Kritik: DIE MIGRANTIGEN
Nach dem großen Kinoerfolg von 2017 bringt Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger die krass sympathische Ausländerkomödie „Die Migrantigen“ auf die Bühnenbretter der Kammerspiele. Regie bei der Bühnenversion von Arman T. Riahis, Aleksandar Petrovic‘ und Faris Rahomas Erfolgsfilm führte der in Thessaloniki geborene Theaterregisseur Sarantos Georgios Zervoulakos.
Nach dem großen Kinoerfolg von 2017 bringt Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger die krass sympathische Ausländerkomödie „Die Migrantigen“ auf die Bühnenbretter der Kammerspiele. Regie bei der Bühnenversion von Arman T. Riahis, Aleksandar Petrovic‘ und Faris Rahomas Erfolgsfilm führte der in Thessaloniki geborene Theaterregisseur Sarantos Georgios Zervoulakos.
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© PHILINE HOFMANN
BÜHNE
„DIE MIGRANTIGEN“: FILM GEHT BÜHNE,
OIDA!
Von Hillevi Hofmann | 8. September 2019
Nach dem großen Kinoerfolg von 2017 bringt Josefstadt-Direktor
Herbert Föttinger die krass sympathische Ausländerkomödie „Die
Migrantigen“ auf die Bühnenbretter der Kammerspiele. Regie bei der
Bühnenversion von Arman T. Riahis, Aleksandar Petrovic‘ und Faris
Rahomas Erfolgsfilm führte der in Thessaloniki geborene
Theaterregisseur Sarantos Georgios Zervoulakos.
Auch wer den Film nicht gesehen hat wird sie wahrscheinlich kennen: Benny und
Marko, zwei Wiener Vorzeige-Bobos, die aus der Not heraus für eine TV-
Problembezirk-Doku zwei kleinkriminelle Ausländer vortäuschen. Der eine, Benny
(spektakulär: Luka Vlatkovic), leidet als Schauspieler mit ägyptischen Wurzeln
darunter, immer nur als Quotenausländer gecastet zu werden. Marko
(sensationell: Jakob Elsenwenger), der perfekt integrierte Kroate hingegen
mimt den „TV-Tschusch“ nur, um sein „Ing Wer“ Start-up zu retten.
Immerhin wird er bald Vater und muss die laufenden Pfändungen vor seiner
hochmotivierten Freundin Sophie (köstlich: Gioia Osthoff) verbergen. Denn alleine
das „Hypno-Birthing“ kostet ja schon 800.- Kröten.
Um ihre Rollen im TV möglichst authentisch rüberzubringen, lassen sich Benny und
Marko vom „Ghetto-Oberchecker“ Juwel (Wilhelm Iben) coachen. „Gemma
Wettbüro, Oida“, das Codewort für den Grätzl-Fight Club, der sich unter dem gut
getarnten Dönerladen Oncels befindet. Extreeeeme Probleeeeeme vorprogrammiert.
„Entdeckt“ werden die beiden Chaoten übrigens zufällig am AMS von TV-Reporterin
Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmayer) alias „Weizi“. Das
Arbeitsmarktservice Rudolfsgrund ist Tummelplatz der perfiden, semi-gestrandeten
Existenzen, welches die beiden eigentlich nur durch Zufall besuchen.
Da wären einmal die zum Schreien komische Putzfrau Romana (was für eine geile
Performance von Susanna Wiegand!), die vorerst nur bis zum 29. September (!!!) –
mal links, mal rechts und auch brav in der Mitte – putzt. Dann Marko’s Slivovitzgetränkten
Vater Bilic (Pitschka madre, spielt der gut: Ljubisa Lupo Grujcic), der
seine Pflegerinnen ebenso oft wechselt wie seine Unterhosen sowie die zwei
unterschiedlichen Streithähne Oncel („Ontschel“ nicht Onkel!) (Özaydin Akbaba)
und Frau Weber (Martina Spitzer).
Denn Oncel hat Webers Ösi-Marktstandl in eine Dönerbude verwandelt und diese
rächt sich nun als neu aufgestellter Marktamts-Scheriff bei ihm. Schon
erwähnenswert, wenn zwei Nicht-Bühnenprofis (Akbaba und Spitzer) eine Doris
Schretzmayer mit ihrer Performance in den Schatten stellen. Denn diese agiert an
diesem Abend erschreckend hilflos und laienhaft. Theater ist halt doch nicht Film (dort
war sie ja großartig).
