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ZAP-2019-23

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Fach 17 R, Seite 966<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong>2019</strong><br />

Arbeitsrecht<br />

Hinweise:<br />

1. Es handelt sich um die erste einschlägige Entscheidung des BAG. Soweit das BAG auf die Urteile vom<br />

27.11.2003 ( 2 AZR 135/03, Rn 53, NZA 2004, 597 und 2 AZR 177/03, Rn 41, BB 2004, 1858;<br />

Parallelentscheidungen: BAG, Urt. v. 3.6.2004 – 2 AZR 427/03 und 428/03, juris) Bezug nimmt, sind<br />

die Entscheidungen zum Widerruf nach § 312 BGB und zur Anfechtung ergangen. Der jeweils enthaltene<br />

Hinweis lautet: „Der allgemeinen Gefahr einer möglichen Überrumpelung des Arbeitnehmers, z.B. weil die<br />

Vertragsverhandlungen zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten im Betrieb stattfinden (s. auch<br />

§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n.F.; ST. LORENZ JZ 1997, 277, 281 f.), kann allein über Informationspflichten und mit dem<br />

Gebot fairen Verhandelns begegnet werden (DÄUBLER NZA 2001, 1329, 1334; HENSSLER RdA 2002, 129, 135).“ Der<br />

Grundsatz hat dann 16 Jahre lang geschlummert.<br />

2. Das vom BAG angenommene Gebot fairen Verhandelns, gestützt auf § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 241<br />

Abs. 2 BGB, könnte Auswirkungen für das gesamte Arbeitsrecht haben, so etwa für Änderungsverträge<br />

oder auch für den Arbeitsvertragsschluss selbst. Auch über das Arbeitsrecht hinaus kann der<br />

im allgemeinen Zivilrecht verortetete Gedanke fruchtbar gemacht werden. Ob dies erfolgt, bleibt<br />

abzuwarten. Für einen Änderungsvertrag unter Entziehung einer Leitungsfunktion nach Vorwürfen<br />

sexueller Belästigung geprüft und verneint: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.4.<strong>2019</strong> – 5 Sa 339/18, RDG<br />

<strong>2019</strong>, 244; für einen Aufhebungsvertrag geprüft und verneint: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 7.3.<strong>2019</strong> –<br />

5 Sa 301/18, juris.<br />

2. Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenklausel<br />

Die Parteien streiten über Arbeitsentgelt. Nach dem schriftlichen Dienstvertrag vom 20.2.2012, der dem<br />

Arbeitsverhältnis zugrunde lag, hatte der klagende Arbeitnehmer Anspruch auf ein festes Jahresgehalt<br />

sowie auf eine leistungsabhängige Prämie i.H.v. zunächst 15.000 €. Die Prämie war bis Ende 2013<br />

garantiert und zahlbar bis zum 31. März des jeweiligen Folgejahres. Ferner war im Dienstvertrag eine<br />

zweistufige Ausschlussfrist vereinbart, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die<br />

mit diesem in Verbindung stehen, zunächst schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu<br />

machen sind, andernfalls sie verfallen (1. Stufe). Ab dem Jahr 2014 hat der Kläger keine Prämien mehr<br />

erhalten. Im November 2015 listete er zur Vorbereitung einer kurz danach geführten Unterredung<br />

Gesprächsthemen auf, zu denen auch die Zahlung von Prämien für die Jahre 2014 und 2015 gehörte. Das<br />

Gespräch hat ebenso wie ein weiteres Gespräch im Mai 2016 zu keinem Ergebnis geführt. Mit seiner am<br />

17.2.2017 zugestellten Klage hat der Kläger u.a. die Zahlung von Prämien für die Jahre 2014 und 2015<br />

i.H.v. jeweils 15.000 € verlangt. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos (BAG, Urt. v. 17.4.<strong>2019</strong> – 5 AZR<br />

331/18, NZA <strong>2019</strong>, 1050).<br />

Das Gericht lässt offen, ob überhaupt ein Anspruch auf Prämienzahlung bestand, weil dieser jedenfalls<br />

mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen ist. Es lässt weiter offen, ob die Fälligkeit der<br />

Prämienansprüche nach dem Dienstvertrag am 31.3.2015 und 31.3.2016 eingetreten ist oder ob sich der<br />

Eintritt der Fälligkeit mangels einer Leistungsbestimmung i.S.v. § 315 Abs. 1 S. 1 BGB durch die Beklagte<br />

nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB richtet. Auch im letzteren Fall hätte der Kläger seinen Anspruch auf<br />

arbeitgeberseitige Ausübung des Bestimmungsrechts zumindest dem Grunde nach schriftlich<br />

geltend machen müssen, um die erste Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist-Regelung zu<br />

wahren. Die Regelung der Ausschlussfrist ist wirksam und nicht etwa wegen eines Verstoßes gegen<br />

§ 3 S. 1 MiLoG insgesamt unwirksam. Da der Dienstvertrag am 20.2.2012 abgeschlossen wurde,<br />

handelt es sich um einen sog. Altvertrag, der vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (16.8.2014)<br />

abgeschlossen ist. Für einen solchen nimmt – wie bereits der 9. Senat des BAG, Urt. v. 18.9.2018 –<br />

9 AZR 162/18, NZA 2018, 1619 – auch vorliegend der 5. Senat an, dass es bei der von § 3 S. 1<br />

MiLoG vorgesehenen Teilunwirksamkeit einer „überschießenden“ Verfallklausel bleibt, weil eine bei<br />

Vertragsschluss transparente Klausel nicht durch eine spätere Änderung der Rechtslage intransparent<br />

(§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und damit insgesamt unwirksam wird.<br />

1244 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>23</strong> 4.12.<strong>2019</strong>

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