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ZAP-2019-23

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Fach 17 R, Seite 980<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

klage und damit an der Vorgreiflichkeit der begehrten Feststellung für diese. Hinsichtlich seiner<br />

ursprünglichen Klage auf Zahlung bzw. Zeitgutschrift für zwei konkrete Tage (Hauptklage) hat er<br />

seine Berufung zurückgenommen und seitdem nur noch den Feststellungsantrag weiterverfolgt.<br />

2. Rechtsweg: Fremdgeschäftsführer – arbeitgeberähnliche Person<br />

Die Parteien streiten im Rechtswegbestimmungsverfahren und in der Hauptsache über eine außerordentliche<br />

Kündigung. Die Klägerin ist Fremdgeschäftsführerin einer GmbH. Sie ist schwerbehindert<br />

mit einen GdB von 50. Die Klägerin kündigte Mitte Juli 2017 ihren Dienstvertrag ordentlich zu Ende 2018.<br />

Daraufhin kündigte die beklagte GmbH ihrerseits Ende Juli 2017 außerordentlich und berief die Klägerin<br />

mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin ab. Im August 2017 erhob die Klägerin Klage vor dem<br />

Arbeitsgericht, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gerichtet<br />

war. Der Dienstvertrag sieht u.a. vor, die Klägerin sei „als Organvertreterin Leitende Angestellte (§ 14 Abs. 1<br />

KSchG)“, schulde ihre „volle Arbeitskraft“ und habe ihren Urlaub mit den „betrieblichen Belangen<br />

abzustimmen“. Die Beklagte rügt den Rechtsweg und hält das LG für zuständig.<br />

ArbG und LAG haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht. Das BAG (BAG, Beschl.<br />

v. 21.1.<strong>2019</strong> – 9 AZB <strong>23</strong>/18, ZAT <strong>2019</strong>, 58 m. Anm.) hebt die Entscheidung auf und verweist den<br />

Rechtsstreit an das Landgericht. Erstens liegt dem ArbGG der nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde,<br />

weil das Gesetz nicht in Umsetzung von Unionsrecht ergangen ist. Alsdann sperre § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG<br />

nicht, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung wegen der vorherigen Abberufung kein Organ<br />

mehr gewesen sei.<br />

Die Klägerin habe die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend gemacht; der Erfolg der<br />

Klage hänge, da § 626 BGB für Arbeits- und Dienstverträge gelte, nicht von ihrem Arbeitnehmerstatus<br />

ab, sog. „et-et-Fall“. Ein „sic-non-Fall“ liege nur dann vor, wenn die Klage nur Erfolg haben könne, wenn<br />

ein Arbeitsverhältnis in Rede stehe. In diesem Fall reiche für den Rechtsweg zum ArbG die bloße<br />

Rechtsbehauptung aus, es liege ein Arbeitsverhältnis vor. Bei den „et-et-“ und „aut-aut-Fällen“ bedürfe<br />

es dagegen eines schlüssigen Vortrags zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Den habe die Klägerin<br />

nicht vorgetragen. Weder der Dienstvertrag noch der Vortrag, sie unterliege Weisungen, genügt dafür.<br />

Die Weisungen sind allein die gesellschaftsrechtlich bestimmten nach § 37 GmbHG.<br />

Zuletzt prüft der Senat, ob die Klägerin arbeitnehmerähnliche Person ist, weil diese als Arbeitnehmer i.S.d.<br />

§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG gelten und das LAG dies bejaht hatte. Der Neunte Senat verneint dies. Zwar liege<br />

das erste Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit vor, weil die Klägerin zur Sicherung ihrer Existenzgrundlage<br />

auf die Bezüge aus dem Dienstvertrag angewiesen sei. Es fehle aber am zweiten Merkmal: der<br />

einem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit. Dies folge aus dem Amt, den<br />

Vertretungsbefugnissen aus § 35 GmbHG und der Ausübung der Arbeitgeberfunktion.<br />

Hinweise:<br />

1. Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine<br />

arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person. Der 9. Senat schließt sich dem 2. Senat<br />

(BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. HAASE) an und hält die Bejahung der<br />

Arbeitnehmereigenschaft bei Geltung des nationalen Arbeitnehmerbegriffs nur in „extremen Ausnahmefällen“<br />

für möglich (zur Anwesenheit des GmbH-Geschäftsführers zu den betrieblichen Arbeitszeiten:<br />

LAG Nürnberg, Beschl. v. 7.7.2016 – 7 Ta 48/16, BeckRS 2016, 118096). Der Neunte Senat stellt generellabstrakt<br />

klar, dass bei einem Fremdgeschäftsführer eine „Arbeitgeberähnlichkeit“ vorliegt.<br />

2. Vorsicht: Zahlreiche Gesetze, die Arbeitnehmerähnliche den Arbeitnehmern gleichstellen, gehen auf<br />

den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zurück. Diesen erfüllen jedoch Fremdgeschäftsführer (vgl.<br />

§ 2 Abs. 2 BUrlG; § 6 Abs. 1 AGG; § 2 Abs. 2 ArbSchG; § 1 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG; nationaler Begriff dagegen:<br />

§ 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG, § 2 Abs. 3 FPfZG und § 26 Abs. 8 Nr. 6 BDSG).<br />

3. Die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers soll – so der Neunte Senat – nicht der vorherigen<br />

Zustimmung des Integrationsamts bedürfen. Das entspricht der h.M., weil dem SGB IX nicht der uni-<br />

1258 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>

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