28.11.2019 Aufrufe

ZAP-2019-23

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Fach 17 R, Seite 970<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

verjährt, weil die Verjährung am Tag nach der Erteilung einer jeden Entgeltabrechnung nach § 212 Abs. 1<br />

Nr. 1 BGB jeweils neu in Lauf gesetzt wurde. Die in einer Entgeltabrechnung enthaltene Mitteilung einer<br />

bestimmten Anzahl von Urlaubstagen könne ein rein tatsächliches Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1<br />

BGB enthalten. Liege ein solches vor, beginne die Verjährungsfrist für die in den Abrechnungen<br />

ausgewiesenen Urlaubsansprüche jeweils an dem auf die Abrechnung folgenden Tag erneut zu laufen,<br />

wenn die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Entgeltabrechnung erteilt,<br />

noch nicht abgelaufen ist.<br />

Die Entgeltabrechnungen, die die Beklagte von einem externen Dienstleister unter Angabe ihres Namens<br />

und ihrer Anschrift erstellen ließ, sind ihr – zumindest nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht<br />

– als eigene Erklärung zuzurechnen. Mit der Beauftragung des Dienstleisters, in dieser Weise Entgelt- und<br />

Urlaubsansprüche der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abzurechnen, duldete es die Beklagte,<br />

dass der Dienstleister für sie wie ein Vertreter auftrat und damit bei den Arbeitnehmern den Rechtsschein<br />

erweckte, er sei bevollmächtigt, die Ansprüche i.S.v. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB als nicht erfüllt anzuerkennen.<br />

Das BAG gibt dem Berufungsgericht auf, nach der Zurückverweisung die für die Entscheidung des<br />

Streitfalls erheblichen Tatsachen festzustellen und hierbei zu beachten:<br />

Einmal die neuere Rechtsprechung des Senats, wonach der Urlaub gem. § 7 Abs. 3 BUrlG i.d.R. nur verfallen<br />

kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn<br />

klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub andernfalls mit Ablauf des Kalenderjahres<br />

oder Übertragungszeitraums erlischt (BAG NZA <strong>2019</strong>, 977, s. hierzu sogleich unter 6.). Das LAG wird nach<br />

der Zurückverweisung der Sache den Parteien insoweit rechtliches Gehör zu gewähren und dann<br />

aufzuklären haben, ob die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Sollte dies der<br />

Fall sein, müsse weiter aufgeklärt werden, ob die Parteien – wie vom Kläger behauptet – im Jahre 2005<br />

eine Vereinbarung bezüglich des Verfalls von Urlaub geschlossen haben, und ggf. welchen konkreten<br />

Inhalt diese Absprache hat. Zwar erlaubt § 13 Abs. 1 BUrlG nicht, gesetzlich zwingende Urlaubsbestimmungen<br />

abzubedingen oder zum Nachteil der Arbeitnehmer zu modifizieren. Dies schließt jedoch<br />

nicht aus, dass die Parteien neben den bestehenden gesetzlichen Rechten vertragliche Ansprüche<br />

begründen etwa des Inhalts, dass der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbart, verfallenen Urlaub<br />

nachzugewähren. Gleiches gelte für eine Vereinbarung, die nicht die (Nach-)Gewährung verfallenen<br />

Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht.<br />

6. Neues zum Urlaubsrecht<br />

Über die in den letzten zehn Jahren durch die Rechtsprechung des EuGH bewirkten Änderungen im<br />

Urlaubsrecht haben wir wiederholt berichtet, zuletzt <strong>ZAP</strong> F. 17 R, S. 943, 946 ff. Im Berichtszeitraum sind<br />

wiederum zahlreiche Entscheidungen des BAG ergangen, von denen einige nachfolgend darzustellen<br />

sind (vgl. auch die ausführliche Darstellung bei BAYREUTHER, Urlaubsrecht – finalisiert, NZA <strong>2019</strong>, 945).<br />

a) Verfall von Urlaub setzt Unterrichtung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber voraus<br />

In Umsetzung der Entscheidung des EuGH (NZA 2018, 1474), hat das BAG am 19.2.<strong>2019</strong> in vier Urteilen<br />

(vgl. 9 AZR 541/15, NZA <strong>2019</strong>, 982; 9 AZR 4<strong>23</strong>/16, NZA <strong>2019</strong>, 977; 9 AZR 321/16, NZA <strong>2019</strong> 1043; 9 AZR 278/<br />

16, juris) jeweils zum Verfall von Urlaubsansprüchen und der bestehenden Obliegenheit des Arbeitgebers<br />

entschieden. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BurlG) erlischt bei einer<br />

mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des<br />

Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 S. 1 BurlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 S. 3 und 4<br />

BUrlG, § 24 S. 2 MuSchG [2018] oder § 17 Abs. 2 BEEG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in<br />

die Lage versetzt hat, seine Urlaubsansprüche wahrzunehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub<br />

dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Ihren Mitwirkungsobliegenheiten genügen Arbeitgeber<br />

nur dann, wenn sie ihre Arbeitnehmer auf bestehende Urlaubsansprüche: (1) ausdrücklich, (2)<br />

rechtzeitig und (3) völlig transparent hinweisen sowie weiter (4) auf deren Verfall hinweisen, für den<br />

Fall, dass der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt. (5) Zugleich muss die Urlaubsnahme auch<br />

tatsächlich möglich sein.<br />

1248 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!