ZAP-2019-23
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Arbeitsrecht Fach 17 R, Seite 973<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />
Kein Urlaub entsteht daher bei: Sonderurlaub (vgl. BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 406/17, EzA-SD <strong>2019</strong>,<br />
Nr. 19, 5, Rn 28 ff. unter Aufgabe der Rechtsprechung BAG, Urt. v. 6.5.2014, 9 AZR 678/12, NZA 2014, 959<br />
„Charité“), Altersteilzeit im Blockmodell in der Freistellungsphase (vgl. BAG, Urt. v. 24.9.<strong>2019</strong> – 9 AZR<br />
481/18, Pressemitteilung Nr. 30/<strong>2019</strong>; Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urt. v. 13.7.2018 – 6 Sa 272/18, NZA-RR<br />
2018, 648), Sabbatjahr, Elternzeit Null (vgl. BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 495/17, NZA <strong>2019</strong>, 1136, ZAT<br />
<strong>2019</strong>, 133, 135 m. Anm.; BAG, Urt. v. 19.3.<strong>2019</strong> – 9 AZR 362/18, ZAT <strong>2019</strong>, 128, 132 m. Anm.), Kurzarbeit Null<br />
(vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2018 – C-385/17, NZA <strong>2019</strong>, 47).<br />
II.<br />
Kündigungsschutzrecht<br />
1. Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs schwerbehinderter Menschen zur unternehmerischen<br />
Organisationsfreiheit<br />
Mit weiterem Urteil (v. 16.5.<strong>2019</strong> – 6 AZR 329/18, NZA <strong>2019</strong>, 1198) hat der Sechste Senat des BAG<br />
erstmalig das Verhältnis des Beschäftigungsanspruchs eines schwerbehinderten Menschen nach § 164<br />
SGB IX im Verhältnis zur unternehmerischen Organisationsfreiheit des Arbeitgebers entschieden.<br />
Dem Senat lag folgender Sachverhalt vor: Der schwerbehinderte Kläger war langjährig bei der<br />
insolventen Arbeitgeberin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel einem tariflichen Sonderkündigungsschutz.<br />
Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt im Rahmen des<br />
zunächst in Eigenverwaltung betriebenen Insolvenzverfahrens, nachdem sie mit dem Betriebsrat einen<br />
Interessenausgleich mit Namensliste i.S.d. § 125 Abs. 1 InsO geschlossen hatte. Die Namensliste enthält<br />
den Namen des Klägers, dessen Arbeitsplatz wegen Umverteilung der noch verbliebenen Aufgaben<br />
nicht mehr besetzt werden muss. Die Hilfstätigkeiten, die er verrichtete, werden nunmehr von den<br />
verbliebenen Fachkräften mit erledigt. Andere Tätigkeiten kann der Kläger nicht ausüben. Er hält die<br />
Kündigung dennoch für unwirksam und beruft sich auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz sowie<br />
den Beschäftigungsanspruch aus § 81 Abs. 4 SGB IX a.F.<br />
Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung hat das<br />
Arbeitsverhältnis beendet. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz zeigt gem. § 113 S. 1 InsO keine<br />
Wirkung. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beschäftigungsanspruch aus<br />
§ 164 Abs. 4 SGB IX/§ 81 Abs. 4 SGB IX a.F. kommt mangels geeigneter Weiterbeschäftigungsmöglichkeit<br />
nicht zum Tragen. Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Schwerbehinderte nach § 164 Abs. 4<br />
SGB IX von ihrem Arbeitgeber bis zur Grenze der Zumutbarkeit die Durchführung des Arbeitsverhältnisses<br />
entsprechend ihrer gesundheitlichen Situation verlangen. Dies schließt jedoch eine betriebsbedingte<br />
Kündigung des Arbeitgebers nicht aus, weil schwerbehinderte Menschen keine Beschäftigungsgarantie<br />
nach § 164 SGB IX besitzen. Der Arbeitgeber kann eine unternehmerische Entscheidung<br />
treffen, welche den bisherigen Arbeitsplatz des Schwerbehinderten durch eine Organisationsänderung<br />
entfallen lässt. Dessen besonderer Beschäftigungsanspruch ist dann erst bei der Prüfung etwaiger<br />
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu berücksichtigen.<br />
Die Arbeitgeberin war nicht verpflichtet, für den Kläger einen Arbeitsplatz zu schaffen oder zu erhalten,<br />
den sie nach ihrem Organisationskonzept nicht mehr benötigt.<br />
Hinweise:<br />
1. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Vermutung des § 125 InsO. Sind bei einer Betriebsänderung nach § 111<br />
BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen<br />
Insolvenzverwalter und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird nach § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO<br />
vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt<br />
ist. Dies gilt auch für ein Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung, für das nach §§ 270 Abs. 1 S. 2, 279 S. 1<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong> 1251