Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung Radio-Phone-Ins: zwischen Beratung und Medieninszenierung

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18.12.2012 Aufrufe

4. Daten und Methode In dieser Untersuchung dienen Gespräche der Radiosendung Domian als Materialbasis. Im Folgenden wird die dieser Arbeit zugrunde liegende Methode und die Auswahl des Datenmaterials vorgestellt. Des Weiteren wird der Ablauf einer Sendung dokumentiert sowie die Zielsetzungen des Moderators und des Redakteurs für ihr Radio-Phone-In aufzeigt. Schließlich wird der Ansatz der Kontextualisierung beschrieben und für den Gesprächstyp Beratungsgespräch dargelegt. 4.1. Zur Methode der ethnomethodologischen Konversationsanalyse Die ethnomethodologische Konversationsanalyse ist ihrer Herkunft nach ein soziologischer Ansatz, der sich in den 70 er Jahren auch als linguistische Forschungsrichtung etabliert hat. Ihr Ausgangspunkt ist die Frage, wie soziale Ordnung interaktiv hergestellt wird und ihr Untersuchungsziel besteht darin, die formalen Prinzipien und Mechanismen zu bestimmen, die von den Teilnehmern eines Gespräches zur Orientierung, Verständigung und Sinnherstellung methodisch angewandt werden (Bergmann 1994: 3; Streeck 1989: 83). 23 Eine Grundannahme dieses Ansatzes ist, dass Gespräche selbst schon eine immanente Ordnung aufweisen, die mit der systematischen Lösung von Interaktionsproblemen in Zusammenhang steht (Knauth 1984: 23). Als konstitutive Mechanismen sind beispielsweise der Sprecherwechsel und die sequentielle Organisation von Redezügen zu nennen. In der Analyse gilt es, regelmäßig vorkommende Elemente ausfindig zu machen, die als mögliches Ordnungselement isoliert werden können (Bergmann 2000: 923 f.). Daraus lassen sich wiederkehrende strukturelle Probleme der Gesprächsorganisation rekonstruieren, als deren methodische Lösung dieses Element betrachtet wird (Knauth 1984: 32). 24 Die Konversationsanalyse besitzt kein ausformuliertes methodisches Regelwerk (Ayaß 2004: 9) und „[…] ist auch nur widerstrebend bereit, ihr Vorgehen in Gestalt 23 Vgl. dazu auch Knauth (1984: 23). 24 Die Konversationsanalyse weist die Gültigkeit ihrer Analyseergebnisse durch das Anführen gleichartiger Phänomene (Kookkurrenz) oder „abweichender“ Fälle nach. Letztere werden von den Interagierenden als Unregelmäßigkeiten und Verstöße behandelt, womit sogleich die normativen Erwartungen der Gesprächsteilnehmer deutlich werden (Bergmann 2000: 924). 19

methodischer Regeln zu kanonisieren.“ (Bergmann 1994: 9). Die wichtigste Prämisse dieses Forschungsansatzes ist die strikt empirische Analyse „natürlicher“ Interaktion. 25 Zu diesem Zwecke werden Korpora authentischen Datenmaterials verwendet, die als Video- und Tonbandaufnahmen aufgezeichnet und transkribiert werden. Die Transkripte sollen möglichst exakt das tatsächliche Geschehen wiedergeben, weshalb Verschleifungen, Gesprächspartikeln, Intonationskonturen etc. ebenfalls verschriftlicht werden. Dadurch wird man der Ordnungsprämisse bzw. der „order at all points“- Maxime (Sacks 1984 zit. nach Bergmann 1994: 10) gerecht, die besagt, dass ein Gespräch bis ins Detail geordnet abläuft und deshalb kein Textelement im Gespräch von vornherein als Zufallsprodukt anzusehen und als Untersuchungsobjekt auszuschließen ist. Der Kontext einer Interaktion ist in der Analyse insofern relevant, als dass die Gesprächteilnehmer ihn in ihren Äußerungen zum Ausdruck bringen. Die Konversationsanalyse sieht die Interagierenden als „[…] kontextsensitive Akteure, die den Kontext ihres Handelns analysieren, mit Hilfe ihres Alltagswissens interpretieren, ihre Äußerungen auf den Kontext einstellen und sich wechselseitig fortwährend ihre Kontextorientierung in vielfältiger Weise anzeigen.“ (Bergmann 2000: 921). 26 4.2. Datenmaterial Die folgende Analyse basiert auf neun Gesprächen der Eins Live Radiosendung Domian des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Obgleich das Fernsehen Domian ebenfalls überträgt, werden die nonverbalen Aspekte wie Gestik und Mimik des Moderators nicht berücksichtigt. 27 Als Grund hierfür ist anzusehen, dass zumindest der Moderator nur auf den rein verbal-auditiven Kanal der Vermittlung angewiesen ist, der ihm bei der Rezeption als einzige Interpretationsressource zur Verfügung 25 „Natürlich“ sind Gespräche laut Schank (1979 b: 74) dann, wenn sie einem „echten“ Sprechanlass entspringen und nicht zum Zwecke wissenschaftlicher Untersuchung aufgezeichnet und arrangiert werden. Eine detaillierte Diskussion zu „natürlichen“ Gesprächen findet sich in Schu (2000: 1007-1021). 26 Detaillierte Darstellungen zum analytischen Vorgehens der Konversationsanalyse finden sich in: Bergmann (1994, 2000), Knauth (1984), Hutchby/Wooffitt (1998) und Ten Haven (1999). 20

