer des<br />

WDR <strong>und</strong> auch Hörer des <strong>Radio</strong>senders Eins Live können sich an zwei Tagen in der<br />

Woche jeweils zu fest vorgegebenen Themen, wie beispielsweise „Diese Frau ist<br />

mein Verderben“, „Ich bin ein Luder“ oder „Sex hat mein Leben zerstört“, äußern<br />

oder in der „offenen“ Show drei Mal wöchentlich mit Domian über ihre Probleme<br />

<strong>und</strong> Erlebnisse sprechen. Bei Domian handelt es sich um reines Talk-<strong>Radio</strong>, das<br />

<strong>zwischen</strong>durch nicht von Musiktiteln unterbrochen wird, <strong>und</strong> ist somit einmalig im<br />

<strong>Radio</strong> (Huth 1998: 26). Domian entstand aus der <strong>Radio</strong>sendung Die heiße<br />

Nummer, 29 da der Moderator im Gespräch mit seinen Anrufern ein besonderes<br />

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Es wird ohnehin nur Domian von der Kamera aufgenommen. Der Anrufer tritt lediglich<br />

verbal auf, bleibt ansonsten aber anonym.<br />

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Vgl. dazu Schank <strong>und</strong> Schoenthal (1983: 168). Ten Haven (1999: 30) charakterisiert die<br />

Konversationsanalyse als „qualitative inquiry“.<br />

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Dabei handelt es sich um eine Talk-<strong>Radio</strong>-Sendung, die von Oktober 1993 bis März 1995<br />

freitags nachmittags im WDR 1 ausgestrahlt wurde <strong>und</strong> sich aus gelegentlichen Telefonaktionen<br />

zu vorgegebenen Themen entwickelt hatte. In dieser Sendung wurde <strong>zwischen</strong> den<br />

Gesprächen Musik eingespielt (Huth 1998: 22 f.)<br />

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