ZAP-2019-23
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Fach 17 R, Seite 976<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Arbeitsrecht<br />
Dies könne insb. der Fall sein, wenn<br />
• eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt,<br />
• ganz anders geartet war oder<br />
• von sehr kurzer Dauer gewesen ist.<br />
So liege es etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder<br />
Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung<br />
oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiografie, die mit einer<br />
beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.<br />
Das BAG hat durch Urteil v. 27.1.<strong>2019</strong> (7 AZR 733/16, NZA <strong>2019</strong>,700, hierzu PAUL, juris PR-ArbR 27/<strong>2019</strong><br />
Anm. 4 und LEMBKE/TEGEL, NZA <strong>2019</strong>, 1029 – ferner in den Parallelverfahren vom gleichen Tag: 7 AZR 13/17<br />
und 7 AZR 161/15, s. ferner BAG, Urt. v. 20.3.<strong>2019</strong> – 7 AZR 409/16, NZA <strong>2019</strong>, 1274 u. Urt. v. 17.4.<strong>2019</strong> –<br />
7 AZR 3<strong>23</strong>/17, NZA <strong>2019</strong>, 1271) im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG seine Rechtsprechung,<br />
wonach die grundlose Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig ist, wenn die Vorbeschäftigung des<br />
Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber mehr als 3 Jahre zurückliegt, aufgegeben.<br />
Im Verfahren 7 AZR 733/16 war der Kläger zunächst vom 19.3.2004 bis zum 30.9.2005 als gewerblicher<br />
Mitarbeiter bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, tätig. Mit Wirkung zum 19.8.2013 stellte die<br />
Beklagte ihn erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 18.7.2013 befristet für den Zeitraum bis<br />
zum 28.2.2014 als Facharbeiter im Bereich „Produktion und Logistik“ ein. Die Parteien haben später die<br />
Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis zum 15.8.2015 vereinbart. Mit der am 17.8.2015 beim<br />
Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht<br />
(s. § 17 TzBfG) und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht<br />
nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.<br />
Das BAG sieht vorliegend das gesetzliche Verbot der sachgrundlosen Befristung für den Arbeitgeber<br />
nicht als unzumutbar an. Den Zeitraum von 8 Jahren seit der Vorbeschäftigung sieht es als lang, aber<br />
nicht als sehr lang – unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG – an. Die Möglichkeit der<br />
sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung 8 Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung<br />
allein wegen des Zeitablaufs dürfte den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG<br />
verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten,<br />
gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insb. auch deren<br />
Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete<br />
Arbeitsverhältnisse angewiesen. Die sachgrundlose Befristung soll daher nach der gesetzgeberischen<br />
Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als<br />
Regelfall der Beschäftigung zu erhalten. Diese sachgrundlose Befristung bei der erneuten Einstellung<br />
eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. Das wäre<br />
nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von 8 Jahren erneut einen<br />
Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei<br />
typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst, könnte ein Arbeitgeber jedenfalls 4 sachgrundlos<br />
befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer<br />
schließen. Damit wäre die grundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme und das angestrebte Ziel einer<br />
langfristigen und dauerhaften Beschäftigung würde gefährdet.<br />
Ferner seien die vom Kläger während seiner Vorbeschäftigung geschuldeten Tätigkeiten keine ganz<br />
anderen gewesen als jene, die er ab dem 19.8.2013 zu erbringen hatte. Schließlich sei das erste zwischen<br />
den Parteien begründete Arbeitsverhältnis auch nicht von sehr kurzer Dauer gewesen. Sonstige<br />
Umstände, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs<br />
von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG gebieten könnten, seien nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.<br />
1254 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>