methodischer Regeln zu kanonisieren.“ (Bergmann 1994: 9). Die wichtigste<br />

Prämisse dieses Forschungsansatzes ist die strikt empirische Analyse „natürlicher“<br />

Interaktion. 25 Zu diesem Zwecke werden Korpora authentischen Datenmaterials<br />

verwendet, die als Video- <strong>und</strong> Tonbandaufnahmen aufgezeichnet <strong>und</strong> transkribiert<br />

werden. Die Transkripte sollen möglichst exakt das tatsächliche Geschehen<br />

wiedergeben, weshalb Verschleifungen, Gesprächspartikeln, Intonationskonturen<br />

etc. ebenfalls verschriftlicht werden. Dadurch wird man der Ordnungsprämisse bzw.<br />

der „order at all points“- Maxime (Sacks 1984 zit. nach Bergmann 1994: 10)<br />

gerecht, die besagt, dass ein Gespräch bis ins Detail geordnet abläuft <strong>und</strong> deshalb<br />

kein Textelement im Gespräch von vornherein als Zufallsprodukt anzusehen <strong>und</strong> als<br />

Untersuchungsobjekt auszuschließen ist.<br />

Der Kontext einer Interaktion ist in der Analyse insofern relevant, als dass die<br />

Gesprächteilnehmer ihn in ihren Äußerungen zum Ausdruck bringen. Die<br />

Konversationsanalyse sieht die Interagierenden als „[…] kontextsensitive Akteure,<br />

die den Kontext ihres Handelns analysieren, mit Hilfe ihres Alltagswissens<br />

interpretieren, ihre Äußerungen auf den Kontext einstellen <strong>und</strong> sich wechselseitig<br />

fortwährend ihre Kontextorientierung in vielfältiger Weise anzeigen.“ (Bergmann<br />

2000: 921). 26<br />

4.2. Datenmaterial<br />

Die folgende Analyse basiert auf neun Gesprächen der Eins Live <strong>Radio</strong>sendung<br />

Domian des Westdeutschen R<strong>und</strong>funks (WDR). Obgleich das Fernsehen Domian<br />

ebenfalls überträgt, werden die nonverbalen Aspekte wie Gestik <strong>und</strong> Mimik des<br />

Moderators nicht berücksichtigt. 27 Als Gr<strong>und</strong> hierfür ist anzusehen, dass zumindest<br />

der Moderator nur auf den rein verbal-auditiven Kanal der Vermittlung angewiesen<br />

ist, der ihm bei der Rezeption als einzige Interpretationsressource zur Verfügung<br />

25 „Natürlich“ sind Gespräche laut Schank (1979 b: 74) dann, wenn sie einem „echten“<br />

Sprechanlass entspringen <strong>und</strong> nicht zum Zwecke wissenschaftlicher Untersuchung aufgezeichnet<br />

<strong>und</strong> arrangiert werden. Eine detaillierte Diskussion zu „natürlichen“ Gesprächen<br />

findet sich in Schu (2000: 1007-1021).<br />

26 Detaillierte Darstellungen zum analytischen Vorgehens der Konversationsanalyse finden<br />

sich in: Bergmann (1994, 2000), Knauth (1984), Hutchby/Wooffitt (1998) <strong>und</strong> Ten Haven<br />

(1999).<br />

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