Damit das falsche Spiel also nicht auffliegt, bauen sich die zwei Neo-Immigranten die
nur so vor Klischees und Vorurteilen sprühenden Identitäten „Tito“ und „Omar Sharif“
(ja, genau wie der Schauspieler) auf. Luka Vlatkovic und Jakob
Elsenwenger spielen mit einer so gut pointierten Komik, dass man ihnen andauernd
Szenenapplaus schenken möchte.
Ein absolutes Highlight ist auch Gioia Osthoff, die sich, trotz ihrer straffen
Geburtsvorbereitungen für Marko und dessen Start-up/“Ständer“-Firma als äußerst
geschäftskluge Nutte ins Zeug legt. Denn wer möchte nicht einen „Ing Wer“ Saft, der
aus einem kleinen Schwanzi eine riesengroße Gurke zaubert? (Unfassbar, mit was für
einer erfrischenden Spielfreude Gioia Osthoff hier über die Bühne wirbelt und das
gesamte Publikum mitreisst).
Martin Niedermair brilliert (wie immer!) in der Rolle des „ORG“-Senderchefs
Grün. Der Vollblutkomödiant wirft Sätze wie „Ausländer raus, das ist ein
Inlandsgespräch“ so brachial zackig in die Menge, dass man dem xenophoben
Senderchef gar nicht so richtig böse sein kann. „Zack, zack, zack, Oida!“ Sonst bist‘
deinen Job schneller los als du blöd schauen kannst.
Gelacht wurde während dieser kurzweiligen eineinhalb Stunden genug. Da reichte
schon ein „Ciao“ von Tamim Fattal als italienischer Kameramann.
Als die Realität sie schließlich einzuholen droht, sehen sich Benny und Marko erstmals
mit ihrem eigenen, nie wirklich aufgearbeiteten „Migrationsschicksal“ konfrontiert.
Papa Bilic mimt für die „Fake-Doku“ den Grätzl-Paten „Jugo Betrugo“, rettet mit
seinen Ersparnissen die Firma seines Filius.
Die Live-Übertragung aus dem Ghetto eskaliert und schließlich und endlich wird man
sogar für eine Romy nominiert. Weizi und Grün ernten die Loorbeeren für eine Doku,
die einigen Rudolfsheimern krass geschadet hat. Zu guter Letzt versuchen Benny und
Marko die Situation noch live zu de-eskalieren, doch was ist schon Wahrheit und was
Trug?
Herbert Föttinger hat wiedermal bewiesen, dass Film auch auf der Bühne
funktionieren kann. „Die Migrantigen“ passen so herrlich zu den Kammerspielen, wie
der Naschmarkt zu Wien. Man kann davon ausgehen, dass die rasante Komödie zum
Renner der Saison wird. Kammerspiel-Bäm, Oida!
FAZIT: Ein Top-Ensemble, das vor Spielfreude nur so sprüht! Verdiente
Standing Ovations und langer Applaus für einen durch und durch
gelungenen Theaterabend.
Der anschließenden Premierenfeier im Raiffaisen-Haus wohnten jede Menge
Prominenter bei, darunter Simpl-Chef Michael Niavarani, „TdJ“-
Direktor Thomas Birkmeir, Künstleragenturchefin Marika Lichter. Weiters
der „Migrantigen“-Filmdarsteller Faris Endris Rahoma sowie
Schauspieler Stefano Bernardin und Kollegin Jennifer Newrkla. Auch
Hausherr Herbert Föttinger schaute nach seiner „Jacobowski“-Vorstellung im
Haupthaus noch vorbei.
BESETZUNG
REGIE: Sarantos Georgios Zervoulakos
BÜHNENBILD / KOSTÜME / VIDEO: Eca Anisoglu
MUSIK: Aras Levni Seyhan
DRAMATURGIE: Silke Ofner
LICHT: Ali Esen
FOTOS: Philine Hofmann
MIT:
Benny Lorenz/ Omar Sharif: Luka Vlatkovic
Marko Bilic/ Tito: Jakob Elsenwenger
Marlene Weizenhuber: Doris Schretzmayer
Senderchef Grün: Martin Niedermair
Herr Bilic/ Jugo Betrugo: Ljubisa Lupo Grujcic
Sophie / Olga / Fatima: Gioia Osthoff
Juwel: Wilhelm Iben
Oktay Oncel: Özaydin Akbaba
Frau Weber: Martina Spitzer
Romana: Susanna Wiegand
Tommy, Kameraassistent: Tamim Fattal
WIENER KAMMERSPIELE
Rotenturmstraße 20
1010 Wien
WEBSITE: www.josefstadt.org/kammerspiele
FACEBOOK: www.facebook.com/TheaterinderJosefstadt
INSTAGRAM: www.instagram.com/josefstadttheater